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Die Platten der Woche mit Badsista, Cinthie, Larry Heard, Mike Dehnert und Octo Octa

Badsista – Gueto Club (TraTraTrax) 

„Roughness, yes, yes, yes!”, ging mal eine Fernsehwerbung für Süßigkeiten, oder wenigstens so ähnlich. Und hier kommt der Sound: Alles auf die Zwölf, was irgendwie einen Beat in die Bude bringt.

Zum Beispiel bei Badsista: afro-brasilianische Rhythmus-Schule zu Beginn von „Cosmovision”, gefolgt von rudimentären, flötenähnlichen Keys, die sich hoch und runter winden durch den Kern des Tracks. Er erhält etwas Hypnotisches, Beschwörendes, mit leichtem Trance-Zustand.

„Bagunca Minha B*****” klingt zugleich nach Traum und Feier, mit dem mädchenhaften Sprechgesang von Jujuliete über einer Schwingboden-Tanzfläche. „Vem Pra Zona Leste” leitet die EP entsprechend frenetisch ein, mit magnetischen Bässen, Zufallsblinken, Überraschungsgeräuschen. Unerbittlich und göttlich funkend. In den Remixen geht es um genau jenes Eröffnungsstück; Batu mit dem Dub. DJ Marfox lässt es im „3 De La Mañana” hingegen rappeln und rappen. Guten Morgen. Christoph Braun

Cinthie – Bossa and Swing EP (Shall Not Fade)

House, ouse, ouse. Cinthie verspricht mit ihrem EP-Titel eine sommerliche Leichtigkeit. Wir werden nicht belogen. Während „Tough Times” mit seinen gospelhaften, weiblichen Shouts und leicht angesäuerten Keys noch ganz konventionell klingen mag, geht es beim Rest aber ab.

Cinthie feiert House mit wenigen Mitteln, wie etwa in „Shuffle & Swing”. Hier ist nicht nur der Titel eine Referenz auf den Boxer Muhammad Ali und sein ikonografisches Tänzeln: Auch die Bewegung im Track folgt dem eleganten Hin und Her des Bewegungskünstlers Ali. Es kickt so sehr in Bass und Kick, dass die melodischen Einwürfe ganz schüchtern klingen dagegen.

„Bossa” bringt dazu eine Weite ins Spiel, Brandenburger Sommerhimmel. Bei neutraler Grundlaune gibt es Jack, und es gibt nochmal Jack, und dann transformiert sich Jack in den Aufzug nach ganz oben. Wirklich nur das Allernötigste setzt die Berlinerin ein, und das so breit und spannungsgeladen! Dazu ist das Stück sehr werkstattmäßig aufgebaut, sodass es als Werkzeugfundgrube funktioniert.

Ein gebrochener Beat im Delay leitet „Time F” ein, Piano-House-Track mit Streichern und einem mehrdeutigen Singeinsatz. Es könnte „It‘s time to funk” heißen, vielleicht, und das tut es schließlich auch, funken. Christoph Braun

Larry Heard – Vault Sessions II (Alleviated)

Der Chicagoer House-Pionier Larry Heard geht in die zweite Runde mit eigenen Archivaufnahmen, von denen einige zuvor noch nie auf Platte erschienen.

Klassisch deep zunächst „The Time Is Now” mit der Sängerin Felica Williams im wohltemperierten Old School Mix. Zackiger und zugleich abgespeckt „Premonitions of Lost Love”, zu dem Ona King einen Rap beisteuert, im Dub-Mix. Der bisher unveröffentlichte instrumentale Track „Andromeda One” überzeugt mit dezenten Bongos und karibisch gehaltenen Synthesizerakkorden. Auf erfreuliche Weise unspektakulär. Zum Abschluss gibt es den frühen Mr.-Fingers-Klassiker „Mystery of Love” im stark reduzierten DJ-Mel-Remix, der die Deepness etwas neuer interpretiert. Haben alle zu Recht ihren Platz auf der EP. Tim Caspar Boehme

Mike Dehnert – Testet EP (Tech-Um) 

Mike Dehnert ist sowas wie der ungekrönte König der reduziert-dubbigen Techno-Tools.

Seit Jahren entwickelt er einen Sound, der metallisch hallt, schimmert und meist muskulöse Drum-Workouts mit dubbigen Hallräumen paart. Auch auf dieser EP für das noch junge Label Tech-Um (verbandelt mit dem niederländischen Deeptrax) lässt Dehnert wieder seine massigen Muskeln spielen.

Die A1 ist eine dieser rumpelnden Nummern von ihm, wo ohne ordentliche Subwoofer gar nichts geht. Bei soviel Bassgewalt will sich der Groove aber auch nicht wirklich einstellen. Die A2 hingegen wieder ein klassischer Dehnert mit housigem Flair, stampfendem Drive und einem stimmungsvollen Vocal. Auf der Flip legt er noch eine Schippe drauf, „Mino” drängt am meisten nach vorne und lässt peitschende Hi-Hats auf metallisch morphende Flächen schlagen. Der Schluss dann ein superreduziertes, perkussives Tool, auf dem Dehnert gekonnt den Bizeps seiner effektvoll gefilterten Drum-Samples flext. Leopold Hutter

Octo Octa – Dreams Of A Dancefloor EP (T4T LUV NRG)  

Kimochi (japanisch: ein gutes Gefühl, das Ki im Gleichgewicht halten) – das kann die New Yorkerin Octo Octa (Maya Bouldry-Morrison). Mit Dreams Of A Dancefloor auf T4T LUV NRG präsentiert sie auf drei Tracks drei verschiedene Welten.

Eine Liebe auf dem Dancefloor zu später Stunde ist – romantisch. Genau das setzt „A Late Night Love” um und startet „slowly” und „hypnotic”, um sich endlos weiterzudrehen. Dezente Acid-Sounds tragen den bewusstseinserweiternden Höhenflug. Totale Eskalation – Fehlanzeige! EP-Track Nummer zwei „Let Yourself Go” ist eine Aufforderung – das Tempo des Drum’n’Bass naturgegeben schneller. Der Nachtvogel schreit im Hintergrund. Auch hier Romantik, Trance, alles im Flow. „Come Here, Let’s Commune” ist House, Hedonismus, Disco. 

Großstadt-Schaman:innen tanzen – auch ohne psychedelische Zutaten. Liron Klangwart

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