Dynamo Dreesen, SVN und Robotron stehen für stiloffene, experimentelle House-Musik, die sich Standards und Stereotypen verweigert. Besonders Dynamo Dreesen und SVN haben dabei auch als Produzenten umfangreiche Discografien vorzuweisen, die zum Teil auf ihren eigenen Labels Acido (Dynamo Dreesen) und SUED und Mechine (SVN) erschienen sind.
Anlass für unseren zweistündigen b2b2b-Mix der drei Berliner ist ihre Residency im Coppi im Berliner Bezirk Lichtenberg – ein Community-Space, der sich rund um die Underground Kultur dreht – egal ob in der Form von Klubabenden, Flohmärkten oder Broadcasting über das THF Radio.
Im Gespräch berichtet Dynamo Dreesen, wie sein Mix mit SVN und Robotron für den GROOVE der Resident Podcast entstanden ist, warum alle drei beim Auflegen lieber auf Spontanität als Perfektion setzen, was Vinyl für sie bedeutet – und wie sie zum Coppi gekommen sind.
Erzähl bitte, wie der Mix entstanden ist. Was für eine Situation war das? In was für einer Stimmung wart ihr?
Dynamo Dreesen: Wir haben einfach losgelegt – wir wussten, jeder spielt eine Platte, dann ist der andere dran, wir wechseln uns ab, ein normales back2back! Und wir haben dann festgestellt, dass in der ersten Stunde nicht so viel ging. Wir fanden die Mixe nicht interessant und ich hab’s den Übergang zweimal verkackt. Danach haben wir den Mix durchgehört. Aber nach zwei Stunden oder so hat das Recording angefangen Spaß zu machen!
Der fertige Mix ist ziemlich genau zwei Stunden lang. Dann habt ihr also drei, Stunden aufgelegt?
Wir haben viereinhalb Stunden aufgenommen, in der Mitte dachten wir: da ist es, das ist cool. Ich kannte kaum einen Track, den SVN und Robotron gespielt haben und ich glaube, den meisten Zuhörer:innen ging es genauso! Hier und da ist der Mix auch mal so ein bisschen verkackt, aber noch auf angenehme Weise. Da ist schon irgendwie rohe Gewalt drin. Zumindest ich finde ihn ziemlich ungehobelt und grob und war deswegen zufrieden. Es ist nicht die technisch filigranste Meisterleistung, aber sonst kommt auch kein Party-Gefühl auf. Also es muss immer ein bisschen verkackt sein. Du musst die Wurstfinger-Korrektur hören. Das ist Party!
Perfektion kann natürlich auch beeindruckend sein und man denkt sich: Oh Mensch, ich hab den Übergang überhaupt nicht mit mitbekommen – aber wenn man ihn doch mitbekommt und der DJ im Übergang nochmal seinen Fehler hingebogen hat, schmunzelt man.
Stichwort Fehler machen, man hört, dass ihr in diesem Set mit Vinyl aufgelegt habt. Du hast also auch so eine besondere Bindung zu Platten?
Auf jeden Fall. Mit diesem digitalen Auflegen, mit Memory Sticks und CDs, damit werde ich nicht mehr anfangen. Ich habe letztens mal gerechnet: Ich lege seit 35 Jahren Platten auf. Und ich habe wirklich ein Verhältnis zu den paar Platten, die ich nur noch habe, das sind ca. 4000 Stück oder so.
Ich bin immer noch dabei, herauszufiltern, ob ich nun wirklich jede Platte brauche. Ob es nicht für meinen Kopf besser ist, wenn ich weniger besitze, aber dafür dann im richtigen Moment weiß, welche ich spielen muss, um den Mix irgendwie auf den Punkt zu bringen und es so zu haben, wie ich es eigentlich möchte.
Macht es dir Spaß zu dritt aufzulegen oder fällt es dir schwierig, weil man sich auf seine Partner:innen einstellen muss? Frei nach dem Motto: Viele Köche verderben den Brei. Ist es eine Herausforderung, sich auf das Gegenüber einzustellen?
Wir spielen noch gar nicht so lange zusammen. Ich bin meistens allein aufgetreten. SVN habe ich irgendwann in einer Bar kennengelernt – das ist aber schon 17 Jahre her. Erst im letzten Jahr haben wir angefangen gemeinsam aufzulegen. Bis dahin haben wir uns nur getroffen, um Musik zusammen zu machen. Da haben wir gemerkt, wie viel Spaß das uns macht – und dachten: Vielleicht machen wir regelmäßig Mixe, damit die Leute überhaupt hören, was wir spielen, wenn sie uns buchen. Das passiert nämlich nur etwa zweimal im Jahr. Bis vor etwa acht Jahren war das anders, da wurde ich auch zehnmal im Jahr gefragt. So lerne ich die beiden auch über ihre Plattensammlung kennen! Zu dritt im Studio zu sein finde ich total toll und dass dort die Lautsprecher für meine Größe perfekt positioniert sind – da kann man viel besser als zu Hause auflegen. Dort muss ich mit Kopfhörern mixen, sonst würden die Nachbarn klopfen.
