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Zeitgeschichten: José Padilla

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Dass Pioniere oft über den Tisch gezogen werden und das Geschäft von anderen gemacht wird, ist ja eine Geschichte, die sich in der Musikszene häufig wiederholt.

Wenn man heute im Sommer dort entlang spaziert, sitzen da Tausende von Leuten – jede Bar ist voll. Die Besitzer sind alle reich geworden. Und ich habe Schwierigkeiten, meine Miete zu bezahlen! Das ist die harte Realität.

Aber hast du im vergangenen Jahr nicht wieder dort gespielt?

Ja, zwei Mal. Aber sie wollten mich schon wieder nicht dafür bezahlen! Das ist ihr Konzept. Abgesehen von den wenigen Glücklichen wie Richie Hawtin und Sven Väth, die hier ein Vermögen verdienen, bekommt ein großer Rest sehr wenig Geld. Es gibt einfach hunderte DJs, die im Sommer hier leben. Die spielen für wenig Geld bis umsonst mit ihren USB-Sticks und Laptops. Das kann ich einerseits verstehen, anderseits möchte ich ihnen zurufen: Ich weiß, ihr seit jung und alles, aber verkauft euch nicht unter Wert! Diese Mentalität macht den ganzen Markt kaputt. Die Musik, die ich spiele, hat ihren Wert und ebenso meine Reputation. Ich war zwar immer ein schlechter Geschäftsmann, aber ich kannte meinen Wert. Wenn man nicht vom Auflegen leben kann, sollte man zuhause bleiben und was anderes tun. Es ist einfach unlogisch, dass die einzigen Profiteure bei dem ganzen Geschäft die Clubbetreiber und Veranstalter sind. Ich meine, man zahlt hier ja schnell 60 Euro für ein paar Bier.

Wann hat dieses ganze Big Business mit den allgegenwärtigen DJ-Gesichtern auf den Werbetafeln überhaupt angefangen?

Im Grunde erst vor zehn Jahren. Klar gab es das schon auch vorher, aber nicht in so einem verrückten Ausmaß. Heutzutage sind DJs Marken wie McDonalds oder Walmart. Die ganze Insel, und damit werde ich mich jetzt bei den örtlichen Politikern unbeliebt machen, ist ein einziger großer Puff geworden. Und die Musik erfüllt vor allem den Zweck, die Stimmung oben zu halten. Sobald man als DJ den Sound etwas runterfährt, muss man schon eine gute Crowd haben, damit sie einem folgt. So was gibt’s ja auch noch, Nicky Siano hat zum Beispiel vergangenes Jahr im DC10 gespielt. Die Leute haben es gemocht, auch wenn er nur Oldschool-Zeug gespielt hat. Junge DJs spielen in der Regel anders, ihre Sets wirken sehr strukturiert auf mich.

„Das Pacha war früher einer der besten Clubs der Welt mit großartigem Soundsystem und einem sorgfältig ausgesuchtem DJ-Booking. Heute spielt dort ein Steve Aoki. Da geht es nur noch ums Geld.“

Die wenigsten jungen DJs mussten auch täglich acht Stunden auflegen.

Genau, ich habe da einfach einen anderen Background. Mir kommt die Musik heute oft etwas oberflächlich vor. Gerade die jungen Leute, die von diesem EDM-Scheiß vergiftet werden! Diese Musik lässt einem echt das Hirn schmelzen. Manchmal denke ich: José, du bist einfach zu alt, um das zu verstehen. Du klingst ja wie dein eigener Vater! Aber nein, ich verstehe einfach nicht, wie man mit dieser Musik Spaß haben kann. Das Pacha war früher einer der besten Clubs der Welt mit großartigem Soundsystem und einem sorgfältig ausgesuchtem DJ-Booking. Heute spielt dort ein Steve Aoki. Da geht es nur noch ums Geld. Die Leute, die in den Club gehen, werden nicht mehr als Menschen angesehen sondern als Jetons. 5000 Leute die 100 Euro Eintritt zahlen sind eine halbe Millionen, so ist die Denke heute. Ich verstehe ja, dass man geschäftsmäßig handeln muss, man hat ja ein Business am Laufen und 100 Leute arbeiten für einen. Aber trotzdem: Die romantischen Tage auf Ibiza sind lange vorbei.

Du bist also sehr frustriert über den Zustand der Insel?

Nun, ich hatte immer eine Art Hassliebe zu der Insel und momentan ist es eher Hass als Liebe. Ibiza gibt mir nichts mehr.

Aber kannst du dir vorstellen, wo anders zu leben?

Oh ja! Ich besitze nichts außer meinem Namen. Ob ich jetzt hier, in Mumbai oder Granada lebe – ich werde immer José Padilla sein. Ich würde super gerne auf Ibiza bleiben, mir ein kleines Anwesen kaufen und den Rest meiner Tage hier verbringen. Letztendlich gehe ich ja kaum noch aus. Ich mag ja selbst davon leben und es ist nicht gut, das Ganze immer zu kritisieren. Ich habe aber das Bedürfnis nach echtem Leben und diese Insel ist der pure Eskapismus. Nirgendwo in der Welt bin ich so schlecht behandelt worden wie hier. Vor zwei Jahren habe ich im Blue Marlin gespielt, einem poshen Strandclub. Ich wusste nicht, dass man dort die DJ-Booth auch buchen kann. Ich habe gehört, es kostet 3000 bis 4000 Euro, damit man mit seinen Freunden beim DJ abhängen und Champagner trinken kann. Ich beende also mein Set, bestelle etwas zum Essen, sitze im Hintergrund, da kam eine Angestellte vom Club und hat mir gesagt, dass ich die Booth verlassen muss. Damit irgendwelche russischen VIP-Leute reinkommen und sich auf meinen Platz setzen können. Ich habe meine verdammte Quiche gegessen und bin abgehauen. Das ist das heutige Ibiza!

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