In der Ferne eine Skyline, vermutlich San Francisco. Die Zivilisation: längst zerbröckelt. So beginnt und endet es hier: mit Fanfaren und dräuenden Gas-Wolken. Dazwischen hallt – passend dazu – Rave nicht aus dem Keller nach, wie einst bei Burial. Sondern aus dem Wald. Oder besser: der Prärie. Denn das vierte Album von Boards Of Canada ist Lagerfeuer-Folk für Vollbärte in Wanderstiefeln, manchmal in der echten, zumeist aber eher in der gefühlten Natur mit all ihrer Mystik. Und die klingt auf Tomorrow’s Harvest nun weniger nach feuchtem schottischen Moos, sondern eher nach trocken flirrender Midwest-Psychedelik. Etwas rauer, etwas finsterer. Geändert hat sich aber trotzdem nicht viel. Wieder geht es um große Gefühle, Schwelgen, Drama. Ausgedrückt durch Klacker- und Schepperbeats, die Hip-Hop viel schulden, die aber nicht obenauf sind, sondern Spannung aufbauen zwischen verzagter Breitbeinigkeit und verrätseltem Träumen. Dazu so finstere wie somnambule Stimmsamples. Und auch mal ein Rauschen wie von einer nassen Autobahn. Es ist aus der Zeit gefallene Neunziger-Emotronica. Also wieder dasselbe wie beim letzten Album vor acht Jahren (und wie bei allen davor). Aber vielleicht braucht man so lange, wenn man in seiner eigenen Welt lebt, dort reichhaltige Texturen webt und diese mit bröckelndem Firnis versieht. Das ist enigmatische und selbstbezogene Musik, die zwar mehr von der Welt wissen will als die von Autechre. Aber ebenso wenig mit unendlichem Spaß am Hut hat. Hier geht es um die Melancholie des Vergangenen. Das Erhabene. Und auch um eine waschechte Flucht aus der schnöden Realität.
Stream: Boards Of Canada – Reach For The Dead