War die Arbeit am Konzept UR für dich der Startpunkt für alle weiteren konzeptuellen Arbeiten?

Nein. Weil ich denke, dass wir mit UR damals sehr weit entfernt von einem Konzept waren. Wir fühlten uns eher als eine Band, denn das war der Background, den wir hatten. Die Kultur des DJing war damals noch nicht fest in der Gesellschaft verankert, und die meisten DJs – so wie wir – waren eigentlich Schlagzeuger oder Bassgitarristen. Also Musiker! Und Musiker spielten in Bands, Bands hatten einen eigenen Stil und eine eigene Art zu spielen. Und natürlich einen eigenen Look. Als UR spielten wir zwar auf elektronischen Maschinen, dachten jedoch immer noch als Band.

Aber heutzutage sieht es so aus, als ob du immer ein Konzept für deine Arbeit brauchst. Einen Rahmen, den du dir absteckst. Um dann streng innerhalb dieses Rahmens deine Ideen zu verwirklichen.

Meine aktuelle Arbeit würde ich nicht so sehr auf meine Erfahrungen mit UR zurückführen. Es ist vielmehr ein Ergebnis meiner Tätigkeit als Radio-DJ! Denn mein Job war es, die Aufmerksamkeit der Hörer zu bekommen. Und wenn ich die erstmal hatte – was schwer genug war – musste ich sie irgendwie bei mir halten. Ich musste ihnen etwas Besonderes geben. Also versuchte ich, mit meinen Sets und der Auswahl meiner Tracks etwas zu erzählen. Als ich dann an X101, X102 und X103 (gemeinsam mit Mike Banks und Robert Hood, Anm. d. A.) beteiligt war, hatte ich immer noch dieses Bedürfnis, etwas mitzuteilen. Kraftwerk hat mit dem Album Computerwelt Ähnliches gemacht, denn alle Titel und Sounds des Albums standen einzeln und repräsentativ für das große Konzept dahinter. Das hat mich ebenfalls begeistert und ich wollte immer mehr in diese Richtung arbeiten.

Mike Banks und du, ihr seid beide sehr eigenwillige Charaktere. Gab es später Diskussionen mit Mike oder wie man so schön sagt: künstlerische Differenzen?

Nein. Du diskutierst einfach nicht mit Mike. Punkt. (lacht)

Vor zwei Jahren hast du dein Alter Ego „The Wizard” in Rente geschickt. Du meintest, das Publikum heute wäre eklektischen DJ-Sets gegenüber nicht mehr aufgeschlossen. Außerdem bist du vor kurzem 50 geworden. Machst du mit 60 immer noch Techno?

Diese Frage kann ich dir nicht beantworten. Ich bin einer aus der ersten Generation – wenn man von Leuten wie Frankie Knuckles und Tony Humphries absieht. Aber diese beiden sind nicht soweit rumgekommen wie ich. Ich weiß nicht, ob du das ähnlich siehst, aber: Alter scheint heute nicht mehr wichtig zu sein. Zumindest nicht mehr so wichtig, wie wir es früher vermuteten. Mit 40 oder 50 schaut dich heute im Club keiner wie ein Alien an. Genau deswegen weiß ich nicht, wie lange ich noch weitermache.

Um die Jahrtausendwende herum hast du dich mehr und mehr der Hochkultur angenähert. Seien es deine Kompositionen für Filme wie Metropolis, die Zusammenarbeit mit Orchestern oder Kunstinstallationen. Deine Art des Alterns mit Techno?

Nein, es ist eher das Gegenteil. Für mich ist es ein Expandieren. Mein Verständnis für elektronische Musik wird gerade dadurch viel größer. Außerdem erreiche ich so auch Menschen außerhalb des Clubs.

„Wie kann man ein Mensch auf dieser Erde sein und nicht fragend in den Himmel schauen?“

Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Clubs hast du ein Faible für die Sterne und den Weltraum. Auch in „Man From Tomorrow” beschäftigst du dich wieder auf abstrakte Weise mit diesen Themen. Woher kommt das?

Die Menschheit macht das seit Anbeginn, deswegen ist diese Anziehungskraft für mich eine ganz natürliche Sache. Du schaust in den Sternenhimmel und plötzlich hast du eine Ahnung davon, was alles da oben sein muss. Meine Vorstellungskraft wird dann einfach überbordend, das möchte ich mit anderen Menschen teilen. Das hört sich für mich nicht komisch an! Von früh neun Uhr bis Nachmittags fünf Uhr arbeiten gehen, heimkommen, Nachrichten schauen, zu Abend essen und schlafen gehen ohne ein einziges Mal nach in Richtung Himmel geblickt zu haben, finde ich da schon viel, viel merkwürdiger. Wie kann man ein Mensch auf dieser Erde sein und nicht fragend in den Himmel schauen?

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