Wenn es um den Karneval geht, ist der Berliner pragmatisch. Mal ganz abgesehen vom kulturellen Graben zwischen dem Rheinland und der Norddeutschen Tiefebene: Es ist einfach unpraktisch, Ende Februar bei Minusgraden in Berlin auf den Straßen zu feiern. Deshalb ignoriert der Berliner einfach die, durch das milde Klima im Westen der Republik befeuerte, rheinische Fröhlichkeit und zelebriert seinen Straßenkarneval stattdessen bei angenehmen Temperaturen an Pfingsten. Ursprünglich nach dem Vorbild des Notting Hill Carnival gegründet, hat sich der Karneval der Kulturen inzwischen zu Kreuzbergs größter Straßenparty entwickelt, die auch für die Clubkultur von Bedeutung ist. Schließlich sind die diversen musikalischen Subkulturen der Stadt schon seit den Anfängen in den Neunzigern mit eigenen Wagen auf der Parade vertreten und die Off-Karnival-Open-Airs (wie der Hinterhof-Rave des inzwischen leider geschlossenen Horst Krzbrg) markieren den inoffiziellen Start der Sommersaison.
Eine der spannendsten Veranstaltungen im Umfeld des diesjährigen Karnevals der Kulturen findet in und um den Club Gretchen statt. Das von Daniel Haaksmans Label Man Recordings angestossene Lusotronics Festival widmet sich zwei Tage lang der elektronischen Musik des portugiesischen Sprachraums (für den der Fachbegriff “Lusophonie” steht). Die auftretenden Künstler kommen aus Brasilien, Angola, Mosambik und Portugal und neben bekannten Genres wie Baile Funk (Brasilien) oder Kuduro (Angola) stehen auch hierzulande bisher wenig gehörte Stile wie Tecno Brega (Brasilien) im Mittelpunkt. Am Samstag, den 18. Mai, stehen unter anderem die bekannteste mosambikanische Rapperin Dama do Bling, der erste transsexuelle Kuduro-Star Titica aus Angola und das angolanisch-portugiesische Bandprojekt Throes & The Shrine, das sich einem “Rockoduro” getauften Crossover-Sound verschrieben hat, auf der Bühne. Am Sonntag, den 19. Mai, wendet sich das Programm dann mehrheitlich Brasilien zu: DJ Edgar aus Rio de Janeiro bietet klassischen Baile Funk und der Postpunk-Held Edu K sampelt sich ähnlich anarchisch durch die Stile seiner Heimat wie die, von Diplo protegierte, Indietronic-Band Bonde do Rolê. Die Gang do Eletro stellt ihre Variante des Stils Tecno Brega, der die populäre Musik des brasilianischen Nordens clubtauglich macht, vor, während DJ Comrade Trap und EDM auf Brasilianisch buchstabiert. Dazu gibt es das ganze Wochenende über Filme und Vorträge. Muito legal!
Video: Gang do Eletro – Velocidade do Eletro
Lusotronics Festival
18. & 19. Mai 2013
Batida
Bonde do Rolê
Cibelle
DJ Edgar
Dama do Bling
Edu K
Jess & Crabbe
Gang do Eletro
Titica
u.a.
Gretchen
Obentrautstr. 19-21
10963 Berlin