Wie kann man sich das Warehouse in dieser Zeit ungefähr vorstellen?
Für einige Leute war es eine Art Kirche, eine eigene Religion. Wie gesagt, die Partys fanden nur Samstag, Sonntagvormittag und manchmal bis zum späten Nachmittag statt. In erster Linie waren dort Schwarze und Latinos, überwiegend Schwule, die meisten von ihnen zwischen 18 und 35. Es war sehr exzessiv, ja, schon fast spirituell. Am Anfang, so zwischen 1977 und 1980, 81 waren die Partys wirklich intensiv, ich meine, sie waren immer intensiv, aber das Gefühl dieser Zeit war einfach echt und unverfälscht. Vieles davon änderte sich dann aber ein bis zwei Jahre später, weshalb ich das Warehouse auch verlassen habe. Es gab dann mehr und mehr eher hartgesottene Heteros, die auch auf die Partys wollten, aber einfach keinen Respekt für den Spirit des Clubs hatten.
Von den siebziger Jahren bis heute hast du sämtliche Phasen von House miterlebt. Welche davon war für dich persönlich die beste?
Definitiv die Zeit zwischen 1990 und 1997. Die Songs waren noch immer wichtig für den Dancefloor, und der Produktionsprozess entscheidend. Es war einfach ein gemeinschaftliches Ding damals. Heutzutage wird die meiste „House Music“ von einem einzelnen Typen in seinem Schlafzimmer mit einem Ableton Live oder Pro Tools Setup produziert. Der Nervenkitzel, mit einem kompletten Team von Soundingenieuren, Tonassistenten und anderen Leuten in einem professionellen Studio zu arbeiten und eine großartige Idee zum Leben zu erwecken, ist etwas Fantastisches, das leider immer mehr verschwindet.
„Heute wird House alleine im Schlafzimmer mit dem Laptop produziert. Aber die Teamarbeit in einem professionellen Studio ist etwas Fantastisches, das leider immer mehr verschwindet.“
Ab 1980 wurde „House“ zum Schlagwort für die rauen, auf Drum Machines basierenden Edits und Tracks, die Knuckles in Chicago spielte. Seine erste Roland TR-909 kaufte er dem damals noch jungen Derrick May ab, der regelmäßig von Detroit nach Chicago fuhr, um den „Godfather Of House“ im Warehouse zu erleben. Ein Titel, den sich Knuckles allenfalls mit seinem Freund Larry Levan teilen muss, dessen Künste an den Turntables und Auftritte in der Paradise Garage ihm zu jener Zeit ebenfalls den Ruf eingebracht haben, die Wurzeln moderner Clubmusik wesentlich mit entwickelt zu haben.
Stream: Frankie Knuckles & Jamie Principle – Baby Wants To Ride
Aufgrund „kreativer Differenzen“ – was bekanntlich alles und nichts heißen kann – verließ Knuckles 1982 schließlich das Warehouse. Als einen Grund neben dem Publikumswandel nennt er eine gewissen Stagnation, die sich im Club breit machte. Doch Knuckles ging es schon immer um ein Wachsen mit der Musik, weshalb er wenig später mit dem Power Plant seinen eigenen Club in Chicago eröffnete. Mit dem Weggang von Knuckles wurde aus dem Warehouse schließlich die ebenfalls legendäre Music Box, die aber auch nur einen kurzen Frühling erlebte, und mit Ron Hardy einen weiteren wichtigen House-Pionier als Resident hinter den Decks stehen hatte. Hardy spielte einen wesentlich härteren, weitaus perkussiveren Sound als Knuckles. Mit einer wahnsinnigen Energie mixte er alles von Philly-Classics, Italo-Disco-Importen bis zu New Wave, Disco und Rock-Tracks. Außerdem pitchte er die Platten viel höher als Knuckles, Derrick May etwa erinnert sich daran, wie einmal Stevie Wonder von Hardy auf +8 durch das höllisch laute Soundsystem der Music Box gejagt wurde. Oder wie Bill Brewster einmal schrieb: „Wenn Frankie Knuckles der Godfather Of House ist, dann war Ron Hardy sein Baron Frankenstein.“
Knuckles hatte währenddessen mit dem Power Plant, seinem ersten eigenen Club, endlich die volle Kontrolle über Soundsystem, Deko und Lichtanlage. Regelmäßige Gäste im Power Plant waren unter anderem Marshall Jefferson und Larry Heard. Doch das Publikum von Chicago hatte sich inzwischen in zwei Lager gespaltet: Die Leute, die wirklich wilde, laute Musik mochten, gingen in die Music Box. Wer auf sehr guten Sound und eine weniger exzessive Stimmung stand, der folgte Knuckles ins Power Plant. Drei Jahre konnte er den Club am Laufen halten, bis Mitte der Achtziger Hip-Hop die House-Szene verdrängte. 1986 schloss das Power Plant schließlich. Doch Knuckles versuchte es ein Jahr später erneut und eröffnete das Power House, welches jedoch durch die Behörden schnell wieder geschlossen wurde. Von da an widmete sich Knuckles nach 15 Jahren hinter den Turntables zusehends eigenen Produktionen. So nahm ihn Irwin Larry Eberhart II alias Chip E. unter seine Aufsicht und produzierte mit ihm gemeinsam Knuckles erste Platte „You Can’t Hide“, welche auch den Sänger Ricky Dillard featured. Bereits zuvor testete Knuckles eigene Tracks im Power Plant und arbeitete zu jener Zeit auch mit Jamie Principle zusammen, dem er dazu verhalf, seine Tracks „Your Love“ und „Baby Wants To Ride“ auf Vinyl zu veröffentlichen, nachdem sie bereits etliche Male in den DJ-Sets von Knuckles im Reel-to-Reel-Player ihre Runden drehten.