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[REWIND2024]: So feiert die Post-Corona-Generation

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Dieser Text ist Teil unseres Jahresrückblicks. Alle Texte findet ihr hier.

Die Post-Corona-Generation feiert anders, hört man immer wieder. Geprägt von den Erfahrungen der Pandemie, die soziale Isolation und Unsicherheit mit sich brachte, sollen junge Erwachsene heute nach neuen Erlebnissen suchen – nicht mehr unbedingt im Club, dafür: mit bewusstem Konsum und Awareness-Konzepten.

Aber stimmt das wirklich? GROOVE-Autorin Elaine Sobolewski hat mit jungen DJs, Veranstalter:innen und Feiernden gesprochen und ihre Gedanken mitgeschrieben.

Viki (21, Berlin)

Ich wohne in Berlin-Wedding, bin ursprünglich aber aus Stuttgart. Früher war ich fast jede Woche in Clubs wie dem Berghain, RSO, ÆDEN oder auf Day Raves. Mittlerweile gehe ich meistens nur einmal im Monat feiern. Ich mag vor allem melodischen Techno, bei dem man das Gefühl hat, dass der DJ dich auf eine Reise mitnimmt. Sonst fühle ich auf lustig auch Ghetto-Tech. Früher auch Trance, aber inzwischen nicht mehr so, weil das mittlerweile oft sehr repetitiv ist und von TikTok eingenommen wurde.

Viki (Foto: Privat)

Zu elektronischer Musik bin ich mit 15 gekommen, damals hat mich eine ältere Freundin in einen Technoclub in Stuttgart mitgenommen. Es lief Tropical House, und ich wusste nicht, wie man sich dazu bewegt. Trotzdem fand ich es total gut, wie frei alle getanzt haben. So bin ich in Techno eingetaucht.

Während der Pandemie haben meine Freunde und ich uns dauernd Musik geschickt. Ich hab’ damals viel Goa und Hardstyle gehört – einfach weil das so ein krasser Kontrast zu dieser Zeit war. Man hatte keinen Alltag, alles hatte zu und zu der Musik konnte man auch zu Hause gut den Frust rauslassen.

„Heute ist Techno Mainstream. Dadurch kommen mehr Leute, die nicht wegen der Musik da sind.”

Wenn ich heute in einen Club gehe, check’ ich gern die Leute aus. Auch total wichtig, vor allem, wenn es ein Club ist, in dem ich noch nicht war: Die Location. Weil ich Architektur studiere, bin ich am Raumkonzept und der Lichtstimmung interessiert. Trotzdem steht bei mir natürlich das Feiern im Vordergrund. Ich will mich frei fühlen, mit meinen Freunden tanzen, neue Menschen kennenlernen und schöne Erinnerungen machen.

Mir ist ein Safer Space beim Feiern wichtig. Inzwischen finde ich aber, dass es nicht mehr ganz so safe ist. Früher haben unterschiedliche Gruppen mehr aufeinander aufgepasst. Nach Corona ist der Konsum in den Vordergrund gerutscht. Heute ist Techno Mainstream. Dadurch kommen mehr Leute, die nicht wegen der Musik da sind.

Normalerweise bin ich auf Partys, auf denen die Leute ein bisschen älter sind als ich. Letztens waren wir aber im Lokschuppen – da war die Crowd ziemlich jung und man hat gemerkt, dass die meisten noch nicht so offen sind. Trotzdem will ich es nicht vom Alter abhängig machen. Es geht um die Stimmung und die Energie, die du mitbringst. Mir fällt allerdings auf, dass die Szene in Berlin sehr white ist. Deswegen möchte ich zukünftig auch andere Szenen auschecken, zum Beispiel Afrobeat, Jam-Sessions und kleinere Events mit POC-Artists.

