5Diverse – Traces (Intimate Silence)
Ambient im Kurzformat, Ambient als gemeinschaftliches Projekt: Das Label Intimate Silence verfolgt ein eher Genre-unübliches Konzept. Die erste Mini-Compilation des von Silent-One betriebenen Imprints versammelt neben dem Labelbetreiber und den bereits mit Solo-Releases vertretenen PVNV und Głós auch Stücke von Thomas Hessler, KAS:ST und Pär Grindvik. Hessler macht mit mäandernden Sequenzen den Anfang, die von warmen Harmonien abgefedert werden, das Duo KAS:ST bezieht sich explizit auf die Berliner Schule zurück und Silent-One selbst schichtet düster dräuende Drones aufeinander. Spannend wird es vor allem auf der B-Seite: Pär Grindvik baut seine Ambient-Vision auf einen pluckernden Groove auf, bevor PVNV den Faden der ersten beiden Stücke aufnimmt und Głós satte Flächen mit verflüsterten Spoken-Word-Samples und choralen Anleihen zu einem dichten Pathos-Teppich verschmilzt. Ein abwechslungsreiches Paket, dessen Wurzeln in der Techno-Kultur noch deutlich zu vernehmen sind. Kristoffer Cornils
4Mark Broom – Break 97 EP (Rekids)
Vermutlich wird es durchaus DJs geben, die achtlos an dieser Platte vorbeigehen. Muss man das verstehen? Nein, ganz sicher muss man für solche Leute kein Verständnis aufbringen, haut der UK-Techno-Altmeister Mark Broom mit dieser 4-Track-EP doch einen wahren Quell der Freude raus. Jeder der Tracks ist um Disco- und Soul-Samples herum gebaut, dazu gibt es monströse Techno-Bassdrums, die aber jeweils einen House-Groove pumpen, sieht man einmal von „ESB“ mit seinem verkniffen drein schauenden Techno-Beat ab. Der Hit der Platte findet sich mit „Break 97“ auf der Position A1. Der Track klingt wie eine DJ Sneak-Nummer aus der Henry Street-Zeit um 1997 herum, und zwar mit enorm sportiver Figur. Das Leben kann so einfach und doch schön sein. „Break 97“ ist denn auch das opulenteste Stück dieser EP, die drei anderen Nummern gehen die Sache deutlich trackiger an. Großes Hitpotenzial hat auch „G Theme“ auf B2, doch Ausfälle gibt es hier eh nicht zu vermelden. Holger Klein
3Nightwave – Psychic Tonic (Dext Limited)
So muss es sein, in “Psychic Tonic” geht es vom Start weg los. Erst der gute alte Drum & Bass-Think-Break, nach 16 Takten poltert eine gerade Bassdrum los. Die Glasgower Produzentin Maya Medvešek alias Nightwave, aktiv in der Initiative Producergirls, die Frauen in der elektronischen Musik fördert, zelebriert hier die frühen Hardcore-Tage im Mashup mit diversen anderen Elementen aus zweieinhalb Rave-Jahrzehnten. Schön ist auch diese japsende Bassline ab der Mitte des Tracks, die sich in sich selbst verknotet. Die gebürtige Slowenin macht ihre Sache wirklich ausgezeichnet. „Psychic Tonic“ ist einer der Tracks in diesem noch jungen Jahr, der wirklich Spaß macht, und das nicht nur zwei- oder dreimal. Ruppiger geht es im Remix von Jerome Hill zu. Der Macher des Labels Super Rhythm Trax fügt dem ganzen eine semi-gabberige Bassdrum und manische Handclaps hinzu. Den Think-Break frisiert er ein wenig strubbeliger. Es passiert jede Menge, vielleicht sogar zu viel. Aber eines ist sicher: Gefangene werden nicht gemacht. Holger Klein
2Textasy & Nasty King Kurl – Bombers (777)
Wie viele ihrer Zeitgenossen spielen Textasy & Nasty King Kurl auf die Elemente des sogenannten „Meme-House“ an. Hier werden sie absurd öffentlich gemacht. In „No Thanks“ fragt eine tiefe Männerstimme tatsächlich: „So, you wanna put some Lo-Fi in my house?“. Ungemein komisch und ähnlich witzig auch andere Anspielungen, die sich Nasty King Kurl erlaubt (Big-Room-Reverb etc.). Dadurch nehmen sich die Tracks schon mal selbst den Anspruch, besonders zu sein. Und ist der Ruf erst ruiniert, werden die eingangs erwähnten Klischees dargeboten, und das auf überraschend überzeugende Weise. Dem Duo gelingen überraschend zeitgemäße Interpretationen alter Ghetto-House-Blueprints, wobei „Sucka DJs“ feat. Kiki mit zart gehauchten Vocal das schönste Stück ist. Was allerdings alle Tracks am besten vermögen: einem ein breites Grinsen ins Gesicht zu zaubern. Und wenn das nicht mal nichts wert ist? Leopold Hutter
1The Organism & Moscoman – Rite EP (Disco Halal)
Mit „Reflection“ war der ukrainische Producer The Organism, auch bekannt als DJ Alfred, für einen der Stealth-Hits der vergangenen Saison verantwortlich, gespielt unter anderem von DJs wie Dixon, John Digweed oder Andhim. Für seine zweite Veröffentlichung auf Disco Halal hat er sich gleich mit Label-CEO Chen Moscovici alias Moscoman zusammengetan. Ihr „Rite“ ist ein Track mit hip-housigen Vocals (allerdings eher im Sinn der Jungle Brothers als Tyree Coopers) von hypnotischem Charakter und einer levantinischen Note, dessen Funk der ebenfalls enthaltene „Disco Halal Remix“ noch weiter verstärkt. Eine gelegentlich von Einsatzfahrzeugsirenen umrankte Nasenflöte als Hookline evoziert mit leicht surrealem, psychedelischem Touch das Flair einer arabischen Metropole. Durch die Verschränkung von Breakbeat-Feeling mit einem Iinearen Groove in Sets auch als Weiche in beide Richtungen einsetzbar. Die Weltpremiere hat Pete Tong übernommen. Weit mehr als Beiwerk auch der Build-up-Tune „Chumbai“ mit Saz-Klängen und der tribal-ravige Neo-Trance von „Rubab“. Groove und Sounds schweben nicht distanziert über der Crowd, sondern adressieren unmittelbar die Körper der Tanzenden. Vielversprechendes, fast schon zwingendes Debüt einer vielversprechenden Kollaboration. Harry Schmidt