Norman Nodge ist seit fast zwanzig Jahren Techno-DJ und -Aktivist in Berlin und Brandenburg. Überregional bekannt wurde er durch seine Residency im Berliner Berghain, wo er für einen detroitlastigen und fordernden Techno-Sound von Robert Hood bis Planetary Assault Systems, von Shed bis Sandwell District steht. Zu seiner Spezialität gehört das Warm-Up: „Die sollen juckig an der Tanzfläche stehen und denken: Wann kommt denn mal ’n Beat?“ Aufgewachsen ist Norman Noczinski in Beskow, etwa fünfzig Kilometer von Berlin entfernt. 1993 begann er noch als Schüler, mit Freunden Partys im lokalen Ballsaal zu veranstalten. Man buchte Berliner Urgesteine wie Rok oder Jonzon, aber auch einen Felix Da Housecat. Es folgte ein Studium an der juristischen Fakultät der Universität in Frankfurt/Oder. Heute schafft Nodge ein beachtliches Pensum: Als Berghain-Resident wird er mittlerweile auch regelmäßig international gebucht, als Kiez-Anwalt im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg bewältigt er eine Vierzig-Stunden-Woche. Außerdem ist er Vater von drei Kindern.
„Diese Platte erscheint hier stellvertretend für alle Depeche Mode-Titel. Wir hatten in der DDR ja kaum Schallplatten. Mit dem Kassettenrecorder hat man beim SFB 4 oder bei Rias Berlin mitgeschnitten. Depeche Mode wurde aber auch in der DDR im DT64 gespielt. In einer Sendung gab es sogar den „Depeche Mode-Titel der Woche“. Nach der Wende in einen Shop zu gehen, eine Depeche Mode-Platte zu kaufen und zu hören, das war dann schon ziemlich geil. Meine erste waren die Singles 1981-1985, die gab es als einzige Platte der Band auf [dem DDR-Label] Amiga. Kurz davor ist meine Mutter nach Frankreich gefahren. Da hab ich gesagt: „Komm’ Mutter, bring mir eine Depeche Mode-Schallplatte mit.“ Und welche bringt sie mir mit? Die Singles 1981-1985.“
5. X-102 – Discovers The Rings Of Saturn (Tresor, 1992)
„Das war eine meiner ersten wirklichen Technoplatten. Am Anfang habe ich mir nur wenige leisten können. Die hab’ ich zusammen mit „Der Klang der Familie“ von Dr. Motte bei New Noise in Schöneberg gekauft. Viele Technostücke damals klangen sehr cheesy. Diese Platte war etwas radikal Neues. Sie macht von vorne bis hinten Sinn. Zwar sind ein paar Titel drauf, die man auch spielen kann. Insgesamt war es aber das Konzept, das futuristische Design und die Story dahinter, was mich geflasht hat. Auf der X-102 hört man die Handschrift von Robert Hood schon sehr deutlich durch. Die erste Version von Minimal Nation hätte ich genauso gut auswählen können. Ich bin ja schon relativ früh auf die Detroit-Chicago-Schiene gekommen.“
4. Edie Brickell & New Bohemians – Shooting Rubberbands At The Stars (Geffen, 1988)
„Mich hat zwar die elektronische Musik besonders angesprochen, trotzdem bin ich vom Mainstream nicht verschont geblieben. INXS fand ich eine Zeit lang großartig. Und Achtung Baby von U2 fand ich besonders toll. Da konnte man auch zu U2 tanzen. Ich weiß noch, wie sie rumgejammert haben, dass das jetzt nicht mehr ist wie Rattle & Hum. Aber es muss ja nicht immer die Betroffenheit von „Sunday Bloody Sunday“ sein. Und „One“ ist ein Lied für die Ewigkeit. Unglaublich gerne gehört habe ich auch Edie Brickell, als Musik zum Autofahren und zum Mitträllern. Ich hatte so ein Jungszimmer. Dort habe ich die Platte aufgelegt und die dann von vorne bis hinten durchgedudelt. Die Musik ist so entspannt, die hat sich einfach so weggehört.“
3. David Bowie – The Best Of Bowie (K-tel, 1980)
„Ich habe einen Cousin, der ist ein großer Jazz-Fan. Mit dem habe ich früher viel gehört, aber keinen richtigen Zugang zu der Musik gefunden. Vor zehn Jahren habe ich mir noch mal in Ruhe ein paar Miles Davis-Sachen reingezogen, Bitches Brew und A Tribute To Jack Johnson. Er stand immer im Zentrum, hat aber auch die anderen machen lassen. In dieser Zeit habe ich auch David Bowie entdeckt. Mit Anfang zwanzig konnte ich mit seiner Musik nichts anfangen. Bowie ist auch echt so ein Typ. Das hat mir gefallen, dieses Spinnerte. Als die Stones eine Discoplatte machten, dachte man, dass sie halt mit dem Zeitgeist gehen wollten. David Bowie hat sich all diesen Phänomenen geöffnet, aber trotzdem war es immer sein eigener Stiefel.“
2. MC 900 Ft. Jesus With DJ Zero – Hell With The Lid Off (Nettwerk, 1989)
„Nach dem Abi, vor dem Studium, hab ich in Hannover auf dem Bau gejobbt. Da gab es so eine Bibliothek mit CDs. Von dort habe ich mir auch dieses Album überspielt und im Auto rauf und runter gehört. Die Kassette habe ich irgendwann vermüllt und mir dann noch mal die CD gekauft. Die buddel ich in regelmäßigen Abständen aus und zieh sie mir von vorne bis hinten rein. So richtig klar kommt da keiner drauf, das ist eben so ganz durchgeknallter Scheiß. Da sind Sachen drauf, die wie Techno sind, typisch 1989, aber mit einem EBM-Einschlag. Und dazu wird auch noch gerappt. „Shut Up“ ist sehr abgehangen, das ist einfach nur ein Beat. „Talking To The Spirits“ ist Indianertechno. Diese Mischung von allem Möglichen finde ich gut.“
1. Tangerine Dream – Phaedra (Virgin, 1974)
„Ich wollte nicht mit Kraftwerk kommen, weil die ja jeder rauskramt. Die sind natürlich sehr wichtig, mir am Ende aber doch ein bisschen zu glatt. Deshalb Phaedra von Tangerine Dream. Wenn ich das am Anfang auf der Berghain-Anlage laufen lasse, bläst einen das echt weg. Tangerine Dream waren ja nicht irgendwelche Typen, die am Synthesizer rumprobiert haben, sondern ausgebildete Musiker. Wenn sie getourt sind, haben die nicht nur einen Laptop hingestellt, sondern richtige Gerätschaften. Wie die Stücke klangen, hing von den örtlichen Stromverhältnissen ab: Die Geräte reagierten immer anders auf den Strom vor Ort und machten dann auch andere Geräusche. Deshalb klingt diese Platte aus meinem Geburtsjahr auch heute noch total frisch.“