Wie ich mich beim Feiern anziehe, kommt auf meinen Modus an. Bin ich chillig unterwegs oder Chaya? Ich versuche jedenfalls, nicht nur Schwarz zu tragen. Als ich das erste Mal im Berghain war, hatte ich zum Beispiel ein rotes Outfit an und eine grüne Brille. Wichtig ist nur, dass man gerne trägt, was man anhat. Wenn du dich uncomfortable fühlst, strahlst du das auch aus und das hat wiederum Einfluss darauf, wie du dich bewegst.

Jonas (21, Köln)

Ich wohne im Agnesviertel in Köln. Mittlerweile gehe ich nur noch maximal zweimal im Monat in den Club, meistens ins Schrotty, Gewölbe oder fi. Jedenfalls mag ich Trance- und Hardgroove-Events – wie zum Beispiel „Desire”. Ihre Line-ups sind sehr nice. Da spielten schon DJ Gigola, DJ Yarak, Marlon Hoffstadt, Malugi und Mischluft. Ich lege auch selbst auf. Angefangen habe ich mit Trance, aber jetzt spiele ich auch viel House, Deep House und sogar Disco-Sounds.

Jonas (Foto: Privat)

Zur elektronischen Musik kam ich durch meinen Vater. Am Wochenende lief bei uns immer Techno. Früher hat mich das sehr gestört, irgendwann habe ich es lieben gelernt. Seitdem ich 18 bin, höre ich selbst Techno. Das erste Mal dazu feiern war ich bei Oliver Koletzki im Schrotty. Das mochte ich sehr.

Während Corona wurde Techno dann richtig populär in den sozialen Medien. Mein Feed war voll mit Sets von Boiler Room und HÖR Berlin. Durch den Algorithmus bin ich auch auf ein paar Labels gestoßen, wie zum Beispiel Live From Earth.

„Es gibt Sachen, die mich extrem stören: Leute, die andere beim Tanzen anlabern und Menschen ohne T-Shirt, die einem zu nah kommen.”

Man merkt schon, dass sich unsere Generation durch die wachsende Präsenz von Social Media im Feier-Kontext verändert hat. In der Crowd sieht man häufig Handys, oft wird dann doch gefilmt. Ich habe das Gefühl, dass viele Leute gar nicht den Moment genießen können, sondern auf Partys gehen, um das zu posten und zu zeigen, dass man unterwegs ist. Das gibt das Gefühl, dass man den DJ oder die Party nicht wertschätzt. Es fühlt sich dann oft wie pure Selbstdarstellung an.

Mir ist mein Outfit beim Feiern egal. Ich ziehe mich eigentlich an wie immer, aber manchmal putze ich mich schon heraus. Wie zum Beispiel letztens auf der Multisex im Watergate.

Was mich sonst im Club richtig stört, sind Leute, die andere beim Tanzen anlabern und Menschen ohne T-Shirt, die einem zu nah kommen. Insgesamt habe ich aber kein Problem mit den Club-Crowds.

Luna (20, Berlin)

Ursprünglich komme ich aus Köln. Seit einem Jahr wohne ich in Berlin-Moabit. Ich gehe mindestens zweimal im Monat in Clubs. Dann meistens zu Events mit Techno, House, oder Trance. Ich stehe aber auch auf nischigeren EDM, und manchmal finde ich auch Gabber oder Hardcore cool. Vor allem wenn Eve Violet spielt; als ich mal in Tokio gelebt habe, war ich bei fast jedem Set von ihr. Zur Zeit gehe ich oft ins 11/11. Ich gehe auch gerne in die Phantom Bar, eine Tanzbar in Mitte.

Luna (Foto: Privat)

Techno höre ich schon lange. Angefangen hat es bei mir mit dem Kompakt-Label, vor allem Michael Mayer und so. Mit 15 war ich dann das erste Mal feiern – im Gewölbe. Jos & Eli haben da gespielt, die habe ich früher auch viel gehört.

