Bei besonderen Anlässen handeln wir die Platten der Woche als Roundtable ab. Mit dieser Runde verabschieden wir uns von unserem Praktikanten Till Häselbarth, der für uns in den letzten drei Monaten zahllose starke Premieren, News, Reviews und Features produziert hat. Ein wichtiges Thema im Januar ist der Kampf gegen die australischen Buschfeuer. Es wurden einige Platten veröffentlicht, deren Einnahmen direkt in diesen Zweck fließen – so auch zwei der hier vertretenen Releases.

Deena Abdelwahed – Dhakar (InFiné)

Deena Abdelwahed – Lila Fi Tunes 

Max: Ok, ein Jazz-Cover zum Anfang. Hätte man nicht zwingend erwartet.

Raoul: Definitiv eine Künstlerin, mit der ich mich mehr auseinandersetzen sollte. Interessant, dass sich gerade jemand mit ihrem Background einen Jazz-Klassiker vornimmt.

Alexis: Deena coveret bzw. samplet hier den Bebop-Meilenstein „A Night In Tunisia” von Dizzy Gillespie.

Max: Sind das diese Polyrhythmen, von denen in Pressetexten immer die Rede ist?

Till: Genau!

Alexis: Dabei geht es natürlich darum, die exotische Tunesien-Phantasie der US-Amerikaner aufs Korn zu nehmen.

Raoul: Tunesische Percussions treffen auf UK Bass. Der Einsatz des Subwoofer zerstörenden Beats kommt super. Die Stimme schockt mich.

Max: Wow, das klingt klasse. Die Melodie schiebt sich langsam drüber. Jetzt Vocals, die mich etwas abschrecken.

Till: Ich fand den Einsatz des Gesangs im Break super.

Alexis: Gillespie hat bei der Komposition allerdings kubanische Musik verarbeitet. 

Max: Wieso genau das Bild der US-Amerikaner?

Raoul: Ausgefuchste Drum-Workouts zwischen Folklore und Post-Moderne.

Max: Man muss natürlich aufpassen, da jetzt keine vermeintlich exotischen Tracks durcheinanderzuwürfeln bzw. verschiedene Genres. Der Vergleich zu Nkisi drängt sich mir aber zum Beispiel schon auf.

Alexis: Als US-Amerikaner richtete sich Gillespie an die Hörerinnen dieses Landes. Die Arabien-Projektionen, die damals zirkulierten, sind kulturwissenschaftlich erforscht.

Raoul: Daher auch der Gesang? Provokation?

Max: Wenngleich hier viel verworrener musiziert wird. Aber bei Gillespie geht es ja nur um das erste Stück.

Alexis: Aber der Jazz-Standard taucht nur für einen Moment auf. Für den Tracks als Ganzes sind die rohen, sehr gelungenen Rhythmen wichtiger. Sie stellen eher eine Ununterscheidbarkeitszone zwischen Okzident und Orient her, als die Diskurse auseinander zu nehmen.

Deena Abdelwahed – Ah Na Hakkeka

Max: Das sind schon mächtige Basswände.

Till: Schön, wie sich der Track langsam aufbaut. Wie sich die Trommeln auftürmen. 

Alexis: Auch hier hat Deena eine tolle Bassline am Start, die da unberechenbar rumort.

Max: Noch könnte das für mich aber auch in einer musealen Umgebung funktionieren.

Raoul: Obwohl die Tracks total dicht und vollgepackt sind, entsteht kein Klangchaos. Hier ist eine virtuose Produzentin am Werk.

Alexis: Toll, wie sich der Groove langsam in die Wall of Sound der Bassline schiebt.

Till: Das wollte ich auch schreiben, Raoul, die Tracks sind so vielschichtig und fragmentiert aber dennoch absolut direkt und clubtauglich.

Max: Habe ihr Set am Nachtdigital leider versäumt. Hätte mich interessiert, wie sie sich auf einer Festivalbühne mit einer feierwütigen Crowd schlägt.

