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Die Platten der Woche mit Gene Hunt, Piska Power und Surgeons Girl

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Gene Hunt – Volume One (Chiwax)

Gene Hunt - Volume One (Chiwax)

Auch wenn immer wieder eine neue Generation diesen Sound entdeckt, manchmal fragt man sich doch, wie viele Chicago-House-Wiederveröffentlichungen die Welt in den 20ern des dritten Jahrtausends noch brauchen wird. Bevor ihr jetzt direkt weiter scrollt: Das hier ist eben keine Wiederveröffentlichung, diese Platte kommt mit vier bisher unveröffentlichten Tracks des Chicago-House-Produzenten Gene Hunt, die die Welt unbedingt hören sollte. Wer nun einwendet, dass Chicago House von vor zirka 30 Jahren ganz sicher nicht so irre viele Facetten hat, dass man davon mehr als so und so viele im Regal oder der digitalen Library braucht – diese vier Gene-Hunt-Stücke sind in ihrer ultratrockenen Reduziertheit schlicht sensationell. Hunt hob sich mit seinen Produktionen im Vergleich zu anderen Platten aus jener Zeit sowieso durch seinen so radikalen wie ungeschliffenen Sound ab. Sein Debüt „Living In A Land”, im Jahr 1989 auf dem Trax-Ableger Housetime erschienen, war ein kleiner Underground-Hit. Dann kam länger nichts mehr von Eugene Dramell Hunt – bis Miss Djax für ihr Label Djax-Up Beats ein DAT mit Acid-Tracks aus Chicago mitbrachte. Wir wissen nicht, von wann die vier Stücke auf dieser EP sind, wir wissen nicht, für wen der US-Amerikaner sie damals produziert hat. Es lässt sich aber mutmaßen, dass diese Musik nicht allzu lange nach „Living In A Land” entstanden ist und schlicht zu radikal war, für welche Labels auch immer. Das Spektrum dieser EP reicht vom deeperen „In the Night” über die Bassline-Mover „Mr Shinn” und „Bass Drone” bis hin zu einer Electro-Nummer mit dem selbsterklärenden Titel „Electro Mas”. Unbeantwortet bleibt leider die Frage, wer damals gepennt hat. Irgendein Label oder am Ende Gene Hunt selbst? Vielleicht hat er diese Tracks ja einfach in einer Schublade vergessen. Holger Klein

NWAQ – Above EP (Last Age)

NWAQ - Above EP (Last Age)

Neues Akronym, neues Label, neue Platte: Jochem Peteri hat wieder Bock. Zum Glück. Nachdem er in den frühen 2000ern den mitunter sublimsten Deep House diesseits von Chicago entwarf („Themefrom” und „Heavy Metal” seien beispielhaft erwähnt), dann als 154 auf dem Album Strike Dub Techno in Vollendung präsentierte und anschließend das bis heute kriminell unterschätzte Debüt The Dead Bears seines Projekts Newworldaquarium in trockene Tücher brachte, war es etwas ruhiger um den Amsterdamer Produzenten geworden. Klar, letztes Jahr kam die – seien wir ehrlich – eher arg durchwachsene Collab mit Don’t DJ, doch davor? Kaum bis gar nichts. Jetzt also die Auferstehung als NWAQ – vier Buchstaben, die bislang für sein anderes, 2001 gegründetes Label reserviert waren. Egal. Als EP, aber auch als Debüt eines frischen Labels checkt Above so ziemlich jede Box auf der Liste für außergewöhnliche Produktionswerte, die von einem Typen wie Peteri zu erwarten sind. Passend zur verpixelten, patagonischen Felswand des Covers spannen die beiden Teile des Titeltracks ein Sound-Panorama auf, in dem diese schon damals auf The Dead Bears prominente Kick durch nebelige Weiten watet und die Ambient-Flächen an einer Tau-benetzten, körnigen Produktion kondensieren. „Above II” klingt dabei wie die Morgenvariante, „Above I“”wie ihre nächtliche Entsprechung. Mit „Dume” folgt auf der B-Seite erneut ein Glanzstück – der gleiche organisch pochende Sud aus gebrochenem Beat, zerriebenen Pads und angedeuteter Melodie, hart an der Grenze zum bloßen, dröhnenden Geräusch. Gleichzeitig immersiv und räumlich, will dieser Sound durchdrungen werden. Nils Schlechtriemen