Auch während der Pandemie habe ich viel Techno gehört. Zum Beispiel Gabriel Ananda und Maceo Plex. Zu der Zeit merkte man, wie die Szene litt. Viele Jugendliche verbrachten ihre Zeit auf Social Media. Es fühlte sich an, als wäre alles schneller und konsumorientierter geworden. Viele, gerade im Kunstbereich, haben sich mental zurückgezogen. Auch weil der Staat in der Pandemie mehr in den Fußball investiert hat als in Kunst und Kultur. 

„Mir ist wichtig, nicht in einem Space zu sein, wo alle mehr Substanz als Mensch sind.”

Das Erste, woran ich denke, wenn’s ums Feiern geht, ist das Fertigmachen! Ich liebe es, einen Anlass zu haben, um sich gut anzuziehen. Ich mag auch so Face zeigen. Zwischenmenschlichen Austausch, interessante Persönlichkeiten kennenlernen. Aber auch loslassen und über die Musik zu bonden, ist mir wichtig. Vor allem als ich in Tokio war, habe ich das gemerkt. Wir waren auf einer Gabber-Party, und meine Friends sahen teilweise so komisch aus beim Tanzen. Aber es war egal, weil wir so losgelöst waren und so viel Spaß an dieser Musik hatten.

Die Szene in Berlin ist zwar judgy, aber anders als die Kölner Szene. In Köln wurde man für ausgefallenere Outfits extrem angestarrt, selbst beim Ausgehen. Dafür wird in Berlin viel mehr konsumiert. Und ich bin schnell overwhelmed von druggy Partys. Mir ist also wichtig, nicht in einem Space zu sein, wo alle mehr Substanz als Mensch sind. 

Die beste Stimmung machen die 25- bis 30-Jährigen. Ich weiß, ich gehöre selbst gar nicht dazu, aber ich habe das Gefühl, wenn die Crowd jünger ist, ist es mehr Ego-getrieben, also: weniger Achtsamkeit, mehr Geschubse.

Clubs in Berlin sind meiner Meinung nach überhaupt nicht zugänglich und inklusiv. Ich habe das Glück, dass ich oft zur Selektion gehöre. Was ich von Freunden mitkriege, ist aber ziemlich hart. Sie würden die Party extrem bereichern und trauen sich nicht mal in die Schlange, weil sie so eingeschüchtert sind. Auch sind Clubs oft plakativ tolerant. Es wird sich oft solidarisiert, aber eigentlich steckt nichts dahinter.

Außerdem hat Social Media die Wahrnehmung der Feiernden verzerrt. Vor allem von Leuten, die nicht hier leben. Die Stereotypen der Lack-Leder-Harness-Raver, also quasi der TikTok-Raver, werden durch Social Media konstant reproduziert. Techno wird dadurch sehr trashy, kinky und drugged up wahrgenommen. Und ja, das ist ein Teil davon, aber nicht alles.

Roman (19, Nancy)

Aufgewachsen bin ich in Berlin-Kreuzberg, momentan lebe ich fürs Studium in Nancy. Mein Leben spielt sich trotzdem hauptsächlich in Berlin oder Paris ab. Ich suche mir Partys nach Veranstaltungen aus, aber meistens gehe ich ins ÆDEN, RSO oder Watergate.

Am liebsten tanze ich zu melodischem, verspielten Techno. Ich gehe aber auch zu Trap- und Afrobeat-Events. Jedenfalls mag ich es, wenn man den Körper schön weich zur Musik bewegen kann.

Roman (Foto: Privat)

Dass ich zur elektronischen Musik kam, passierte ganz natürlich. Ich bin ja in Berlin aufgewachsen. Mir war klar, dass es diese Szene gibt, und als man anfing, auszugehen, gehörte das irgendwann dazu.  

Als Corona begann, war ich noch ziemlich jung. Ganz langsam fing ich an, Techno zu hören. Eine Freundin schickte mir so nice Techno-Remixe von Britney Spears. Dadurch habe ich gecheckt, dass man sich auch gut zu Techno bewegen kann.

 „Ich bin halt eine kleine Tanzmaus!”

