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Mehr Bass!

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Im Januar 2006 lud die BBC-Moderatorin Mary Anne Hobbs sieben Dubstep-DJs in ihre Sendung auf Radio 1 ein und machte die noch junge Stilrichtung damit erstmals einem breiteren Publikum zugänglich. Die Show, in der unter anderem Sets von Mala (Digital Mystikz), Skream und Kode9 ausgestrahlt wurden, hieß „Dubstep Wars“ und wurde zu einem der prägenden Momente in der Geschichte des Genres. Als Hobbs in diesem Herbst einen Nachfolger des Specials ankündigte, überraschte weniger die Auswahl der DJs als vielmehr der title der Sendung. Denn für die Ausgabe, die den aktuellen Stand des Stils dokumentieren sollte, strich sie die Marke „Dubstep“ aus dem Namen und nannte die Sendung stattdessen einfach „Generation Bass“.
Diese Entschepopung war konsequent, denn das, was die sieben DJs der Klasse von 2008 – die übrigens von ihren Vorgängern aus der Sendung von 2006 ausgewählt wurden – ablieferten, hörte sich zum größten Teil doch sehr anders an als der durch „Dubstep Wars“ etablierte Sound. „Generation Bass“ zeigte damit einerseits, dass Dubstep nicht zum Stillstand gekommen ist und auch die nächste Generation den Stil wieder für sich neu erfindet. Andererseits zeigt der Verzicht auf den Genrenamen, dass das Wort „Dubstep“ inzwischen auch für eine bestimmte Stilistik steht. Die meisten DJs aus der Sendung würden mit ihrer Selektion bei einer Dubstep-Party sicher von Einigen aus dem Publikum zu hören bekommen: „Und wann spielst du endlich Dubstep?“ Diesen Umstand erkennen Hobbs und alle Beteiligten an, eine Kapitulation vor der selbst ernannten Genrepolizei stellt der Verzicht auf „Dubstep“ aber nicht dar. Vielmehr erinnert er daran, dass Dubstep von Anfang an ein offenes Experimentierfeld war, noch bevor überhaupt ein Genrename existierte. Zurück zu den Wurzeln also. Wer braucht denn auch Genrenamen? Alles, was wir brauchen ist (mehr) Bass!
Eine der Entwicklungen, die „Generation Bass“ dokumentierte, war das Aufkommen von schrägen Synthesizersounds, die in England mit „wonky“ (schief, instabil) umschrieben werden. Parallel zu Dubstep tauchten solche „schiefen“ Synthies dieses Jahr auch in anderen Stilen auf: im HipHop zum Beispiel bei Produzenten wie Flying Lotus oder Samiyam. Der Wonky-Vorreiter in Hobbs Sendung war Joker aus Bristol, der in seinen DJ-Sets und eigenen Produktionen wuchtige Synthesizerwände mit Grime- und R’n’B-Elementen kombiniert. Zwei Tracks, die aus seinem Set hervorstachen, sind jetzt bei Punch Drunk erschienen: „BK 2 The Future“ und „Bass Transmitter“ von Gemmy, der ebenfalls aus Bristol kommt. Der zweite „Generation Bass“-DJ, der mit „wonky“ Beats auffiel, ist Starkey aus Philadelphia. Bei Starkey, der sich mit Veröffentlichungen in den unterschiedlichsten Stilrichtungen dagegen wehrt, als Dubstep-Künstler klassifiziert zu werden, dominieren vor allem die Electro- und HipHop-Einflüsse. Seine aktuelle 12-Inch „Just A“/„Million“ (Rwina/Import) ist Südstaaten-Bass mit wild gewordenen Keyboard-Spielereien auf Dubstep-Tempo. Weitere aktuelle Beispiele für „wonky“ Dubstep sind „Millie“/„Direct“ von Ikonika (Hyperdub/Cargo), das total durchgeknallte „Zig-Zag“ von Rustie (Wireblock/Import) und Jamie Vex’ds Offbeat-Remix von „Twitch“ auf einer der drei 12-Inches mit Bearbeitungen vom Scuba-Album A Mutual Antipathy (Hotflush). Paul Rose alias Scuba betreibt neben dem Label Hotflush auch die „Sub:Stance“-Partys im Berliner Berghain. Die Auswahl der Remixer für die Stücke von seinem Album klingt deshalb auch wie ein „Best Of“ der neuen Tieffrequenz-Achse London-Berlin: Neben Jamie Vex’d liefern auch Substance (alias DJ Pete), Surgeon, Martyn und Marcel Dettmann gelungene Neuinterpretationen ab. Ein weiterer Techno-Dubstep-Hybrpop kommt aus Frankreich von einem Newcomer namens F: Bei seinen Tracks „Phase One“ und „Icon“ (7even/Import) orientiert er sich eher Richtung Detroit als Berlin und verzichtet zugunsten von maximaler Rave-Tauglichkeit auf geschmäcklerisches Geplänkel. Sehr schöne Tracks abseits ausgetretener Dubstep-Pfade finden sich schließlich auch auf der Split-12-Inch „Glazed“/„Never Mine“ von Brackles und Shortstuff (Berkane Sol/NTT).

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