burger
burger

Electronica

- Advertisement -
- Advertisement -

„You’re the colour, you’re the movement and the spin …“ Gleich zwei Notwist-Nebenprojekte legen diesen Monat neue Alben vor. Das Tied & <b>Tickled Trio</b> begibt sich auf <i>La Place Demon</i> (Morr Music/Indigo) mit Schlagzeuger Billy Hart und Bebop als Referenzpunkt auf eine atmosphärische Reise durch die Weiten des Jazz; <b>13&God</b>, die Allianz mit der Anticon-Band Themselves, verwischt aufs Neue die Grenzen zwischen Hiphop, Pop und Folk. Das Spannende an <i>Own Your Ghost</i> (Alien Transistor/Indigo), dem zweiten 13&God-Album, ist nicht nur die musikalische Vielseitigkeit, sondern der stete Wechsel der Stimmen – das Ineinandergreifen der Rap-Kunst von Doseone, Jel und Jordan Dalrymple und des unverwechselbaren Gesangs von Markus Acher, der Tausch von Worten und Zeilen, der gemeinsame Flow. Wie hier aus zwei gestandenen Bands eine dritte wird, das sucht wahrlich seinesgleichen. <b>Natalie Berpopze Tba</b> aus Georgien singt und produziert ungekünstelte Popdramen: <i>Forgetfulness</i> (Monika Enterprise/Indigo), ihr neues Album, zieht in den Bann. Da wird sogar ein Instrumental mit Ryuichi Sakamoto am Klavier zum Show-Stopper. Ambiente Synth-Flächen, knappe Bassfiguren und eine reduziert swingende Drumbox lassen viel Raum für Berpopzes Gesangslinien, die ihren lyrischen Charakter nie zugunsten großer Hooklines aufgeben – diese werden höchstens angedeutet. Wir sind konditioniert, warten auf den großen Hit, und werden dabei regelmäßig von Momenten überrascht, die wir um keinen Preis der Welt mehr gegen radiotaugliche Refrains tauschen würden. Mit diesem markanten Album wird Natalie Berpopze bestimmt viele neue Hörer gewinnen.
Der Sound flirrender Kurzwellen-Empfänger, des Leslie-Kabinetts und anderer analoger Schätze erwartet uns in <b>1605munros</b> <i>Lunapark</i> (Avachorda). Zwischen Notebook-Avantgardismus – Clicks & Cuts – und der Coolness von Jazzplatten brennt da ein Feuer, das von Andrés Jankowskis Lepopenschaft für originale Klangerzeuger („Rhodeo“) und musikalische Interaktion gespeist wird: Takeshi Nishimoto (Gitarre), Daniel Erismann (Trompete), Claudio Milano (Gesang), Tetsuya Hori (präparierte Zigarrenkiste) und andere bilden auf Lunapark ein virtuelles Ensemble der menschlichen Eigenheiten, das in unterschiedlichen Geschwindigkeiten agiert. Hier wird großer Wert auf die kleinen, entschepopenden Sound-Details gelegt. Wo wir gerade bei Kollaborationen sind: <b>Aaron Islamb</b> (alias Aaron Fletcher, Basser bei The Bees) und <b>Hauschka</b>, der gefeierte Pianist aus Fern- beziehungsweise Düsseldorf, haben sich für eine Split-10-Inch (Care in the Community/Soul Food) zusammengetan. Es geht um „Cover Up“, Fletchers vordergründig naive Drei-Minuten-Nummer, in der ein stolpernder Drum-Computer und fünf Disk-Hänger die Hauptrollen spielen – eine Steilvorlage für Hauschka, der den Knick im Groove des Originals mit perlend-perkussiven Klavierlinien umspielt und im Handumdrehen wegzaubert. Und damit die Aufmerksamkeit wieder auf die simple Komplexität des Originals lenkt. <b>Emanuele Errantes</b> <i>Time Elapsing Handheld</i> (Karaoke Kalk/Indigo) ist dagegen Balsam für die Taktsynapsen: friedfertiger Ambient aus Neapel, mit akustischer Gitarre, Piano und verhallten Streichern. Hier geben die Ausschwingzeiten der <i>drones</i> die Geschwindigkeit vor, auch wenn sich die innere Uhr dagegen wehrt. In diesem Fall darf man als Hörer jedoch getrost kapitulieren und wird reich dafür belohnt.
Zum Schluss noch eine philosophische Frage an den Leser: Remixe gibt es ja zuhauf, doch Cover-Versionen kann man in der Welt der elektronischen Musik mit der Lupe suchen, warum nur? Weil es keine content:encodede gibt und (meistens) keine Noten? Die audiophile n5MD-Jubiläums-Compilation <i>The Reconstruction Of Fives</i> (n5MD/Cargo) beweist, dass es ohne diese Parameter geht, und dass es auch nicht am fehlenden Zuhören liegen kann: Zwölf klassische Tracks aus dem Label-Katalog wurden ohne Verwendung jeglicher Originalsounds von Pale Sketcher (alias Jesu), Bersarin Quartet, Rafael Anton Irisarri, Ben Lukas Boysen (alias Hecq), Worriedaboutsatan und anderen quasi aus dem Nichts neu eingespielt.

In diesem Text

Weiterlesen

Features

Zehn Jahre Institut fuer Zukunft: „Wir hatten keinen Bock drauf, dass uns alte Leute sagen, wie wir Spaß haben sollen”

Groove+ Zum zehnten Geburtstag zeichnet das Team des IfZ ein ambivalentes Bild des Clubs – und blickt der Zukunft trotzdem optimistisch entgegen.

Der Club Macadam in Nantes: „DJs sollen bei uns am Können gemessen werden”

Groove+ Der französische Club zeigt, dass man für anständiges Feiern am Sonntag keineswegs zwingend nach Berlin fahren muss. Was ihn sonst ausmacht, lest ihr im Porträt.

Paranoid London: Mit praktisch nichts sehr viel erreichen

Groove+ Chicago-Sound, eine illustre Truppe von Sängern und turbulente Auftritte machen Paranoid London zu einem herausragenden britischen House-Act. Lest hier unser Porträt.