Durch das viele Ausgehen auf dieselben Partyreihen und Clubs, rutscht man irgendwann in die Szene. Ich bin halt eine kleine Tanzmaus, plötzlich bin ich dann hinterm DJ-Pult gelandet, so lernt man die Leute dann kennen.

Ich bin total dankbar, dass in Berlin ein Bewusstsein für Safe Spaces und Awareness-Teams herrscht. Das ist zum Beispiel in Paris noch nicht so angekommen. Aber es gibt ein verschobenes Bild von Safe Spaces. Viele Clubs labeln sich perfomativ als Safe Space. Trotzdem habe ich fast nur gute Erfahrungen gemacht – gerade mit Mitarbeitenden und in Situationen, die unangenehm waren. Ich habe aber das Gefühl, dass es unter den Feiernden oft an Sensibilisierung fehlt. Damit hat der Club dann letztendlich nichts zu tun.

Partyreihen wie Kilowatt, einhundert oder Lunchbox Candy mochte ich zuletzt besonders – aufgrund des sense of community und dem Spielen mit Grenzen, vor allem wenn es um die Outfits geht. Und die DJs der Reihen sind auch immer Hammer.

Man muss ein gewisses Gefühl von „Ich gehöre hier rein” haben, um in Berlin in Clubs zu kommen. Also ein Verständnis von sich selbst als cool. Das exkludiert natürlich schon viele Leute. Gleichzeitig gibt es hier aber so viele Partyreihen, die verschiedene Gruppen inkludieren oder Nischen bedienen. Man muss sie halt finden.

Meine Kriterien für eine gute Party sind gute Mucke und queer People. Aber vor allem: Leute mit Energy to the front! Die Musik kann so gut sein, wie sie will, wenn die Energie scheiße ist, beeinflusst das alles negativ. Nice ist auch, Party und Club mit anderen künstlerischen Elementen zu verbinden, zum Beispiel Performances oder Kunstinstallationen.

Für mich macht das Alter der Crowd keinen Unterschied. Der Mensch macht es aus. Ich habe auch das Gefühl, dass in Berlin etablierte, unausgesprochene Club-Regeln herrschen, vielleicht merk’ ich auch deshalb den Unterschied nicht so krass.

Pau (22, Wien)

Seit drei Jahren wohne ich in Wien, aufgewachsen bin ich aber in Berlin. Mittlerweile lege ich seit sechs Jahren auf. Mein Vater, Alexander Barck, ist auch DJ und hat es mir damals beigebracht. Ich vermische gerne Genres. Also verschiedene Vibes, die aber dieselbe Stimmung erzeugen. Ich habe dabei ein gutes Gefühl, was der Crowd Energie bringt. Momentan spiele ich sehr viel UK Garage und Grime und mische diese Genres gerne mit Latin Club oder Hardgroove. Meine Bookings sind mittlerweile international.

Pau (Foto: Presse)

Bis jetzt waren die Highlights meiner Karriere, in der Panorama Bar zu spielen, und mein erstes Festival in Frankreich, ein B2B-Closing mit meinem Vater. Spaß am Auflegen habe ich jedenfalls, wenn die Energie der Leute gut ist. Ich hatte mal einen Gig in Bulgarien, und die Crowd brachte so gute Energie.

Vor allem Girls in der Szene inspirieren mich, denn: Es ist schwieriger, als Künstlerin wahrgenommen und nicht nur übers Aussehen definiert zu werden. DJs wie Mariad, Coco Calypso und 0megavybe finde ich super. 

Ich denke, dass früher ganz andere Menschen von der Techno- und Feierszene angesprochen wurden. Dadurch war sie generell mehr ein Safe Space. Mittlerweile kommen viel mehr Menschen in diese Szene, und da sind auch Leute dabei, die gar nichts über Safe Spaces wissen.

„Es gibt so viel Musik, man muss länger und mehr suchen, um daraus seinen Sound herauszukristallisieren.”