Das ist wie mein Jugendtreff, wo ich so gerne hingehe. (lacht)
Du hast ja 4000 Platten, also kommt es wohl oft vor, dass ihr euch gegenseitig überrascht?
Ja! Für den Mix habe ich zwei Jute-Taschen vollgestopft, mit jeweils 20 Platten drin, und bin ins Studio gefahren. Ich wusste nicht, wie ich die Platten einsetzen werde. Habe mir nur gedacht: Das muss ich auch gar nicht wissen. Ich finde es wahnsinnig interessant, nichts zu wissen, was als Nächstes kommt und darauf zu reagieren. Ich habe es über die letzten Jahre gelernt, in solchen Situationen mitzuhalten. Und SVN weiß, dass ich gerne seltene, aber doch unterhaltsame Platten spiele, die die Leute überhaupt nicht auf dem Zettel haben und ihnen nicht hundertprozentig das geben, was sie im Party-Kontext wollen, denn das ist oft nur Bumms Bumms und eine Baseline – das kriegen die meistens nicht bei mir! Robotron meinte nach der letzten Session: „Interessant, du bist ein Disco-DJ – ich dachte, du machst Techno!”
In eurem Set habt ihr euch an klassischen House-Styles orientiert – hier ein Acid-House-Stück, da ein Deep-House-Track. Natürlich kennt man diese Platten nicht, weil sie teilweise nicht mal auf Discogs aufzufinden sind. Insgesamt unterscheidet sich das Set ganz schön von euren Produktionen – warum orientiert ihr euch da so anders?
Man sammelt nicht unbedingt, was den eigenen Produktionen ähnelt. Eher sucht man Musik, die zu den eigenen Produktionen inspiriert. Manchmal hat das eine mit dem anderen auch gar nichts zu tun. Aber trotzdem kann man die Platten gut finden und man weiß genau: Wenn ich die auflege, kratzen sich die Menschen am Kopf – aber sie tanzen! (kichert)
Ihr seid erst seit Kurzem Residents im Coppi. Was für eine Beziehung habt ihr zu dem Club?
Ich hab mir den Laden einmal angeschaut und dachte: Das ist wie 1992, als ich nach Berlin gezogen bin. Der Raum, wo man auflegt, fasst vielleicht 20 Leute. Ich kenne jemanden, der dort mitmacht, Georgi aus Tiflis, der unter dem Stadion von Dynamo Tiflis einen Plattenladen hat, gleich neben dem Bassiani! Er hat uns gefragt, ob wir dort nicht mal was machen wollen, und ich habe gesagt: Lass uns doch gleich die Record-Release-Party für mein neues Doppelalbum mit SVN [Dresvn – GODZILLA auf SVN’s neuem Label Mechine Rec., Anm.] dort feiern. Ich finde, das ist genau der richtige Ort dafür.
Als ich dann das erste Mal auf dem Dancefloor stand, habe ich mich richtig auf den Tag gefreut, an dem wir dort spielen werden! Die Anlage klingt super, sie ist total warm und hat diesen guten Stereo-Sound. Das macht natürlich Spaß, wenn man in einer so kleinen Location auflegen darf und sich da die ganze Nacht verausgabt..
Was ist deine Meinung zur aktuellen elektronischen Musikszene in Berlin?
Ich kann das kaum beurteilen, ich kaufe nur alle vier Monate eine Platte. Und ich bin 56, die Leute, die ausgehen, eher 25. Das war genau das, was an dem Coppi so angenehm ist, weil es dort keine Rolle spielt, wie alt du bist. Und es war nicht rammelvoll! Sehr entspannt, als wir dort das erste Mal waren.
Aber was in diesen ganzen Clubs passiert, für die man viel Eintritt zahlt: Man steht stundenlang draußen in der Schlange, nur um dann Musik zu hören, die man schon vor Jahren gehört hat. Seit einiger Zeit inszenieren sich DJs immer stärker – es geht oft nur noch darum, der oder die DJ zu sein. Und im Publikum? Da stehen lauter Leute, die selbst auflegen oder es zumindest versuchen. Irgendwie ist das Ganze langweilig und oberflächlich geworden.