Piska Power – Thermal Cycler (Voam)

Piska Power - Thermal Cycler (Voam)

Ein Medizinstudium bietet im Zweifel auch für die Clubmusik neue Ansätze. Der Berliner Produzent Stefan Junge alias Piska Power hat sich für seine jüngste EP schon bei den Tracknamen ungewöhnliche Themen ausgesucht. Der titelgebende Thermocycler findet in der DNA-Analyse Verwendung, das „Taxon” ist die Ordnungseinheit, nach der in der Taxonomie Lebewesen in bestimmte Gruppen einsortiert werden, und in „Vokoka” erfährt man ein wenig über die Wege des Serotonins im Körper. In der Musik selbst geht Junge ebenfalls eigene Wege. Sein „Thermal Cycler” lässt die trocken digitalen Klänge ständig mutieren, baut gelegentlich Störfrequenzen ein, beim Beat überlagern sich scheinbar unverträgliche Muster. „Taxon” kreiselt etwas vertrauter mit Staccato-Arpeggien, im letzten Viertel sorgt eine befremdlich codierte Stimme für Verwirrung. „Pica Pica” mischt perkussive Sounds unterschiedlichster Art mit eiernden Frequenzen. Am stärksten reduziert schließlich „Vokoka”, in dem ein pochender Beat und eine elektronisch verfremdete, teils verständliche Stimme in einer Art Singsang die einzigen Elemente sind. Alles in seiner Bauweise so konzentriert, dass es für abenteuerlustige DJs bestens geeignet ist. Tim Caspar Boehme

Radiation 30376 – Arka (Pinkman)

Radiation 30376 - Arka (Pinkman)

Ständig in Bewegung sind die fünf Tracks von Olivia und Chino alias Karolina und Artur Oleś auf der Debüt-EP ihres neuen Live-Duos Radiation 30376. Die beiden Producer, als DJs und Promoter von Partyreihen unter dem We-Are-Radar-Banner langjährige Aktivposten der Clubszene Krakaus, verstehen sich auf energische Gestaltwandler, die sie in einer brutalistischen Industrial-Handschrift bei gleichzeitig ausgeprägtem Gespür für griffige, eingängige Hooklines formulieren. „Lost” und der Titeltrack bedienen sich einer Electro-Soundästhetik, „Nietoperz” und „Shareef” zeigen, dass es auch 2021 noch möglich ist, spannenden Acid-Techno zu produzieren. Ebenfalls Säure, aber im EBM-Format und damit der zwingendste Track hier ist „Puchacz”. Vorzüglicher Einstand, der sich nahtlos in das Dutch-West-Coast-Electro-Profil von Pinkman einfügt. Harry Schmidt

Surgeons Girl – The Empress Moss (Inside Out)

Surgeons Girl - The Empress Moss (Inside Out)

Mit chirurgischer Präzision legt Surgeons Girl verschiedene analoge Synths neben- und aufeinander, bis sie sich zu einem atonal wabernden Klangbild verweben. Bei der Ambient-angehauchten, spielerisch verträumten Ästhetik der fünf Tracks liegt der Fokus im Detail. Der Künstlerin aus Bristol kommt ihre Ausbildung in klassischer Musik zugute, wenn sie sorgfältig holprige Basslines neben blubbernden analogen Synths zu aufwendigen Klangstrukturen drapiert und gleichzeitig mühelos eine Brücke zwischen experimentelleren IDM- und fast tanzbaren Techno-Anleihen schlägt. Nicht zuletzt kommt dieses Spiel mit analogen Synths beispielsweise in den Arpeggios von „Dark Moss Night Terror”, die sich langsam in den Vordergrund drängen, oder im stotternden Rhythmus von „Phased Concentrics” zum Vorschein. Surgeons Girl erzeugt damit eine hypnotisierende Traumwelt, die man in den eigenen Ohren nicht missen möchte. Louisa Neitz

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