Clubkultur ist zu einem TikTok-Trend geworden. Ganz schnell kommen ganz viele Leute und feiern eine Art von Musik, weil sie gerade cool ist, und genauso schnell wechselt das wieder. Aber es gibt auch genug Gegenbewegungen von jungen Kollektiven und jungen Künstler:innen, die gegensteuern.

Generell findet kein wirklicher Austausch zwischen den Künstler:innen-Generationen statt. Die „Alten” sagen, dass die Musik heutzutage viel mehr auf crowdpleasing ausgelegt ist. Sie meinen auch, dass es uns sehr leicht gemacht wird, weil es schon so viele gute Songs gibt.

Ich finde, dass es genau deshalb schwerer ist. Es gibt so viel Musik, man muss länger und mehr suchen, um daraus seinen Sound herauszukristallisieren. Das können die Älteren dann auch nachvollziehen.

Dass ich als Künstlerin wahrgenommen wurde, kam erst in den letzten zwei Jahren. Mit dem wachsenden Erfolg wurde ich ernster genommen. Durchs Viral-Gehen wird man dann abgestempelt: Sie ist jetzt plötzlich auch Künstlerin in der Szene.

DJ Yarak (Berlin)

Ich bin DJ Yarak und wohne aktuell in Berlin. Mit dem Produzieren kam irgendwann das Auflegen. Durch die Findung meines Styles wurde ich früh Teil einer Szene, die sich erst gebildet hat. Mein Publikum kann ich aber kaum als konkrete Zielgruppe benennen. Die Musik ist für alle, die sich darauf einlassen können, daran Spaß haben und sich selbst nicht zu ernst nehmen.

DJ YARAK (Foto: Marleen Nesner)

Vorbilder aus der elektronischen Musik habe ich nicht. Ich habe mich immer schon auf Soundcloud inspirieren lassen. Gerade in die Phonk- und Trap-Richtung, in der auch viel mit alten Samples und Vocals auf neueren Beats gearbeitet wurde. DJ Yung Vamp oder DJ Smokey inspirieren mich zum Beispiel noch immer.

„Jede Person, die daran gefallen findet, soll zu den Partys gehen und sie genießen dürfen, solange es authentisch bleibt.”

Ich hab’ schon immer mein Ding gemacht. Mein Humor spiegelt sich in meiner Musik wider. Das merken viele Leute und fühlen das. Ich bin auch dankbar dafür, dass ich manchen Menschen die Tür zur elektronischen Musik geöffnet habe und zeigen konnte, dass es nicht immer grimmiger Techno sein muss. Sondern Musik für alle, die Spaß haben und mal den Kopf abschalten wollen.

Social Media macht elektronische Musik und Partys viel zugänglicher für Leute. Ob das gut ist oder nicht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Potenziell ist es aber was Schönes, dass die Musik für alle da ist. Jede Person, die daran gefallen findet, soll zu den Partys gehen und sie genießen dürfen, solange es authentisch bleibt.

Die Szene ist über die letzten Jahre gewaltig gewachsen. Es sind Szenen verschiedener Richtungen in der elektronischen Musik entstanden, so war es auch schon immer. Hier kann man nicht mehr pauschalisieren.

CLEOPARD2000 (Berlin)

Ich bin Leon, oder wie die meisten mich kennen: Cleopard2000. Aufgewachsen bin ich in Nürnberg, habe eine Weile in Portugal gelebt und bin vor einem Jahr nach Berlin gezogen. Hier fühlt es sich an, als ob alles zusammenkommt – besonders, wenn man in der elektronischen Musikszene unterwegs ist. Seit zwei Jahren lege ich auf, vor allem Trance, manchmal auch Hard House.

2024 war ein unglaubliches Jahr für mich. Ich hatte die Chance, auf richtig besonderen Events zu spielen, wie dem MODUL’AIR Festival und sogar bei Boiler Room. Was für mich einen Gig besonders macht? Die Menschen. Wenn ich sehe, wie sie die Musik fühlen, loslassen und ganz im Moment sind, dann weiß ich, warum ich das mache.