Raoul: Der Rückgriff auf traditionelle Percussion in jedem Track wirkt ein bisschen rückwärtsgewandt. Würde sie gerne mal ohne diesen Signature-Sound hören, komplett futuristisch.

Till: Die EP bezieht sich aber auch auf ihr Heimatland, deshalb sind die Instrumente sicher ein Bestandteil.

Alexis: Der schließt sich nicht zu einem Stück, er wirkt wie eine rohe Collage, ein Cut-up zwischen einer Bass Music-Bassline und arabischen Percussions und Claps. 

Max: Den erachte ich jetzt nur bedingt als clubtauglich. Also kann mir nicht vorstellen, dass das viele Leute auf dem Floor hören wollen.

Raoul: Ja, was für ein Takt ist das? 

Alexis: Es stolpert in jedem Fall, ist dennoch wütend.

Till: Also ich mag die Verwirrung.

Max: Ein eher unbestimmter, zähflüssiger Brei, der aber dennoch imponiert.

Raoul: Ein schwarzes Bassline-Loch mitten in Tunesien.

Max: Zur Taktart: Puh.

Deena Abdelwahed – Insaniyti

Alexis: Jetzt eine ganz andere Richtung, mehrstimmiger Frauengesang lässt an Holly Herndon denken.

Raoul: Arabischer Gesang ist nichts für mich persönlich, das ging mir bei der Carl Gari auf Whities genauso.

Max: Haha, ich weiß, andere Baustelle. Aber das mutet an wie Damien Lazarus und seine Ancient Moons. Gesanglich.

Till: Ich mag diesen Einfluss. Vor allem, wenn es so authentisch ist.

Raoul: Der schleppende und doch aufgeheizte Beat wühlt auf, ich glaube, sie hat hier gut Ärger im Studio abgebaut.

Max: Die Rhythmen finde ich aber spannend. Na ja, Authentizität hat für mich immer auch mit präziser Unterscheidbarkeit zu tun. Wüsste ich nicht, wer das produziert hat, täte ich mich in dem Fall schwer. Nichtsdestotrotz gefällt’s.

Till: Das Stück wirkt schon hypnotisch – wie eine Techno-Ballade unter der Mondsichel.

Max: Der Titel ist in dem Fall ein deutlicher Fingerzeig, wohin die Reise gehen soll. Hier wird eine Art Trip vertont. Das Problem mit arabischen Vocals, das du hast, Raoul, kann aber auch daran liegen, dass die von viel zu vielen Leuten hemmungslos instrumentalisiert und totgenudelt wurden.

Raoul: Oder dass ich einfach verstehen will, was gesagt wird. Höre auch keinen französischen Hip Hop oder so.

Max: 😀 Auch ein Punkt.

Alexis: Ein Call & Response zwischen einer Männerstimme und einer Gruppe von Frauen. Der Groove ist schwergängig und träge, aber ja, es braut sich etwas zusammen, die Rebellion liegt in der Luft, bedeutungsschwere Pads liegen über dem Drumming. Der Gesang ist auch hier nicht so wichtig, er ist eher die Salatgarnitur.

 Deena Abdelwahed – Zardet Sidi Bagra

Max: Rawwwr, Action! Unglaublich dichte Klangteppiche sind das immer.

Raoul: Yes, nach dem A1-Banger und der eher zurückgenommen A2 und B1 jetzt noch mal Pressure zum Schluss.

Alexis: Jetzt ein wüstes Percussion-Gewitter. 

Max: Melodisch für mich bisher der klare Gewinner.

Till: Das meinte ich auch mit authentisch vorhin Max – dass es eben nicht die altbekannten Sample-Wiederverwertungen sind.

Max: Der gerade war mir noch eine Spur zu schmalzig. Welche Wiederverwertungen meinst du?

Till: Die Gesangssamples vorhin – hänge etwas hinterher, haha. Aber jetzt zu dem.

