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Zeitgeschichten: Frankie Knuckles

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„Ich habe ‚Baby Wants To Ride‘ an Trax verkauft, weil sie mir einen Haufen Kohle dafür geboten haben. Später war ich gerade auf Tour in England, spielte unter anderem im Delirium. Während ich dort war, fand Rocky Jones von DJ International, bei dem ich als Künstler gesigned war, heraus, dass ich „Baby Wants To Ride“ an Larry (Sherman, Mitgründer von Trax, Anm. d. A.) verkauft habe. Er wusste, dass ich eine Kopie davon im meinem Büro habe, also ist er da eingebrochen, hat sich das Ding geschnappt und es noch mal selbst herausgebracht. Echt verrückt, und so ging auch dieser ganze Streit los. Auf jeden Fall war ich bei Rocky ja nur als Künstler, nicht als Produzent unter Vertrag. Larry hat ihn dann verklagt und gewonnen, das ganze wurde ein Präzedenzfall im amerikanischen Musikrecht.“

Noch schwerwiegender war aber die Tatsache, dass Jamie Principle von all dem nichts wusste, und Knuckles hinter seinem Rücken gleich mehrere Tracks an zwei Labels verkaufte. Die Versionen auf Trax sowie die Lizensierungen für Großbritannien, Belgien und weitere Länder nennen lediglich Knuckles als Autor des Tracks, nur einige Versionen haben im Kleingedruckten auch Principle als Urheber stehen. Der distanzierte sich daraufhin von Knuckles und produzierte als Antwort den Disstrack „Knucklehead“ – zu Deutsch: Schwachkopf. Obwohl die frühe House-Szene oft mafiaähnliche Geschäftspraktiken aufwies, war Knuckles nach dieser Aktion erst einmal unerwünscht in Chicago und zog 1987 nach viermonatiger Residency im Delirium in Großbritannien schließlich wieder zurück nach New York.

Obwohl House inzwischen international erfolgreich war, dauerte es lange Zeit, bis die Major-Labels nicht mehr nur wegen Remixaufträgen an Knuckles’ Haustür anklopften. So folgte nach zahllosen Neubearbeitungen großer Hits erst 1991 ein Vertrag bei Virgin, wo Knuckles sein Debütalbum Beyond The Mix veröffentlichte. Und obwohl die Singles „Rainfalls“, „Workout“ oder „The Whistle Song“ – der inzwischen in zahlreichen Remixen und Neubearbeitungen, zuletzt im Oktober 2012 auf Nocturnal Groove, wiederveröffentlicht wurde – allesamt hoch in die Dance-Charts einstiegen, gelang es ihm mit dem Album nicht, Fans von Pop und R&B von seiner ganz eigenen Musik zu begeistern.

Doch seinem Erfolg als Remixer tat das keinen Abbruch. Während der gesamten neunziger Jahre bearbeitete er alleine oder gemeinsam mit Def Mix Songs von Madonna bis Michael Jackson neu. Zudem hatte Knuckles auch in seiner Heimatstadt New York wieder eine erfolgreiche Residency inne, nachdem Junior Vasquez eine Auszeit von der Sound Factory in Manhattan nahm. Als der zurückkam, wurde Knuckles schließlich Resident in der Sound Factory Bar.

Es gibt nicht vieles, was Knuckles nach vierzig Jahren DJ- und Produzentenarbeit und in seiner Rolle als „Godfather Of House“ nicht erlebt hätte. Seine Musik ist in Videospielen wie Grand Theft Auto zu hören, und im Jahr 2004 benannte Chicago die Straße, an der das Warehouse lag, in „Frankie Knuckles Way“ um. Barack Obama, von 2005 bis 2008 noch Junior Senator für Illinois, meinte damals zu Knuckles: „Wow, du bist viel bekannter in Chicago, als ich es geahnt hätte.“ Doch der gebürtige New Yorker gibt sich angesprochen auf diese Anekdote bescheiden: „Das war natürlich eine große Ehre, schließlich ist Obamas Job viel anstrengender als meiner!“ 2005 wurde Knuckles in die Dance Music Hall Of Fame für seine Leistungen als DJ aufgenommen. Doch bereits nach seinem Grammy-Gewinn 1997 als bester Remixer hängte er die Musikproduktion erst einmal an den Nagel. „Ende der Neunziger wurden Hard House, Trance und Techno immer größer, ich fand einfach keine Inspiration mehr, um neue Musik zu machen. Also ging ich auf Tour, dort wollte ich bleiben, bis sich die Dinge besserten. Keiner schien sich mehr für mich als Produzent zu interessieren – zumindest dachte ich das.“

Vor zwölf Jahren brach sich Knuckles beim Snowboarden in der Schweiz den rechten Fuß. Ein Arzt sagte ihm, um seinen Fuß zu retten, müsse Knuckles mindestens ein Jahr Pause eingelegen, doch das konnte er sich nicht leisten. So entwickelte sich in all den Jahren aus einem einfachen Bruch eine gefährliche Knochenmarkentzündung. Im Juli 2008 schließlich musste der Fuß amputiert werden. „Ich wusste, ich muss da durch, und als der Fuß weg war, habe ich geweint wie lange nicht mehr“, erinnert sich Knuckles an die Folgen der Operation. „Doch schon am nächsten Morgen ging es mir sehr viel besser, mir war gar nicht bewusst, wie viel Schmerzen mir der Fuß zuvor bereitet hat, es war, als wenn plötzlich wieder die Sonne aufging.“

 


Stream: Hercules & Love AffairBlind (Frankie Knuckles Remix)

 

Die kam auch in der Musik wieder zurück in sein Leben. Denn bereits vor der OP bat Andy Butler von Hercules & Love Affair Knuckles um einen „Def Classic Mix“ seines Tracks „Blind“. „Ich dachte, sie machen Witze, keiner spielte mehr diesen Sound, also lehnte ich ab. Doch sie blieben hartnäckig. Als ich dann krank wurde, sagte Andy, sie würden so lange warten, bis es mir wieder besser geht. Also fragten sie mich wieder und wieder, bis ich irgendwann zusagen musste.“ Gemeinsam mit Eric Kupper produzierte Knuckles schließlich einen Remix von „Blind“ samt der divengleichen Stimme von Antony Hegarty, der ein großer Erfolg wurde. „Ich war gerade auf Tour in Griechenland, als die Platte rauskam. Ich wusste nicht mal, dass sie schon erschienen ist, aber jeder fragte mich danach. Ich war total beeindruckt! Eine lange Geschichte, doch kurz zusammengefasst muss ich Hercules & Love Affair dafür danken, dass sie mich zu meiner ersten Liebe zurückgebracht haben. Besser gesagt, nicht zu meiner ersten – sondern meiner wahren Liebe!“

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