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CARL CRAIG & MORITZ VON OSWALD Recomposed (Deutsche Grammophon)

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Die Deutsche Grammophon ist eins der renommiertesten Labels für Klassische Musik in Deutschland. Um die eigenen Aktivitäten mit der aktuellen Clubmusik in Beziehung zu setzen, startete man vor einiger Zeit die Recomposed-Serie, für die Elektronikmusiker Aufnahmen aus dem riesigen Archiv des Labels neu interpretieren. Nach eher unbefriedigenden Alben von Jimi Tenor und Matthias Arfmann ist Carl Craig und Moritz von Oswald nun ein sensationeller Beitrag zu der Reihe gelungen: Die beiden haben den Bolero und die Rapsodie Espagnole von Ravel sowie Bilder einer Ausstellung von Modest Mussorgski in den 87er-Aufnahmen mit Stardirigent Herbert von Karajan und den Berliner Philharmonikern überarbeitet und zu einem einzigen Stück zusammengefügt.

Für das Ergebnis fällt kaum ein Superlativ ein, der übertrieben wäre. Selten ist es besser gelungen, den künstlerischen Geltungsanspruch der elektronischen Tanzmusik auch jenseits von unmittelbar auf den Club zielender Musik mit Gehalt zu füllen. Craig und von Oswald schaffen es, eine auf Loops basierende, sequenzielle Musik jenseits aller Klischees und Moden zu entwickeln. Die acht Stücke bearbeiten das gesamte Spektrum zwischen Sprödigkeit und Anmut, zwischen Abstraktion und Groove. Von Oswalds Talent als Schöpfer unwahrscheinlichster Klänge und Carl Craigs Gespür für faszinierend-verstörende Arrangements greifen perfekt ineinander. Die beiden verfolgen einen ganz anderen Ansatz als Jimi Tenor und Matthias Arfmann, die immer den Kontrast zwischen Klassik und elektronischer Musik ins Zentrum der Stücke gestellt hatten, zum Beispiel den Gegensatz zwischen rumpeligen Dubbässen und sublimen Geigern. Von Oswald und Craig setzen dagegen nur kurze Sequenzen aus den Aufnahmen ein, sie lösen die Stücke in einzelne Spuren und kurze Pattern auf. Die bekannte „Hookline“ aus dem Bolero etwa taucht überhaupt nicht auf. Als Elektronikmusiker nähern sie sich der Klassischen Musik über deren Klanggestaltung. Gerade weil die gegensätzliche Musikphilosophie so direkt herausgearbeitet wird, kann sich ein Kontakt zwischen Mussorgskis spätromantischer Hyperemotionalität und der Dramatik des Detroitsounds entwickeln. Ebenso entsteht eine Beziehung zwischen dem Fokus, den Ravels impressionistische Musik auf das Atmosphärische legt, und der elektronischen Musik.

Diese dritte Folge von Recomposed ist eins der wenigen unverzichtbaren Elektronikmusik-Alben in diesem Jahr. Herbert von Karajans Einspielung ist sicher nicht die spannendste verfügbare Aufnahme dieser Kompositionen, und die Deutsche Grammophon ebenso wenig das innovativste Klassiklabel. Trotzdem haben die Labelmacher es vermocht, von Oswald zu einer Zusammenarbeit zu bewegen, der dann Craig involvierte. Der Rückgriff auf Bolero war offensichtlich wegen der Loophaftigkeit des Stücks, die Aufnahmen des Mussorgski-Stücks boten sich an, weil sie sich als Mehrspur-Aufnahmen auf demselben Band fanden. Dass dieses Werk nun in dieser Form existiert, ist eine Sensation.

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