Max: Gibt’s ein Sample-Kit für Leute, die authentisch-arabische Musik produzieren wollen?

Till: Arabian Nights Vol. 2 Sample Pack oder so. Aber nicht unbedingt authentisch.

Raoul: Wahrscheinlich so einige Sample Packs, Max: „Produce authentisch Arabian Tech House in less than 2h.”

Alexis: Wie die einprägsame Melodie auf das Drumming gesetzt ist, erinnert an manche Footwork-Tunes. Oder auch an Chicago-Stücke von Felix Da Housecat. 

Max: Felix Da Housecat? Die Assoziation wäre mir jetzt im Leben nicht gekommen. 

Raoul: Genauso krass, wie so dichte Klangteppiche zu erzeugen, ohne am Ende die totale Kakophonie zu haben, ist es auch, wie sie es trotz aller Polyrhythmen schafft, so einen starken, klaren Groove aufzubauen.

Max: Ja, der beeindruckt mich echt richtig.

Alexis: Die arabische Musik wirkt auf unsere Ohren vielleicht beliebig, ihr zu unterstellen, dass sie das ist, wäre falsch.

Raoul: Guter Punkt, Alexis, mir fehlt da auf jeden Fall die Expertise.

Till: Ja der Groove besteht durch den Track hinweg und einige glitchige und sliced Sounds umspielen das Ganze. Auch cool, wie am Ende nochmal der Beat wechselt.

 Diverse – MMXX Leap (Céad) 

NWO – Elliptical Axiz 

Max: Klingt wie das Anschalten der Play Station 2.

Alexis: Eine Benefiz-Mini-Compilation für Australien auf dem Label von Or:la.

Till: Genau, ist das dritte Release auf dem Label Ceád.

Max: Ah, es geht um Australien. Kühle Breaks gegen die Feuersbrunst. Im Ernst: Das klingt spitze. Richtig sphärisch.

Alexis: Eine ungewöhnlich kompakte Breakbeat-Nummer, 1999 hätte man dazu Techstep gesagt.

Raoul: Nette, aber nicht berauschende Breakbeats vom Newcomer NWO.

Max: Die Melodie ist doch das Spannende.

Raoul: Gefühlt schon hundert Mal so gehört.

Till: Ja, ein klassischer Breakbeat, aber er wirkt locker luftig durch die Synth-Tupfer über dem Beat.

Max: Schon unüblich, sowas Feines hört man nicht oft. Haha, dann zapfen wir verschiedene Quellen an.

Raoul: Hehe, Max, voll.

Max: Aber allzu viel gibt’s da jetzt tatsächlich nicht zu sagen.

Alexis: Ja, sehr gelungen. Hat eine extreme innere Spannung, ist dennoch nicht verbissen. Und NWO gelingt das Kunststück, die Pads nicht bloss nebenher laufen zu lassen. Sie kommunizieren mit dem Groove. Jazzy, auf sehr hintergründige Weise. 

Karima F – Emma

Max: Wieder Breaks, wieso nicht.

Till: Sie wurde ja auch ziemlich gefeiert von der Szene.

Raoul: Achtung, Karima F-Fanboy over here: Die Schloss-EP spät entdeckt, aber seitdem in Heavy Rotation. Ihre Breakbeats sehr viel origineller als die A1. Fett, jetzt noch eine Spur Sub-Bass über Pads und Drums! Auch nicht gerade das Rad neu erfunden, aber macht Laune.

Alexis: Dieser oldschoolige say Jungle anno 1994-Groove spricht mich nicht so an, der weiche, floatende Bass ist aber sehr schön.

Max: Klasse Vocal, in eine hibbelige Schleife gedreht. Das Rad erfindet ohnehin niemand mehr neu.

Raoul: Warte mal ab, Max. 😉

Max: Da passiert sehr viel, in mehreren Spektren. Jetzt noch ein männliches Vocal, der Track wirkt sehr aufgekratzt und doch harmonisch.

