Foto: Martin Lovekosi (Steffen Bennemann)
Steffen Bennemanns Einfluss auf die deutsche House- und Techno-Szene ist kaum zu bemessen – gerade weil er sich als Produzent und DJ weitgehend zurückgehalten und stattdessen auf die Arbeit hinter den Kulissen konzentriert hat. Als Mitveranstalter und Booker des Nachtdigital in Olganitz hat er über Jahre hinweg einem kleinen, aber begeisterten Publikum jedes Mal aufs Neue ein Festivalerlebnis garantiert, das Schule machte. Nun heißt es aber “school’s out”: Die kommende Ausgabe des Nachtdigitals zwischen dem 2. und 4. August wird seine letzte sein. Weil Melancholie aber noch nie wirklich zum Nachti passt, ist Bennemanns Beitrag zum Groove-Podcast so farbenfroh geworden wie das Festival selbst.
In den vergangenen Monaten war die Nachtdigital-Crew unter anderem im objekt klein a a oder dem PIP Den Haag zu Gast. Wie fühlt sich diese Tour an in dem Wissen, dass es die letzte dieser Art sein wird?
Ich sehe unsere Tourdates als so eine Art gegenseitige Energieübertragung. Alle unsere Clubevents waren immer Kollaborationen, also gemeinsam mit den Leuten vor Ort kuratierte Events. Je länger wir zusammengearbeitet haben umso intensiver wurde es dann immer. Und bei diesen ganzen Orten die wir in den vergangenen Monaten besucht haben weißt du jedes Mal ganz genau: Das ist jetzt die letze Transmission dieser Art, in dieser Form. “Abschied ist ein scharfes Schwert!”, pflegt der Bürgermeister von Olganitz, Dr. Bernd Naumann (parteilos), zu sagen.
Das Nachtdigital kann auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken, die beispiellos ist. In den letzten Jahren sind viele neue Festivals aus dem Boden gesprossen, die sich einem ähnlichen Ansatz verpflichtet haben wie ihr und die versuchen, ein ganzheitliches und doch intimes Festivalerlebnis anzubieten. Wie hast diese szeneweite Entwicklung aus Veranstaltersicht wahrgenommen?
Als wir mit Nachtdigital zu einem richtigen Festival wurden – so ab 2005 etwa, bis dahin war es ein eintägiges Open Air – da gab es im Prinzip beziehungsweise in unserer Wahrnehmung nicht viel mehr als Fusion, SonneMondSterne, Melt und Nature One. Heute gibt es jedes Wochenende irgendwo in Europa ein liebevoll kuratiertes intimes Festival an einem tollen Ort, immer häufiger sogar mit richtig guter Musik. Im Großen und Ganzen also eine höchst erfreuliche Entwicklung: Endlich muss man nicht mehr immer alles selber machen.
Als Booker hast du das musikalische Programm des Nachtdigitals wie kein anderer geprägt. Was war dir bei der Kuration über all die Jahre wichtig, und worauf hast du bei der Programmierung der letzten Ausgabe wert gelegt?
Als das Ende beschlossen wurde, waren 90% des Programms schon gemacht. Ich hab September 2018 angefangen wie immer: Einfach ein schönes Programm zusammenstellen. Wer ist längst überfällig, wer müsste jetzt langsam mal wieder? Vielversprechende Newcomerinnen, verdiente Veteranen, ein paar Kennen-wir-schon-Gäste. Bisschen von allem eben: Tanzen, Entdecken, Krafttanken, mal gaga sein. Am Ende ist es vielleicht auch ganz gut so, dass es für die letzte Ausgabe kein “Best of Greatest Hits”-Ding geworden ist, sondern sich ganz natürlich anfühlt wie immer. Wobei aber auch klar ist, dass es durch unseren finalen Twist garantiert alles andere als ein “normales” Jahr wird. Aber was ist schon normal? Festivals sind ja gewissermaßen der Inbegriff des Unnormalen.
Zu jeder Nachtdigital-Ausgabe gibt es traditionellerweise auch ein Vinyl-Release. Was habt ihr euch für die letzte Veröffentlichung ausgedacht?
