burger
burger
burger

Zeitgeschichten: Frankie Knuckles

- Advertisement -
- Advertisement -

Doch seine ersten Lektionen in Sachen House Music hatte Knuckles bereits in sehr jungen Jahren gelernt. Über seinen Freund Larry Levan kam er bereits als Teenager in Kontakt zur aufkeimenden New Yorker Disco- und Dance-Szene. Sie beide interessierten sich vor allem für die Disc-Jockeys, Frankie Knucklesetwa David Mancuso und seine Partyreihe The Loft, die in Mancusos Wohnung stattfand, und Knuckles erhielt im Juli 1972 im Continental Baths zum ersten Mal selbst die Gelegenheit, an den Plattentellern zu stehen. „Ich habe immer montags und dienstags gespielt, Larry dann Mittwoch bis Sonntag“, erzählt Knuckles im Interview von jener Zeit. „Häufig habe ich allerdings auch den Anfang für Larry gespielt, oder bevor er aufgestanden war – wenn er überhaupt irgendwann mal aufstand.“

Auch im Club Better Days war Knuckles zu jener Zeit schon gebucht, wo er für 50 Dollar pro Nacht auflegen durfte. Ein Jahr zuvor, Knuckles war gerade mal 16, ist seine Mutter verstorben. Doch er blieb nicht bei seinem Vater, der wenig später erneut heiratete, oder zog mit seiner Schwester zusammen, sondern suchte sich mit einem High-School-Freund eine gemeinsame Bleibe. Tagsüber arbeitete er bei der Kaufhauskette Bloomingdales in der Textilabteilung. „Ich dachte, das wäre der beste Platz, um mir mein Interesse für Design zu bewahren“, erinnert sich Knuckles.

Irgendwann durften Levan und er zudem Nicky Siano, der später Resident im New Yorker Studio 54 wurde, beim Vorbereiten der legendären The Gallery-Partys in Soho, Manhattan aushelfen. Sie waren unter anderem dafür verantwortlich, die Luftballons aufzupumpen und das Acid in den Punsch zu geben. Neben der Paradise Garage, in welcher Levan bald darauf Resident und weltberühmt werden sollte, war The Gallery der wohl wichtigste Club im New York der Siebziger. Siano war erst 18, als er mit seinem Bruder die Gallery eröffnete, die er nach dem Vorbild des Lofts gestaltete. Er war einer der Ersten, die Platten ineinander mixten und zu seinen ersten Bewunderern gehörten natürlich auch Levan und Knuckles. Die Gallery war zwischen 1972 und 1978 geöffnet, und während Mancuso auch gerne mal die Steve Miller Band oder einfach nur Regenwaldklänge auflegte, regierten bei Siano Soul und Funk. „Eine wahnsinnig verrückte Zeit“, erinnert sich Knuckles.

And In My House There Is Only House Music

1972 zog der New Yorker Robert Williams nach Chicago und eröffnet dort fünf Jahre später, im März 1977, in der 206 South Jefferson Street das Warehouse. Über Larry Levan, der Williams bereits abgesagt hatte, gelangte er an Knuckles und beauftragte ihn als Resident-DJ. Doch auch Knuckles zögerte zunächst: „In New York hatte ich nie Probleme mit Rassismus“, erklärt er, „doch ich hatte keine Ahnung, wie die Sache in Chicago aussehen würde.“ Nach drei Monaten und den ersten Nächten vor halbleerem Dancefloor im Warehouse zog er schließlich endgültig in die Windy City. Nicht zuletzt auch, um das Publikum der Stadt nicht nur im Warehouse, sondern auch in anderen Clubs von sich und seiner Vision zu überzeugen. „Ich fand heraus, dass ich mir auch anderswo einen Namen machen und den Leuten klarmachen musste, dass ich etwas ganz Spezielles machen würde.“

Das Spezielle an Knuckles’ Auftritten war seine Mixtur aus alten Philly-Klassikern wie Harold Melvin, Billy Paul oder The O’Jays und Disco-Hits wie Martin Circus’ „Disco Circus“ oder importierter europäischer Popmusik von Bands wie Kraftwerk und Telex. „Als das Warehouse 1977 eröffnete, spielte ich vor allem East-Coast-Platten“, berichtet Knuckles. „Sachen aus Philadelphia, viel Salsoul, viel R&B, Disco. 1980, 81 hat sich das dann alles ein wenig abgenutzt. Also bin ich immer wieder nach New York gefahren und habe neue Platten nach Chicago mitgebracht. New York hatte schon damals seinen eigenen, speziellen Sound, der fehlte Chicago damals einfach …“

 

Als du Ende der Siebziger anfingst im Warehouse aufzulegen, sprach noch kein Mensch von „House“, oder?

Nein, das ging erst Anfang der Achtziger los, dass die Kids im Warehouse von „House Music“ sprachen. Der Club gab der Musik quasi seinen Namen. Eines Tages war ich mit dem Auto Richtung Süden unterwegs, um mein Patenkind zu besuchen. Ich stand an einer Ampel und sah an der Ecke diese Kneipe mit dem Schild „We Play House Music“. Ich fragte den Typen hinter der Bar, was es damit auf sich hat, und der meinte nur: „Wir spielen halt den Kram, den du im Warehouse auflegst.“ Dabei war das einfach nur mein Stil, die Platten auf eine neue Art zu spielen, weil das Publikum in Chicago noch nicht so weit wie die Leute in New York war. Es gab zwar viel guten Soul, aber ich musste die Platten für das Warehouse nach etwas Neuem klingen lassen, um den Dancefloor am Laufen zu halten, es gab einfach so wenig echte Dance Music! Ich nahm also die wirklich aufregenden Songs, änderte das Tempo und legte die Percussion einer Drum Maschine darüber, um die Songs mehr auf den Dancefloor anzupassen. Es gab dabei keinen Masterplan, ein neues Genre oder so zu erfinden. Als Disco für tot erklärt wurde, musste ich mir einfach was Neues einfallen lassen, um die Leute am Samstag wieder ins Warehouse zu locken. Der Laden hatte nur Samstag auf, der Sound musste also frisch bleiben.

In diesem Text

Weiterlesen

Features

[REWIND2024]: So feiert die Post-Corona-Generation

Die Jungen feiern anders, sagen die Alten – aber stimmt das wirklich? Wir haben uns dort umgehört, wo man es lebt: in der Post-Corona-Generation.

[REWIND2024]: Ist das Ritual der Clubnacht noch zeitgemäß?

Hohe Preise, leere Taschen, mediokre Musik, politische Zerwürfnisse – wo steht die Clubkultur am Ende eines ernüchternden Jahres? Die GROOVE-Redaktion lässt das Jahr 2024 Revue passieren.

[REWIND 2024]: Gibt es keine Solidarität in der Clubkultur?

Aslice ist tot. Clubs sperren zu. Und die Techno-Szene postet Herz-Emojis. Dabei bräuchte Clubkultur mehr als solidarische Selbstdarstellung.