Till: Ja, der Track flowt tatsächlich schön dahin. Ich habe bei Karima auch das Gefühl, dass sie einfach ihr Ding macht, der Track hält sich nicht an irgendwelche Vorgaben. 

Raoul: Sheesh – fettes Teil!

Alexis: Wie sie das Vocal-Sample choppt, passt überraschenderweise auch zu den Polizeisirenen. Gangsta-ism von der Distanz des Dachs des Council-Estates aus beobachtet, während der Spliff aufglüht. Ist eine Ruhe drin, erinnert mich an D. Tiffany.

Till: Der Beat ist sehr dynamisch, aber drängt sich hier nicht so auf wie bei einigen Bass-Nummern.

Keplrr & Max Winter – SG34

Till: Direkter Raketenstart.

Alexis: Zur B-Seite drücken Keplrr & Max Winter auf die Rave-Tube, die sich schnell als skurriler Synth-Gag erweist.

Max: „Skurriler Synth-Gag” ist gut.

Till: Die oben liegenden Synths sind schon sehr scharfkantig.

Raoul: Die Nummer konzentriert sich anscheinend voll und ganz auf die Drums. Nach dem Raketenstart geht die Luft ein bisschen aus.

Max: „XLB”? Ist das ein Pearson Sound-Sample?

Raoul: Okay, zu früh gehated: Die blubbernden Synths erinnern voll an… genau, Max.

Max: Dann bin ich nun vollends überzeugt. Das ist auch im Aufbau „XLB” inzwischen alles andere als unähnlich.

Raoul: Ja, sie hätten ihn vielleicht lieber “Pearson Sound – XLB (Keplrr & Max Winter Rework” genannt.

Alexis: Ja, gimmicky. 

Raoul: Der Break mit den blubbernden Synths bereichert den Track, wirkt aber auch ziemlich beliebig.

Liam Doc – iHear (Any Jungle)

Max: Ui, es hallt. Das ist echt eine schöne Maxi bislang (War noch zu dem Track davor). Symptomatisch, dass für die Flora und Fauna jetzt noch gejunglet wird.

Till: Ja, willkommen zurück im Breakbeat-Jungle-Theme. Aber auch etwas anders als die anderen beiden Tracks.

Alexis: Zum Schluß UK-Funky-Charme mit einem ungewöhnlich vertrackten Groove.

Raoul: Und das Tempo wird weiter angezogen. Or:la hat ein gutes Händchen für Breakbeat-Newcomer*innen.

Max: Insgesamt: Super Vocals auf der kompletten Platte. Das wirkt echt überlegt.

Till: Die anderen Releases von Céad sind auch spitze.

Raoul: Schließe mich Max an, eine runde und verdammt spaßige Sache, die sicherlich auch auf manchem Dancefloor für Entzückung sorgen wird.

Alexis: Dieser luftige Track lässt viel Raum zwischen den versetzten Bassdrum-Impulsen, dem Snare- und Hihat-Geratter und dem immer nur angerissenen Vocal. Ja, eine starke EP, die ihre Hausaufgaben gemacht hat.

Max: Daumen hoch!

Yushh – PB:PB (All Centre)

Yushh – PB:PB

Alexis: Jetzt der Breakbeat der trippigen Sorte.

Raoul: Yes, Leftfield/IDM-Vibes incoming.

Alexis: Klingt digitaler, weicher und komplexer in der Gesamtstruktur.

Till: Yushh ist eine DJ und Produzentin aus Bristol. Sie hat unter anderem ein eigenes Label, eine Partyreihe und regelmäßige Radio-Shows.

Max: Ah, deshalb die Simo Cell-Assoziation. Obwohl der ja tatsächlich aus Nantes ist. Aber diese sanften Pads fangen gekonnt auf, was sich drüber so tut.

Alexis: Autechre waren hier wichtig, aber sie schiebt so einen flächigen Layer drüber. 

Till: Träumerisch und verwoben, das Ganze.

Raoul: Nach Deenas Percussiongewittern fast etwas mau. Aber das ist Kritik auf zu hohem Niveau.