Cleopard2000 (Foto: Presse)

Das Konzept des Safe Spaces hat unter den neuen Ravern und Veranstalter:innen definitiv an Relevanz gewonnen. Bei neueren Party-Kollektiven ist es in den Vordergrund gerückt. Zum Beispiel herrscht bei unseren Polyamor-Partys eine strikte No Shirt No Service Policy. Das bedeutet: Wenn Männer ihr Shirt ausziehen, werden sie nicht bedient oder fliegen sogar raus, wenn sie unsere Bitten, es wieder anzuziehen, ignorieren. Dadurch wollen wir verhindern, dass sich Gäste, insbesondere Flinta* Personen, unwohl oder belästigt fühlen.

Ich spiele das, worauf ich selbst am meisten Lust habe, und meistens springt die Crowd darauf genauso an. Am Anfang habe ich mich manchmal von der Stimmung der Leute etwas verunsichern lassen. Wenn vor mir jemand 180-BPM-Hard-Techno spielt und ich dann mit Trance bei 140 oder 150 BPM einsteige, fragt man sich schon kurz, ob das funktionieren wird. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, einfach mein Ding durchzuziehen. Und genau das lieben die Leute – dass es ehrlich ist und von Herzen kommt.

„Social Media ist heutzutage unverzichtbar, wenn man in der Szene bestehen will.”

Jeder ist bei meinen Sets willkommen, bei Trance zeichnet sich aber ab, dass die Crowd jünger ist, also eher Gen Z. Mein Publikum ist aber immer von Offenheit geprägt. Bei Trance fällt mir auf, dass ein intergenerationaler Austausch stattfindet. Die ganzen alten Trance-Hasen sind zurück, suchen nach neuen Talenten oder sind im Austausch mit ihnen und feiern den neuen Sound dann auch.

Social Media ist heutzutage unverzichtbar, wenn man in der Szene bestehen will. Gleichzeitig bietet es eine großartige Möglichkeit, nahbarer für die Fans zu sein und persönliche Einblicke in das eigene Leben zu geben. Natürlich gibt es auch Künstler, die sich bewusst gegen Social Media entscheiden, aber das hat oft zur Folge, dass sie weniger Reichweite generieren und seltener gebucht werden – gerade weil Promoter stark auf Reichweitenzahlen achten, um den Ticketverkauf anzukurbeln.

Besonders TikTok hat die Art und Weise verändert, wie junge Menschen elektronische Musik wahrnehmen. Trends können sich innerhalb kürzester Zeit entwickeln, und ganze Genres oder Szenen bekommen plötzlich enormen Aufwind. Für viele ist TikTok der Einstieg in neue Sounds und damit auch ein Tor zur elektronischen Musik.

CLEOPARD2000s Manager Jan

Ich bin schon lange in der Szene aktiv und habe in den letzten Jahren einige Veränderungen bemerkt. Die neuen, jüngeren Feiernden scheinen bewusster zu sein, vor allem dank der Awareness- und Safe-Space-Kultur. Die Nächte sind oft kürzer, es wird weniger geraucht, und insgesamt wirkt die Party-Atmosphäre weniger exzessiv.

Allerdings gibt es einen starken Kontrast: Während das Bewusstsein für Themen wie Safer Use gestiegen ist, sind einige Substanzen, wie GHB, deutlich präsenter geworden – und das in beängstigender Weise. Jüngere, queere Raver erzählen mir oft von gefährlichen Situationen wie Überdosierungen, die beinahe normalisiert werden. Vor zehn Jahren war GHB in der Szene kaum präsent, höchstens bekannt als K.-o.-Tropfen. Heute ist es ein ernstzunehmendes Risiko. Positiv ist, dass die Aufklärung rund um Drogenkonsum und Safer Use deutlich zugenommen hat. Dennoch bleibt es wichtig, weiter für Bewusstsein und Schutz zu sorgen.

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