Credit 00 – Count 8 (Mechatronica)
Eine hervorragende EP mit fünf brillanten Tracks, zwischen Electro und basslastigem Breakbeat liefert Credit 00 hier ab. Jeder Track ein wenig anders, jedes Stück reine Freude von Anfang bis Ende. Sei es die genial-verschwurbelte Roy-Ayers-Coverversion „Rat Life In the Sunshine” oder das so subtil wie genial „It’s A Fine Day” sampelnde „Breath One Two”. Seien es die beiden High-Energy-Electro-Cuts „Count 8” und „The Mental Voice” oder der spacig-pychedelische Downbeat-Closer „Cosmic Ghetto” – all Killers, no Fillers. So viele Ideen, wie sie in diesen fünf Stücken verbraten werden, hat manch anderer nicht einmal auf einem ganzen Album. Tim Lorenz
Johanna Knutsson – Complex Network (Red Curls)
In den letzten acht Jahren hat sich die Schwedin Johanna Knutsson einen Ruf als spannende DJ aufgebaut, die gerne auf unkonventionelle Art und Weise den Dancefloor zum Kochen bringt. Trotz regelmäßiger Bookings in Berghain und Co. hat sie nun das Ende ihrer Karriere als Club-DJ bekanntgegeben. Als Produzentin und Live-Act wird sie natürlich weiter aktiv sein, und ihre neue EP Complex Network lässt erahnen, wo es als nächstes hingehen soll.
Mit organischen Percussion-Samples und Holzblasinstrumenten regiert auf der EP ein mystischer, erdiger Unterton, der sich harmonisch mit den frei entfaltenden Synthesizerklängen mischt. Ein wenig wie auf dem frühen Recondite-Album Hinterland, nur mit mehr Groove und Bewegung in den Rhythmen. Auch wenn der Fokus immer noch auf dem Dancefloor liegt, klingen die Tracks lebendiger als Standard-Tools und entwickeln sich stets frei von starren Loops und Patterns. Das gibt der EP mit Einflüssen aus Acid, Trip-Hop und einem deepen Techno- und House-Vibe den besonderen Schliff. Leopold Hutter
Thrived – Bionic Gradient (Voitax)
„Future Break Bass” steht als Selbstbeschreibung von Thrived auf Bandcamp, „Progressive-Bass” im Infoblatt zur EP. Gar nicht so verkehrt, die sechs Stücke auf Bionic Gradient atmen britische Breakbeat-Geschichte und Berliner Nachtleben in vollen Zügen. Zudem haben Tymotica und DJ Ion ziemlich viel Zeit damit verbracht, sich Produktionsskills anzueignen, die es erlauben, Zukunft und Progressivität für sich zu reklamieren.
Die Beats bewegen sich in Dubstep- und Grime-Gefilden, aber die EP stilistisch darauf festzunageln, wäre kurzsichtig. Gleich der zweite Track macht schon im Intro unüberhörbar eine kleine Zeitreise Richtung Dub-Reggae der digitalisierten Variante, aber auch hier wird nicht Neunziger-Huldigung betrieben, sondern der Eindeutigkeit die eigene Handschrift hinzuaddiert. Im finalen „Aerofoil” kulminiert dann alles zu einem auf knapp drei Minuten verdichteten Höhepunkt mit extrem coolen Drums, langer dynamischer Zurückhaltung und schließlich gezielt eingestreuten harten Hits. Mathias Schaffhäuser
Tracing Xircles – First Contact (Candy Mountain)
Tracing Xircles ist das gemeinsame Projekt von Luke Standing alias Blue Hour und Simon Pilkington alias AJ-X, die nach einigen wenigen EPs auf Standings eigenem Label nunmehr auf Candy Mountain debütieren – dem nicht mehr ganz so neuen Imprint von Virginia und Steffi. Schon der Opener „Voyage” macht klar, dass er in der Plattentasche der zweiten einen festen Platz verdient hat. Wie Steffis Produktionen haftet diesem Electro-Entwurf nichts Nostalgisches an, obwohl er sich von drexciyanischen und niederländischen Traditionen inspiriert zeigt. Rough, aber glänzend.
„First Contact” zeigt sich in der Klanggestaltung klassischer und stellt mit seinem messerscharfen Groove und der konzentriert tänzelnden Bassline ein düsteres Highlight dar. Breakiger fällt „Below Surface” aus, kontrastiert die harten Einschläge aber mit weichen Pads mit Neunziger-Geschmäckle – Pathos, das Härte ausgleichen soll, aber zum ersten Mal auf dieser EP ein Ungleichgewicht erzeugt. dBridge nimmt sich zum Abschluss des Titeltracks an: „First Contact” ist ominös und spannungsgeladen, nahezu klaustrophobisch in seiner Dichte – eine würdige, weirde Schlussnote. Kristoffer Cornils
Yogg – They Want It All EP (30D | ExoPlanets)
Auf den Geriatriestationen des Landes rattern die Rollatoren, weil: Techno bleibt Techno! Darauf stoßen alte Knochen schon mal zusammen! Hals- und Beinbruch, Hannelore! Aber nicht übertreiben! Nanu, nana, was mag denn da für Jubelstimmung beim Abendessen kurz nach vier aufbranden? Ist dafür gar der Israeli Yogg verantwortlich zu machen? Der hat doch gerade noch so tollen Techno aufgelegt, also die alte Schiene und wie sich das halt gehört, auf Non Series, gute Adresse für sowas! Ja, ja, der ist es. Erinnerungskultur aus Tel Aviv, aber nein: So einfach ist die Sache nicht.
Yogg nennt sich jetzt Sounddesigner, das bedeutet, er macht komplizierte Musik, und nicht mehr Bummbummbumm. Dafür wechselt er auf ein eigenes Label, das sich ein bisschen wie der Name einer teuren Spiegelreflexkamera liest. Hat aber angeblich was mit Planeten zu tun. Jedenfalls klingt die Platte dann genau so, dabei heißt sie They Want It All – was ist egal, von wem auch, und wer jetzt hier alles will, was es zu wollen gilt, das bleibt uns Yogg auch schuldig. Vielleicht ist es ja der Tremor, der einen, wenn schon nicht im Alter, dann beim Hören der vier Zitterpartien, ereilt. Aber so muss das eben. Als Sounddesigner. Christoph Benkeser