Alexis: Nicht falsch, sehr durchdacht. Aber dennoch etwas steril. Und verkopft.

Raoul: Ja, verkopft trifft es, der Groove holt mich nicht ab, obwohl der Beat alle Zutaten hat, die ich mag.

Max: Mir fällt da noch Livity Sound als Referenz ein, das Zeug klingt schon ähnlich.

Till: Das ist definitiv ihr Dunstkreis, Max.

Max: Ach, ich sollte ein Label gründen.

Alexis: Das stimmt, aber nicht so aufwändig arrangiert. Der Loop gerät aus dem Blickfeld.

Raoul: Plus ein bisschen zu schnell und zu wenig Tribal für Livity, aber erinnert daran.

Max: Wo kommt der straighte Beat jetzt auf einmal her? Das mit der Snare verwundert.

Yushh – Bcc

Max: Haha, ist das ein Maskenball? Der erinnert mich an E-Unitys „Perihelion”. Premiere : E-Unity – Perihelion [Oscilla Sound]https://www.youtube.com/watch?v=nwMYidqUsa4

Alexis: Jetzt verfolgt sie noch direkter den trippigen, vielschichtigen und komplexen Sound, auf den sie steht.

Max: Wenige Klicks, aber oft gespielt.

Raoul: Ja, für mich die stärkere Nummer. Nicht so obvious wie die A1.

Alexis: Schon interessant, sehr installativ. Statisch.

Raoul: Die Bässe drängen sich auf der A1 wie hier sehr in den Vordergrund, ungewöhnlich laut.

Till: Die zwei Stücke sind eher wie eine Soundcollage.

Alexis: Deeper Bassfluss, dazu Geklöppel. 

Max: Ich mag’s schon. Alexis wird jetzt wieder aus dem Nichts behaupten, dass das Reggae ist.

Alexis: Nein, eher Klangkunst.

Raoul: Drum-Klangkunst?

Alexis: Eher Nils Frahm.

Raoul: Nils Frahm auf Acid an der Drummachine?

Max: Ne, mit diesem Nebenprojekt. [Nonkeen]

Alexis: Vom Spirit her. Sehr clean, sehr bedeutungsschwanger, sehr ambitioniert. Nimmt sich selbst ernst.

DJ Plead – Massari For Relief (Sumac)

DJ Plead – Massari and Me

Till: Yes, DJ Plead in da house.

Max: Yeah, freu mich schon aufs CTM-Opening.

Till: Für Raoul und Max wieder arabische Einflüsse.

Raoul: Uhh, yes. Ist aber eine geile Break-Mischung heute.

Max: Da gehen die Einnahmen auch nach Australien, oder?

Till: Genau, die Einnahmen werden gespendet. Voilá: www.gofundme.com/f/fire-relief-fund-for-first-nations-communities 
www.rfs.nsw.gov.au/volunteer/support-your-local-brigade 
www.cfa.vic.gov.au/about/supporting-cfa#donate-cash

Alexis: DJ Plead ist einer der Lieblinge der alternativen Festivalszene.  

Max: Bei der Kuration auf globale Krisen eingegangen, so lobe ich mir das!

Till: Er verfolgt einen charakteristischen Stil, und den setzt er absolut gekonnt um.

Alexis: Zu Recht: Er verbindet auf unerwartete Weise ethnische Musik, z.B. aus dem Libanon, mit aktuellen Bass Music-Tendenzen.

Till: Ob er die Synths von Hand einspielt? Klingt so. Sind echt gut gespielt.

Max: Das klingt schon klasse, die organische Drum versetzt einen auch zeitweise in die Skull Disco.

Raoul: Wobei mir die Melodie schon ein bisschen zu Weltmusik-Eso ist hier. Trotzdem eine runde Mischung. Und ein guter Beleg fürs oft gehörte „Weniger ist mehr”.

Max: Stimmt, bei regulären Eso-Tracks findest du solche brachialen Kicks und rhythmischen Finessen aber eher selten.