In den vergangenen zwei Jahren haben wir recht streng konzeptionell gearbeitet, mit thematisch kuratiertem Doppel-Vinyl. Mit der Platte von 2018 hatten wir gefühlt das Ziel erreicht, sprich: Diese explizit gesteuerte Herangehensweise ausreichend ausgelotet. Daher haben wir dieses Jahr gesagt: Lass back to the roots machen, einfach eine Compilation mit Stücken von Artists aus dem diesjährigen Lineup. Auch das stand schon vor dem Entschluss fest, dieses Jahr aufzuhören. Aber weil Doppelvinyl schon deutlich mehr Spaß macht als Solo-12″s sind wir beim Format Doppel-LP geblieben. Insgesamt sind auf dem Release neun Stücke vertreten, alle von unterschiedlichen Künstlerinnen. Die meisten davon sind Dance-Stücke, das gab es auch schon eine ganze Weile nicht mehr bei uns. Ein schöner Haufen Hits!
Du selbst bist als Produzent bisher eher selten in Erscheinung getreten. Woran liegt’s?
Zuviel Arbeit mit dem Festival. Aber jetzt ändern sich die Zeiten ja bald.
Dein Beitrag zu unserem Groove-Podcast wurde tatsächlich im Club aufgenommen. Wann, wo und wie genau – und warum lieber so als eine Aufnahme aus dem Studio?
Ich mache meine eigene monatliche Radiosendung (P25) und war zuletzt des Öfteren bei Online-Radios zu Gast, darum wollte ich nicht auch hier etwas listening-mäßiges abgeben. Zuhause oder im Radio bekomme ich es einfach nicht hin, mal Party zu machen. Zum Glück gab es dann diesen Mitschnitt vom Ankali-Geburtstag. Das Ankali in Prag ist einer dieser tollen Orte, die wir mit unserer Tour besucht haben und mit der Crew dort hat es auch gleich beim ersten Aufeinandertreffen geklickt. Zum zweijährigen Geburtstag haben sie eine lange Party veranstaltet, von Freitagabend bis Sonntagmittag. Tagsüber blieb der Club zu und es lief nur draußen im Garten Musik. Ich sollte das Garden Closing am Samstagabend spielen, die Sonne ins Bett bringen. Das ist ein Slot, den ich seit Jahren nirgendwo mehr bespielt hab. Ich bin zur Vorbereitung durch meine komplette Musiksammlung gegangen und hab dann fast ausschließlich Sachen rausgesucht, die ich in den Jahren 2010-2013 gekauft oder bekommen habe. Das war sehr interessant für mich zu sehen, wie ich damals so unterwegs war: Viel diverser als heute, so bisschen in allen Richtungen. Die Aufnahme ist insgesamt eigentlich zweieinhalb Stunden lang, aber ich hab gedacht: Das Vorgeplänkel lassen wir mal weg, gleich rein ins Getümmel. Meist brauch ich ohnehin ungefähr eine Stunde, um in einem Set richtig anzukommen. Der Mix ist also eher was zum Joggengehen oder wenn man nach der Party in der S-Bahn sitzt und Schiss hat, eine Stunde später an der Endstation aufzuwachen. Mit Tracklists ist das eine heikle Geschichte: “pay respect to the authors” versus seine Tricks nicht verraten. Für meine Art Aufzulegen ist es jedoch ein ganz wesentliches Prinzip, dass man nie genau weiß was als nächstes kommt. Darum hab ich explizit auf eine Tracklist verzichtet. Wer einen bestimmten Titel oder alle wissen möchte kann mir aber gern schreiben und dann verheimliche ich auch nichts.
Last but not least: Wann können wir dich in nächster Zeit hinter den Decks erleben und wie sehen deine Pläne für die Zukunft als Veranstalter aus?
Als DJ bin ich hier zu sehen:
13.07. Erfurt, KF/PNYX Open Air (mit Polo)
20.07. Prag, Ankali (last Nachti Tour Date ever)
03.08. Olganitz, Nachtdigital
07.08. Berlin, about blank
26.08. Pütnitz, Pangea Festival
Und als Veranstalter werde ich erstmal bisschen Pause machen und alles sacken lassen.
Stream: Steffen Bennemann – Groove Podcast 213