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Montreux Jazz Festival: Multiple Leidenschaften vor majestätischer Kulisse

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Sommerfestivals verbindet man normalerweise mit vertrocknetem Gras, Staub, leicht bekleideten Menschen und aus der Ferne herüberschallender Musik. Das Montreux Jazz Festival gibt ein anderes Bild ab. Es findet in einem verträumten Kurort statt, der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Erholung Suchende aus der ganzen Welt anzieht, unter anderem auch Geistesgrößen wie Pjotr Tschaikowski, Leo Tolstoi und Vladimir Nabokov.

Erst Heimat von Geistesgrößen, dann von Jazz- und Rockstars: Der Montreux Palace (Foto: Alexis Waltz)

Dass das Montreux Jazz Festival fast jedem Musikfan ein Begriff ist, hat aber nicht mit seiner malerischen Lage zu tun. Auch nicht unbedingt, weil man schon einmal vor Ort war, sondern wegen der zahllosen Live-Aufnahmen, die hier entstanden sind und sich in fast jeder einschlägigen Plattensammlung finden.

Das Plakat des Montreux Jazz Festivals von 1997 (Foto: Alexis Waltz)
Das Plakat des Montreux Jazz Festivals von 1997 (Foto: Alexis Waltz)

Dazu gehören Jazzgrößen wie Ella Fitzgerald oder Miles Davis, aber auch Popstars wie Tori Amos oder Alice Cooper. Auch Techno-Künstler wie &ME, DVS-1 oder Jeff Mills sind hier aufgetreten.

Besucher:innen des Festivals spazieren am Seeufer entlang, sitzen auf den Felsen am Wasser und essen zu Abend (Foto: Alexis Waltz)

Wer in Montreux ankommt, hat sich schnell einen Überblick verschafft. Die großen Konzerte finden in einem Kongresszentrum statt, das an der Strandpromenade am Genfer See liegt. Im dort beheimateten Jazz Lab tritt heute Abend der französische Neoklassik-Act Guillaume Poncelet auf, auf der Hauptbühne Tropicalismo-Vordenker Gilberto Gil, der von Roberta Sá unterstützt wird. Zusätzlich gibt es neun weitere Open-Air-Bühnen, die allesamt kostenlos sind.

Musik, Kunst der Zeit: Audemars Piguet am Genfer Flughafen (Foto: Alexis Waltz)

Dieses großzügige Angebot wird von den Sponsoren des Festivals ermöglicht, zu denen auch Audemars Piguet gehört, die uns zu diesem Abend eingeladen haben. Schon seit 2010 beteiligt sich der Uhrenhersteller an der Digitalisierung des Archivs des Festivals, das Teil des UNESCO-Weltdokumentenerbes ist. 2019 wurde Audemars Piguet sogar Global Partner des Festivals. Die Zusammenarbeit zwischen Audemars Piguet und dem Montreux Jazz Festival unterstreicht das Interesse der Uhrenmanufaktur an der Musik und spiegelt auch für die innigen Beziehungen, die die Marke zu diversen Künstlern pflegt. Sie reichen vom französischen House-DJ Surkin bis zu Beyoncé, Jay-Z oder Pharell.  

Mark Ronson im Montreux Lab (Foto: Marc_Ducrest)

Für diese Ausgabe des Montreux Jazz Festival ist ein besonders ambitioniertes Projekt mit Mark Ronson entstanden, der seit vergangenem Jahr Markenbotschafter ist. Audemars Piguet hat den britisch-amerikanischen DJ, Songwriter und Produzenten beauftragt, ein exklusives Konzert auf die Beine zu stellen. Zu diesem Anlass holte Ronson verschiedene hochkarätige Mitstreiter auf die Bühne. Neben seinen Schützlingen Lucky Daye und Yebba, mit denen er im Rahmen seiner Arbeit mit Audemars Piguet Songs produziert hat, holt er auch Musiker auf die Bühne, die seine Karriere geprägt haben. Mit einigen von ihnen hat er mit Größen wie Amy Winehouse, Lady Gaga oder Bruno Mars zusammengearbeitet. 

Mark Ronson mit seiner Kreativdirektorin Daphnée Lanternier (Foto: Audemars Piguet)
Mark Ronson mit seiner Kreativdirektorin Daphnée Lanternier (Foto: Audemars Piguet)

Ronsons Kreativdirektorin Daphnée Lanternier hat dem Konzert ihre unverwechselbare Handschrift verleihen. Den schöpferischen Prozess hinter der Show hat Lauren Luxenberg mit der Kamera eingefangen und zu dem Film Syncing Sounds – Live verarbeitet. 