Alexis: Diese Nummer ist sehr elementar. Einen ganz simplen Breakbeat mit einer Frühachtziger NY-Electro-Note verbindet Plead mit einem Percussion-Loop und einer sehr schönen, dahingehauchten Melodie, die gefallen an ihrer Melancholie findet.

DJ Plead – Mercy

Alexis: Diese Nummer ist robuster…

Max: Höre ich da einen R’n’B-Einschlag?

Alexis: … aber zugleich auch etwas ruhiger und sphärischer. Ja, schon. 

Max: Das Vocal ist charakteristisch gefiltert und würde sich auch bei Usher wohlfühlen.

Raoul: Das Vocal steht auf jeden Fall im Mittelpunkt. Beat und Melodie generischer als die A1. Steile These: Das könnte fast im Radio laufen.

Alexis: Ja, nicht sooooo stark. Die Flöte ist dann auch etwas random. Das Drumming ist aber schon kraftvoll.

Max: Die Kicks sind durchweg super. Ja, auf einem Piratensender.

Alexis: Am Drumming ist nichts zu mosern.

Till: Vor dem Hintergrund von Deenas Stücken merkt man, dass es hier klarere Pads und Samples sind, die nicht so viel getwistet werden.

DJ Plead – X5

Max: BMW?

Alexis: Auch hier arbeitet er mit ähnlichen Pads.

Raoul: Massari bedeutet übrigens u.a. Geld.

Max: Konterkariert die klimafreundliche Ausrichtung der EP!

Raoul: Diesen Meta-Bezug werden nicht viele erkennen, hehe.

Max: Ah, gut zu wissen. Auch nicht weit weg von Shisha-Bars, hm?

Alexis: Eine Stimme, dumpf gefiltert wie bei Burial. 

Till: Ein Vocalschleier kreist im Leslie-Effekt vor bouncenden Drums und funkelnder Percussion.

Raoul: Höre hier auch wieder einen klaren R’n’B-Einschlag.

Alexis: Ein hübsches Vocalstück, das auf die Basswalze der anderen Stücke verzichtet.

Max: Aber ich mag’s.

Alexis: Klein und fein. Ich auch.

Max: Hahaha, was ein Prädikat. Stimmt, das ist fast schon nackt im Gegenzug zu den gepanzerten anderen Tracks. Capital Bra?

Alexis: Capi  ❤ 

Raoul: Capital Bra goes Weltmusik-Eso.

Mor Elian – Clairvoyant Frog (Visible Spectrum)

Mor Elian – Clairvoyant Frog

Till: Jetzt gehts rund.

Raoul: Okay, genug gebreakt, ab in den Technokeller?

Alexis: Techno gibt’s ja auch noch. In der dritten Kalenderwoche 2020 kommt er in Form dieser elektroiden Tracks von Mor Elian aus Tel Aviv/LA/Berlin.

Raoul: Hypnotisch, edgy, dark. Bin gespannt, wohin sich das entwickelt.

Alexis: Interessant finde ich, dass das Stück sehr undergroundig klingt mit diesen vertrackten Synths, die mich an Drexciya erinnern. Die Produktion ist dann aber digital und glatt. Das finde ich irgendwie strange.

Max: Synths passen theoretisch auch in den Big Room, sind aber trotzdem gelungen. Hypnotisch trifft’s.

Alexis: Dirty und clean zugleich.

Max: Drexciya ist als Bezugsgröße interessant. 

Alexis: Ja, der Synth ist dann schon sehr auf Big Room-Brett gemünzt. Aber kann man so einen Groove in einem Big Room spielen?

Max: Ne, lobenswerterweise eher nicht.

Alexis: Doch eigentlich nicht, wenn sich nicht gerade 85% eine Überdosis Keta reingefahren haben.

Max: Die Prozentzahl ist bemerkenswert.  

Raoul: Oder einfach aufgeschlossen gegenüber solcher Musik sind – keine Macht den Drogen, mkay?

