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DE9 – Transitions

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Im Hifiladen Boxen-Groß in Berlin-Kreuzberg fährt mir ein „Tresorkind der ersten Stunde“ einen DVD-Player mit angeschlossener 5.1-Anlage hoch: Eine normale Hifi-Anlage kann von Richie Hawtins neuem Mix-Album „Transitions“ nur die zweikanalige, gekürzte CD-Version abspielen – und ein Computer die vollständige, aber komprimierte und selbstverständlich auch bloß zweikanalige mp3-Fassung.
„Transitions“ ist definitiv eine neue Hörerfahrung: Der Sound kommt nicht auf einen zu, vielmehr befindet man sich mittendrin. Das, was man als DJ-Mix-Album im Kopf hat, wird hier kaum aufgerufen. Irgendwann realisiert man, dass es sich bei den breiten, tiefen Tönen eigentlich um Bässe handelt, dass es so etwas wie Drums gibt. Der Sound kommt nicht mehr aus einer bestimmten Richtung, man ist Teil eines konstruierten akustischen Raums mit einer irrsinnigen Trennschärfe.
„Transitions“ steht in einer Serie von Mix-CDs von Richie Hawtin: Bei „Decks, EFX & 909“ ging es darum, ein Maximum aus den Schallplatten, der 909 und den Effektgeräten heraus zu holen, bei „DE9 – Closer to the Edit“ zerschnitt Hawtin die Ausgangstracks zu Loops, um völlig neue Sequenzen aus ihnen zu bauen. In dem neuen 5.1-Mix werden die geloopten Elemente nicht nur in der Zeit angeordnet, sondern auch im Raum. Diese räumliche Komponente, die ja der originelle Aspekt des Fünfkanal-Sounds ist, wird im Ganzen eher subtil ausgespielt, manchmal aber auch ganz explizit: Man erschrickt, wenn irgendwann Ricardo Villalobos’ Kratzgeräusche in Stewart Walkers satte Bässe herein schnepopen.
Die Visualisierung des Sets, die bei den Vorgängern durch Schemata in den CD-Booklets umgesetzt war, ist hier äußerst gelungen: Wenn ein Bildschirm an den DVD-Player angeschlossen ist, erscheinen die title der gerade laufenden Tracks. Einige sind über mehrere Minuten im Mix, andere nur für Sekunden. Mal sind nur Elemente zweier Stücke zu hören, mal läuft Material aus sechs verschiedenen Tracks gleichzeitig.
Es ist die Pointe von Hawtins Ansatz, dass er zwar mit den sophisticatetesten Techniken des Musikproduzierens arbeitet, trotzdem aber seine künstlerischen Essentials, bestimmte Trademark-Momente nie aus dem Auge oder besser aus dem Ohr verliert. Das ständige, klare Pulsieren der Bässe und die analytische Konstruktionsweise des Sets, in dem Element für Element platziert wird, ist auch hier wieder deutlich hörbar: Bei aller Komplexität ist „Transitions“ doch ein handfestes Techno-Set.
An Richie Hawtin kann viel rumgemäkelt werden: er arbeitet mit einer Intensität und Systematik an den Herausforderungen der Produktion elektronischer Musik wie kaum ein anderer. „Transitions“ ist Produkt eines Netzwerkes, in dem künstlerisches Talent und technische Expertise wie an wenigen anderen Orten in einen Dialog gebracht werden.
„Üble Bässe“, sagt das Tresor-Kind der ersten Stunde.
<b>Tipp:</b> “Jupiter Lander“, „Minimal Master“, „Ich weiss nicht“

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