Das Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Das Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Audemars Piguet gewährt GROOVE auch einen einzigartigen Blick in die Geschichte des Festivals: Bevor das Musikprogramm beginnt, dürfen wir die Chalets des Gründers Claude Nobs besuchen, die hoch über dem See in den Bergen thronen.

Das Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Das Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Unser Bus kurvt durch die enge Straße, die sich durch einen dichten Wald den Berg heraufschlängelt. Eine Schweizer Flagge weht in einer milden Brise, daneben steht das viergeschossige Haupthaus, dessen Architektur mit dem satten Nadelholzton und den Plexiglas-Balkongeländern Tradition und Moderne verbindet.

Das Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Wer das Chalet betritt, steht sofort mitten im Leben von Claude Nobs, der das Festival 1967 gründete. In den großzügigen Räumen vor majestätischer Kulisse spiegeln Nobs’ Sammelleidenschaft seine anderen Leidenschaften.

Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Schwere Bronzen von Menschen und Tieren setzen einen romantischen Grundton, der sich durch alle Räume zieht. In jedem Raum setzen Kunstgewerbe, Nippes, Fund- und Erinnerungstücke jeweils einen individuellen Ton.

Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Ebenso wie die Bronzen ziehen sich Musikboxen durch alle Räume des Hauses, die allesamt funktionieren, aus denen Jazz und Rocksongs tönen, wenn man sie startet. Zwar ist Nobs schon 2013 nach einem Skiunfall verstorben, doch wirkt es, als sei er noch gestern bei einem Aperitif auf der Terrasse gesessen und habe seine illustren Gäste bewirtet, so liebevoll wird dieser Ort von seinem Wittwer Thierry Amsallem betreut. Amsallem lebt hier bis heute und begrüßt uns persönlich, ebenso wie Simon Leprêtre, der Nobs’ persönlicher Assistent war und uns durch die Räume führt.

Das Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Das Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Die Tour beginnt in Nobs’ Schlafzimmer, das auch sein Büro war. Wände und Türen habe Nobs abgelehnt, erklärt Leprêtre. Von dem großen Bett blickt man direkt auf den in satte Vegetation eingebetteten Genfer See. Davor steht ein Schreibtisch. Nobs habe Arbeit und Privatleben nicht getrennt, alles sei eins gewesen, fügt Leprêtre hinzu. Das Telefon war sein wichtigstes Arbeitsmittel, manchmal habe er ganze Tage telefoniert.

Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

So steht ein monströses Exemplar auf dem Tisch, das Nobs von einer Baseler Bank bekommen hat, um mehrere Gespräche gleichzeitig führen zu können. Die innigen Beziehungen, die er zu seinen Gästen pflegte, spiegelt auch ein kleines Spielzeugtelefon wider, das danebensteht. Auf ihm hat Sheryl Crow eine Widmung hinterlassen, die sie Jahre später bei einem weiteren Auftritt noch einmal ergänzt hat.

Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Die Beziehungen zu den Musiker:innen, die oft in den Sechzigern und Siebzigern begannen, dauerten bis zu seinem Tod. Afroamerikanische Musiker:innen fanden in Montreux die Anerkennung, die ihnen in ihrer Heimat versagt bliebt, andere schätzten die Auszeit vom Trubel der Großstädte. Für Freddy Mercury etwa war Montreux ein Ruhepol, an dem er sechs Alben aufnahm.

Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Nobs’ Lebensinhalt schien darin zu bestehen, Musiker:innen eine Auftrittsmöglichkeit in dem Kurort zu verschaffen, der den verblichenen Glanz einer vergangenen Epoche ausstrahlte. Dazu gehörten nicht nur die malerische Landschaft am Genfer See und die vorzügliche technische Umsetzung der Konzerte, sondern auch seine Gastfreundschaft.

Blick vom Chalet von Claude Nobs auf den Genfer See (Foto: Alexis Waltz)
Blick vom Chalet von Claude Nobs auf den Genfer See (Foto: Alexis Waltz)

Er lud sie in sein Chalet ein, bekochte sie und feierte mit ihnen. Die weiteren Räume im Chalet zeugen davon, eine professionelle Küche und ein Esszimmer mit zwei großen Esstischen, ein Heimkino, das das mit einem Monitorsystem in Studioqualität ausgestattet ist.

Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Hier sitzt man – auch in diesem Raum kommt Nobs Leidenschaft für objets trouvés zum Ausdruck – auf ausgemusterten Erste-Klasse-Sesseln der Swiss-Air, die Millionen von Flugmeilen zurückgelegt haben. Noch imposanter ist das Musikzimmer im Keller des Chalets. Dort lagern mehr als 200.000 Schallplatten in riesigen Aktenschränken, minutiös alphabetisch sortiert.