Max: https://images.app.goo.gl/nkLiE9o3gjVfWGnD8 – stimmt.

Till: Ich finde Mor Elians Stil spannend. Ihre Tracks sind etwas direkter und härter als die anderen hier, genau auf dem richtigen Level, um die Clubs abzureißen. Meiner Meinung nach.

Raoul: Das Synth-Geschwurbel ist super enttäuschend, der Anfang ließ viel mehr Substanz vermuten.

Max: Super enttäuschend? Etwas hart, würde ich sagen. 

Alexis: Anstachelnd, zugleich sediert.

Max: Würde dazu tanzen, auch ohne Drogen!

Alexis: Verstehe das irgendwie gar nicht, obwohl es interessant klingt.

Till: Raoul wird langweilig, sobald kein wirbelnder Breakbeat ertönt.

Raoul: Da ist was dran, Till. Hehe.

Mor Elian – Shoshana’s Roses

Max: Das Drumming rekurriert auf nahöstliche Traditionen, Tel Aviv macht da Sinn.

Alexis: Eine interessante, fliehende Breakbeat-Nummer, der der Bass fehlt.

Raoul: Mh, hat Mor Elian mittlerweile auch mitgekriegt, dass Eso-Breakbeats in sind?

Max: Etwas flach produziert klingt das, nach den ganzen Monstern, die heute schon liefen.

Alexis: Jetzt schleicht sich die Hook an.

Max: Und die ist klasse! Und schon wieder weg.

Raoul: Austauschbar, generisch, öde.

Alexis: Als überraschend dreckige Synthie-Spur mit 80s-Feel. The Hacker, ich hör’ dich tapsen.

Max: Wir werden heute keine Freunde mehr. Das ist Trance – damit meine ich nicht das Genre!

Mor Elian – Planet Kismet

Max: Kismet bezeichnet die Vorstellung über das Schicksal im muslimischen Kulturraum. Soso.

Alexis: „Kismet bedeutet, dass wir nur auf den Wellen des Lebens getrieben werden.”

Max: Wo hast du das her? Aus dem Pressetext?

Alexis: Von Wiktionary.

Max: Mh. Hier ist der Bass eindrucksvoller.

Till: Die Hi-Hats rasseln nur so dahin.

Max: Die auch! Wie gemacht für eine schöne Anlage.

Alexis: Ja, endlich ein Bass.

Raoul: Die stärkste Nummer bislang. Hier geht die Fusion aus Technokicks, breakiger Percussion und sphärischen Synths am ehesten auf.

Alexis: Eine kompaktere, Groove-bezogenere Nummer, die nicht so atmosphärisch ausgerichtet ist.

Till: Ja, eindrucksvolle Schlaginstrumente – fühlt sich an, als ob wir direkt im Club sitzen.

Alexis: Stimmt. Der erste Track, wo ich verstehe, wie er funktionieren soll.

Max: Die Synths sind hier auch nur sporadisch and der Oberfläche. Ich glaube, ich habe meinen Gewinner gefunden.

Raoul: Wow, ist ja selten, dass wir uns mal alle einig sind. 🙂

Max: Sehr! Was die Melodie anbetrifft, ist das irgendwie auch rumänischer Minimal.

Alexis: Ne.

Max: Raresh etc. Doch. 🙂

Raoul: Vielleicht.

Max: Ui, jetzt nochmal was ganz Anderes.

Raoul: Uh, das schnelle Synth-Gezwitschere zum Schluss ist witzig.

Max: Total. Kommt aber reichlich spät.

Alexis: Dafür, wie düster die Sounds klingen, ist es dann auch wieder überraschend leichtgängig, mit so einer Hoppel-House-Note.

Till: C’est fini.

Vorheriger ArtikelLove International 2020: Vollständiges Line-Up angekündigt
Nächster Artikel„Klubnetz Dresden e.V.”: Interessensvertretung für Clubszene gegründet