Mike Dehnert ist einer der produktivsten Berliner Technoproduzenten, Lichtbedingt sein bereits zehntes Album. In den Neunzigern zog Dehnert als DJ durch die Berliner Clubs. 1997 startete er das Label Mumu, zehn Jahre später gründete er mit seinen Freunden Sascha Rydell und Roman Lindau Fachwerk. Für internationale Aufmerksamkeit sorgten Releases auf Delsin und Clone Basement Series. Genauso wie man bei einem guten Club nicht auf das Line-up des entsprechenden Abends schauen muss, um eine gute Nacht zu haben, geht es bei Dehnert auch weniger um den einzelnen Track. Wie der gute Club mit diesem oder jenem DJ derselbe gute Laden bleibt, wird man mit jedem seiner Stücke (mehr oder weniger) Teil der Dehnert-Experience. Seine Release- Politik erinnert an die von Wolfgang Voigt oder Stefan Laubner. Es geht um Serien von Tracks, die mit derselben Prämisse arbeiten und um die feinen Unterschiede, die bei jeder Wiederholung entstehen.
Der Fetisch der Clubmusik der Gegenwart ist (für Künstler wie für Labels) der Hit. Wem kein Hit gelingt, der betreibt Markenpflege und versucht, die richtige Frequenz von hinreichend originellen Releases zu veröffentlichen, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Durch die enorme Zahl von Tracks zerstört Dehnert den Markt für seine Musik. Aber einem einzelnen Track eine besondere, potentiell hittige Bedeutung einzuräumen, würde den Fluss der Tracks stören. Seine Musik kommuniziert nicht: „Ich bin wichtig“, sondern: „Ich bin da, ich kann gehört werden.“ Dehnert ist Produzent, kein Kurator. Er lässt uns an seiner Musik teilhaben, wie er selbst an ihr Teil hat.
Uns wird nichts erzählt. Wir sind dabei, im Prozess. Nichts und niemand erklärt, warum jener monotone, harte Techno-Groove mit dieser Synthesizerfigur verbunden wird. Es gibt kaum Arrangements, meist bestimmt die Synth-Figur die Dramaturgie des Tracks. Trotzdem gehören die Stücke auf Lichtbedingt zu seinen stärksten bisher und zum kompromisslosesten Techno dieser Tage. Dabei unterläuft Dehnert nicht seine eigene Logik. Eher entsteht aus der ziellosen Wiederholung ähnlicher Ansätze eine ganz besondere Form von Dichte und Selbstverständlichkeit, die anders nicht herstellbar ist.
Dank seiner schweren, langsamen Grooves ist Dehnerts Musik mit dem Berghain-Sound verwandt. Der Berghain-Techno hat die Neunziger als Gründungsmythos im Clubsound der Gegenwart greifbar gemacht und so den Schlag der Bassdrum als Imperativ des Hier und Jetzt aufgebrochen. Dehnert und seine Mitstreiter kehren zur Zeitform des Präsens zurück. Dehnert braucht keine Technokathedrale als Inspiration. Seine Tracktitel kommen aus dem Assoziationsfeld von Technik, Handwerk und Arbeit, die Stücke heißen „Festnetz“, „Brauwasser“, „Betriebsfeier“ oder „Reduzierter Eigenbedarf“. Man produziert Musik wie man telefoniert. Techno ist immer da, und deshalb genauso normal und so besonders wie alles im Leben.
Stream: Mike Dehnert – Lichtbedingt (Album-Preview)