Die Plattensammlung von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Die Plattensammlung von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Allein das Thelonious-Monk-Fach ist einen halben Meter breit. Ebenso gibt es eine Gitarre von Chic-Gitarrist Nile Rodgers und Freddy Mercurys Klavier zu bestaunen. Wenn Nobs’ Gäste beim Musikhören Zerstreuungen brauchten, begaben sie sich an den Billardtisch oder einen der drei leuchtenden Flipper.

Die Plattensammlung von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Die Plattensammlung von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Als sei das nicht alles mehr als genug, sind an einer Seite des Raums hunderte Lokomotiven von Modelleisenbahnen im größten Maßstab, 1:22,5, aufgereiht. Das Montreux Jazz Festival war offenbar nur eine seiner multiplen Leidenschaften.

Züge und Lokomotiven im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Züge und Lokomotiven im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Dass es durch die eingangs erwähnten zahllosen Live-Mitschnitte zu einem der bekanntesten Festivals der Welt gehört, ist der Weitsicht des Gründers zu verdanken. Die Überlieferung besagt, dass Bob Dylan Claude Nobs nach einem Konzert fragte, ob er den gerade absolvierten Auftritt aufgenommen habe. Es sei sein Bester bisher gewesen. Das hatte Nobs nicht, und das schmerzte.

Züge und Lokomotiven im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Züge und Lokomotiven im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Wenig später beschloss er, jeden Auftritt auf dem Montreux Jazz Festival aufzunehmen, bis heute existieren mehr als 11.000 Aufnahmen. Dass diese Ton- und Videobänder nicht in einem anonymen Archiv lagern, sondern in dem zweiten, intimeren Chalet, in das Nobs sich im Alter zurückzog, unterstreicht, was für eine persönliche Angelegenheit dieses Archiv ist.

Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Unten in Montreux kommt langsam Festivalstimmung auf. Besucher:innen spazieren am Seeufer entlang, sitzen auf den Felsen am Wasser und essen zu Abend. Hinter der ruhigen Wasserfläche erhebt sich am anderen Ufer auf der französischen Seite des Genfer Sees der mehr als 2000 Meter hohe Rochers-de-Naye. So erzeugt die Landschaft das Spiel aus Ruhe und Spannung, für das Gäste aus der ganzen Welt die Schweiz so lieben.

Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Exklusiver geht es im Bereich der Sponsoren zu, die großzügig Champagner ausschenken. Im Kongresszentrum beginnt derweil das Festivalgetümmel. Mitarbeiter:innen händigen Tickets aus, während auf dem Lab-Floor Guillaume Poncelet schon mit elegischen Klassikklängen fesselt.

Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)
Im Chalet von Claude Nobs (Foto: Alexis Waltz)

Auf dem Mainfloor entführt uns Gilberto-Gil-Support Roberta Sá schon mal nach Brasilien. Wenig später steht Gilberto Gil mit zwölfköpfiger Begleitung auf der Bühne. Seine 81 Jahre sieht man dem Musiker nicht an, der während Brasiliens Militärdiktatur im Gefängnis saß und später Kulturminister des Landes wurde.

Gilberto Gil auf dem Montreux Jazz Festival (Foto: Alexis Waltz)
Gilberto Gil auf dem Montreux Jazz Festival (Foto: Alexis Waltz)

Auf der Bühne stehen auch zwei seiner Kinder und sogar ein Enkel, erklärt er in holprigem Französisch. 1978 trat er zum ersten Mal auf dem Festival auf, da ist das legendäre Live-Album Gilberto Gil ao Vivo em Montreux entstanden. Einige könnten zumindest dem Alter nach schon dieses Konzert miterlebt haben, andere sind in ihren Zwanzigern.

Viele Brasilianer:innen sind unter den Besuchenden, viele singen die Lieder textsicher mit, etwa „Tempo Só”, „Soy Loco Por Ti América” oder „Palco”. Die eingängigen Songs werden von der komplexen Instrumentierung mit unter anderem Saxofon, Trompete, Drums und zwei Perkussionisten auf ein so feingliedriges wie robustes rhythmisches Gerüst gestellt.

Gilberto Gil auf dem Montreux Jazz Festival (Foto: Alexis Waltz)
Gilberto Gil auf dem Montreux Jazz Festival (Foto: Alexis Waltz)

Mit jedem Song wird die Stimmung mitreißender. Dann erreicht das Konzert seinen Höhepunkt – und ist auch schon vorbei. Die Fans buhlen um eine Zugabe, doch die Bühne bleibt leer. Wenig später beginnen Techniker, die Instrumente zu verpacken. Es könnte der letzte Besuch von Gilberto Gil in Montreux gewesen sein, war es doch Station seiner „Farewell to Europe”-Tour.

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