Fadi Mohem – Mohem 03 (Mohem)
„Process” bildet den Auftakt der MOHEM 03. Der Berliner Vorzeige-DJ und -Producer Fadi Mohem legt damit die Messlatte für die Peaktime hoch. Über 140 BPM – kompromisslos, uptempo, tricky und verwoben. Eine oszillierende, treibende Bassline, hochgepitchte dubby Soundflächen und eine darüber laufende Hi-Hat verweben sich zu einem Monster, das nicht nur im Berghain seine Fans finden dürfte. Bei „Process” ist der Name Programm – der Track entwickelt sich, schreitet voran, ist das jetzt die Zukunft? Eingestreute Chords geben den ineinanderlaufenden Rhythmen Glanz und Wärme.
Auf den Punkt produziert ist auch „Recess” (lat. recedere – zurückschreiten), das langsamer und ebenfalls dubby, wie aus einer leerstehenden Industriehalle, hallt. Ob das Stück eher zum Auftakt oder eher zum Runterkühlen eines Sets geeignet ist, mag jeder selbst entscheiden. „Recess” ist auf jeden Fall dark und industrial in der Anmutung und ein klarer Favorit. Liron Klangwart
Guile – Joe’s Garage (Limousine Dream)
Mit Joe’s Garage präsentiert der Argentinier Guile eine vor Fröhlichkeit nur so strotzende House-Platte. Die besteht aus fünf Tracks, und jeder Einzelne ist ein sprudelnder Springbrunnen mitreißender Ideen. Seien es die Rave-Reminiszenzen auf „Mi Menor”, Italo-House-Anleihen in „Danger” oder schwelgerische Afterhour-Vibes beim Titeltrack. Und auch vor einem Eurodance-Rap-Part bei „What We Got” wird nicht zurückgeschreckt, ohne dass es peinlich wird. Stattdessen verbreitet der Track mitreißende Ibiza-Vibes – womit natürlich das Ibiza der späten Achtziger und frühen Neunziger gemeint ist, nicht die Rave-Mühle heutiger Tage. Fünf Tracks also, von denen ein jeder den zuvorkommenden toppt. Was will man mehr? Tim Lorenz
Mezey & Nosho – Melts EP (Future Times)
Das im US-amerikanischen Baltimore beheimatete Duo Mezey & Nosho trumpft nach ersten Samplerbeiträgen erstmals mit einer Solo-EP für Future Times auf. Zwei schräge Clubtunes. Schwer einzuordnen.„Liverbox” hat Broken-Beat-Momente, die an Lateinamerika erinnern. Dazu eigenartige Samples, etwas Acid ist auch da. Der kratzige Digi-Funk von „Folding Orange” hat Dubstep-Charme und ist im Vergleich zum psychedelisch peitschenden „Liverbox” vertrackt, nervös. Schön fett mit Subbässen, Techno-Einflüssen und durchgedrehten Breaks. Am gleichmäßigsten kommt der Djoser-Remix rüber. Der Produzent aus Washington, D.C. verwandelt das Original in einen klassischen Dubstep-Trip, wundersam Vintage, mit sattem Bass, der sich nach den großen Sound Systems sehnt. Drei futuristische Tunes, perfekt für die nächste Party im Namen des UK-Bass-Kontinuums. Michael Leuffen
Partiboi69 – Call Of The Void EP (Running Back)
Auf seinem Running-Back-Debüt beginnt Partiboi69 mit dem Schluss: „Playin’”, mit dem der australische Producer seine Call Of The Void EP eröffnet, nimmt Maß am Topos des klassischen Rave-Closing-Tracks, der am Ende einer durchfeierten Nacht als leicht melancholisch gefärbte Apotheose die hedonistischen Exzesse der vergangenen Stunden im Licht der Morgendämmerung zusammenfasst – mehr atmosphärisch als tatsächlich musikalisch klingen darin durchaus auch Reminiszenzen an Underworlds „Born Slippy .Nuxx” und ähnliches an, aber auch Badalamentisches Twin Peaks-Dräuen. Die (zuletzt mit dem Vorwurf kultureller Aneignung konfrontierten) Ghetto-Tech-Referenzen seiner Schmuddel-Hits „K On My D+C” und „Wine Dine 69” sind zwar auch in „Bodies” noch auszumachen, nun allerdings in sublimierter Piano-House-Form. Partiboi69, bürgerlich Fin Bradley, ist, so der überaus positive Gesamteindruck, reifer, ja, erwachsener geworden. Zumindest eine Spur. „Feel This” ist als makelloser Eurodance-Hit mit Drumrolls der tatsächliche Popstar dieser EP, hymnisch und höchst kantabel, während der Titeltrack auf instrumentalen Pfaden wandelt, die Wege von UK-Synth-Pop-House-Acts wie The Beloved oder auch den Pet Shop Boys kreuzen. Für knapp eine Handvoll Tracks ein ganz schön großer Wurf. Harry Schmidt
TSVI – Mediterraneo EP (Nervous Horizon)
Der italienischstämmige Produzent und Nervous-Horizon-Gründer Guglielmo Barzacchini alias TSVI hatte wie so viele seiner Kollegen während der Pandemie eine kleine Sinnkrise. Auf seiner ersren Post-Covid-Produktion nach einigen Jahren des Infragestellens und Ausprobierens neuer Methoden des Musikmachens hat er sich schließlich dazu bekannt, wofür er nun einmal steht: vorwärtsgewandte, funktionale Clubmusik, geprägt von Rhythmen und Samples regionaler Nischen.
Für die Mediterraneo EP verneigt er sich vor seiner Mittelmeer-Herkunft und dem dort in den späten Neunzigern und frühen Nullerjahren angesagten Progressive-Sound à la Gigi D’Agostino oder Mauro Picotto. Das bedeutet: emotionale Synths, trancey Breakdowns (Progressiva) und natürlich italienische Vocal-Samples, die anheizen. Auf „Vitamina H” stehen perkussive Patterns im Vordergrund, ebenso auf „HHG” mit dem Venezolaner DJ Babatr; beide Tracks verneigen sich vor dessen Heimat und dem dort entstandenen Genre Raptor House, das TSVI schon lange inspiriert hat. Die beiden letzten Tracks gehen dann weg von Samples, fokussieren sich stattdessen auf Sounddesign und tauschen wilde Drums gegen hypnotische Synths. Leopold Hutter