Community Theater – Having Everything (Sorry)
Achtziger-Party! Chrissy und die Lissaboner Produzentin, Sängerin und DJ Maria Amor bilden zusammen das Duo Community Theater. Und schreiben sich FUN auf die Stirnbänder. Navigiert wird in Richtung des Fixsterns Stock Aitken Waterman, jenes Songschreiber-Trios, das uns allen Rick Astley, Bananarama und Kylie Minogue schenkte.
„Let Me Party” ohrwurmt gut gelaunte Keys durch den Äther, während das Titelstück noch stärker Hi-NRG in Erinnerung bringt und somit auf Wiederholung setzt. „Another Of Me” ist eine hittige Teenage-Liebesende-Erfahrung, während „The Same Place” auf den wuchtigen E-Drums der Sheila E. (Prince, The Drum Club) schreitet. Dazu gibt es je einen Remix. Escaflowne bringt „Let Me Party” in den 2-Step-Keller, Bianca Oblivion verpasst „Another Of Me” einen robotigen Electro-Beat, Violet bringt „Having Everything” in eine unerbittliche Techno-Spirale, während Shucro im Remix von „The Same Place” die Trance durch Breakbeats herbeiführt. Stark! Christoph Braun
Etch – Predator Trax (TempOzone)
How low can you go? Etch, der Tiefseetaucher aus Brighton, versenkt auf seiner neuen EP Predator Trax wieder mal Bässe im unteren Frequenzende und schüttet den Bums mit Kicks zu, die einem den Mageninhalt ausräumen. Auf Überrascht kann man nicht tun. Zak Brashill, Limbotänzer der ersten Stunde, hat den Ausgrabungsprozess bisher auf Labels wie Seagrave, Ilian Tape oder Sneaker Social Club begleitet. Für das Rotterdamer Tempo Records greift er zum zweiten Mal zum Presslufthammer.
Die Breaks auf „Underpass Rouge” knattern wie in Bristol, der Jungle auf „Paranorm” beamt Dancefloors in die Nineties. „C-50” ist eine Darmspiegelung – gefistet, nicht gerührt! Das klingt gleichermaßen nach Zukunft und Vergangenheit. Ein Auge schielt um die Ecke, das andere spechtelt aus dem Rücken. Breaks, Dubstep, Wobble-Wobble. Der Shit wird nie älter als die Unterhose, die man seit fünf Tagen wechseln wollte. Dafür wabert das Ding auf einer eigenen Wellenlänge, die Menschen mit Migräne sonst nur zu Vollmond spüren. Keine Ahnung, wie Etch das anstellt. Schließlich geht’s immer lower. Bis wir irgendwann am lowesten sind! Christoph Benkeser
Gramrcy – Gliding Again (Hot Concept)
Kaum zu glauben, dass es sich bei Gliding Again um Graeme Batemans erstes Solo-Release seit sieben Jahren handelt, tauchte der Name Gramrcy doch in der Berliner Szene und darüber hinaus ständig auf, sei es dank der scheuklappenfreien DJ-Sets des Briten, verstreuten Compilation-Beiträgen und Remixen oder im Kontext des von ihm mit Shanti Celeste betriebenen Labels Peach Discs.
Sein Einstand auf John Loveless’ Imprint Hot Concept fällt konzentriert, aber nicht reduziert aus: Der Titeltrack ist ein auf einem Backbeat balancierender Techno-Banger, der mit dubbigen Soundschwaden, wirbelnden Arpeggien und sogar einem bombastischen Breakdown arbeitet, das heißt einen dezidiert trancigen Vibe versprüht, ohne darüber indes in die Kitschkiste zu greifen. Ein smarter Hit. Im direkten Vergleich gibt sich „Humboldt” schon launischer, arbeitet mit krachigen Störgeräuschen und atonalen Synthies. Den Kern aber bilden eine konzentrierte, als Rhythmusgeber eingesetzte Bassline und ein beharrlicher Groove, der in ein dramaturgisch cleveres Arrangement eingebettet wird, das beharrlich auf eine Eskalation hinarbeitet, die dann doch nicht eintritt. Ein doppelköpfiges, fulminantes Statement, sieben Jahre nach Batemans letztem eigenständigen Release. Kristoffer Cornils
Hidden Agenda – One Time (TempoSpeed)
Ein neuer Hidden-Agenda-Release, der letzte war laut Discogs 2003, ist natürlich erst mal ein Ereignis. Mit ihrer Mischung aus jazzigen Samples und Beats, die sowohl relaxed als auch zupackend waren, standen die Produktionen des Brüder-Duos Mark und Jason Goodings in einer ganz eigenen Ecke des Drum’n’Bass-Universums. Nun ist Mark Goodings 2016 leider gestorben und sein Bruder macht alleine weiter. Und das hier nun vorliegende Ergebnis sind drei Tracks, die an die Vergangenheit anknüpfen – und sich dennoch in einem wichtigen Punkt unterscheiden.
Formal ist alles da: Urbane Breakbeats, Jazz-Loops, Kontrabasslines, das hohe Produktionsniveau. Allein, das Relaxte fehlt. Alle drei Stücke werden von einer hyperkinetischen Energie durchzogen, selten ist zwischen den sich jagenden Techstep-Patterns mal Platz für eine kleine Verschnaufpause. Das macht die Tracks beileibe nicht schlecht – nur eben anders. Tim Lorenz
Lawrence Le Doux – Eemail (Self-released)
Seit 2013 hat Lawrence Le Doux auf verschiedenen Labels wie Nous’klaer Audio oder dem Brüsseler Imprint Vlek veröffentlicht. Sein neuester Streich kommt hingegen in Eigenregie und als solider Dreitracker. Die A1 „Sun Stone” ist eine wunderschön zurückgelehnte Dub-Techno-Nummer mit nie enden wollenden Synthschwaden und einem aufgebrochenen Rhythmus, der den tiefen Bässen ein mit Leichtigkeit federndes Gegengewicht zur Seite gestellt. Die B1 „Pi” setzt dagegen auf glitzernde, melodische Elemente, die eine verträumt-melancholische Stimmung erzeugen, bleibt dem tiefbassigen Grundtenor aber treu. Schließlich wird es mit „Pico” nochmal perkussiv; hier verbinden sich Gefühlt die Stärken der beiden vorigen Tracks zu einem komplexen Arrangement, dass immer noch einladend wirkt und tropische Sonnenaufgänge heraufbeschwört. Leopold Hutter