Club Heart Broken ist ein Credo, ein Zustand, ein Ja zu Gefühlen – und eine Veranstaltungsreihe, die mit Trance, Eurodance und Hard House liefert, was derzeit auf der Tanzfläche gewollt und gebraucht wird: Spaß und Ekstase.
Seit fünf Jahren tourt Producer, DJ und Gründer des Club Heart Broken, Malugi, mit Kolleg:innen und Freund:innen durch die Clubs in Deutschland. Angefangen hat alles in Köln – aber Berlin spielt natürlich auch eine Rolle.
Unsere Autorin Nastassja von der Weiden traf drei der Macher:innen zum Interview und sprach mit ihnen über die Anfänge des Club Heart Broken, darüber, wie ansteckende Energie auf dem Dancefloor entsteht, und wie wichtig Freundschaft für das CHB-Gefüge ist.
Freundschaft. Dieses Wort fällt im Interview besonders häufig. Freundschaft rahmt, säumt – samtig, weich, flowig – dieses Porträt über ein Kollektiv, das Gefühle dort anbietet, wo sie der Coolness wegen oft zurückgehalten werden: im Club. Ganz bewusst will sich der Club Heart Broken von der dunkel-düster-ernsten Techno-Attitüde Berlins abgrenzen. Mehr noch, für „Lovers, Loners and Losers” seien die Partys, steht in der Selbstbeschreibung.
Von Partys, Showcases bei HÖR, im Boiler Room und auf dem Melt Festival über Shirts mit Slogans wie „It’s not a phase, Mom” oder „Cologne, but the C is silent” bis zur hauseigenen Typo und einer allumfassend unironisch-freudigen Ästhetik und Ansprache – die Macher:innen beweisen Nacht für Nacht, dass ihnen zu Recht der Ruf einer energiegeladenen, besonderen Stimmung vorauseilt. Club Heart Broken ist damit ein Phänomen in der subkulturellen Veranstaltungswelt.
Das Trio, das sich an einem Montagmorgen – wenn im Berghain noch gefeiert und in Berliner Wohnzimmern und Küchen geaftert wird – im Videochat einfindet, besteht aus den CHB-Resident-DJs Greta, Marlon und Gründer Matteo. Greta legt unter dem Pseudonym Galleur auf, ist Teil des Duos Surf2Glory und arbeitet als Bookerin für ein neues Clubprojekt in Wuppertal. Marlon Hoffstadt kennen viele als DJ, Producer und Podcast-Host von „Ohne Spaß kein Fun” – und als DJ Daddy Trance. Matteo alias Malugi ist Producer, DJ und hat Club Heart Broken 2017 gegründet.
Freundschaft und Professionalität
Anfänglich wird noch das Wochenende ausgewertet, jede und jeder nach dem aktuellen Kater-Status befragt. Marlon kommt etwas verspätet, entschuldigt sich für die fünfminütige Wartezeit und bescheinigt sich selbst wegen „technischer Probleme” echte Boomer-Qualitäten. Die vertraute Verbindung der drei DJs wird spürbar; eben noch im Club zusammen gefeiert, gefühlt einen halben Tag später sitzen sie gemeinsam beim Interview. Damit kommen wir zum bereits erwähnten Schlüsselwort des Interviews: Freundschaft. Für das gemeinsame Touren fällt wenig später noch das Wort Klassenfahrt.
Denn, ja, es stimmt, alle bei CHB sind langjährige Freundinnen und Freunde von Matteo, die er für das Projekt zusammengeführt hat. Matteo ist Marlons bester Freund, war sein Trauzeuge, ist der Patenonkel seines Kindes, beide haben früher zusammengewohnt. Seit der ersten CHB-Party in Köln ist auch Greta Teil der Partyreihe, sie gehört von Beginn an zum festen Kern der Crew. Derzeit sind es zehn bis 15 Personen – Resident-DJs, Grafiker:innen, Supporter –, die zu CHB gehören und auflegen, gestalten, texten und organisieren.
Dass Freund:innen ein Projekt gründen, ist im clubkulturellen Kosmos erst mal nichts Ungewöhnliches. Veranstaltungsreihen, Labels, Kollektive, ganze Clubstrukturen basieren darauf. Dass sich ein gemeinsames Projekt aber so lange trägt, erfolgreich wird und über Jahre bleibt, hingegen schon, sagt Marlon: „Ich mache jetzt seit zehn, zwölf Jahren Mukke. Und in dieser Zeit habe ich oft versucht, eigene Projekte zu starten, bei denen ich mir genau das herbeigesehnt habe, was Matteo mit Club Heart Broken geschafft hat, nämlich etwas mit Freunden aufzubauen. Das habe ich bis jetzt immer gekonnt in den Sand gesetzt oder es hat einfach nie gehalten.”
Das Geheimnis? „Bei Club Heart Broken kommen Professionalität und Freundschaft zusammen.” Das wurde auch in der Planung dieses Gesprächs spürbar: Mails werden nicht nur gelesen, sie werden auch beantwortet. An Absprachen erinnert man sich auch noch nach zwei Wochen. Und bei ihren Gigs liefert die Crew ab, ohne Backstage-Allüren. Klingt basic, but it’s not.
Die Gesellschaft der gebrochenen Herzen
Der Schlüssel zum Schloss der Herzen ist ein Sound, der so versiert wie angesagt ist – ein Mix aus House, Trance, Eurodance, Techno, Edits, zu hören in Tracks, die das Gefühl des Post-Corona-Feierns aufnehmen und oft aus den eigenen Reihen oder von Freundes-Freund:innen stammen; zum Beispiel von Marlon, Malugi oder Narciss. Matteo erzählt, wie es dazu kam: „Club Heart Broken ist damals entstanden, weil sich mein persönlicher Musikgeschmack zu dieser Zeit stark entwickelt hat. Ich war aber in Berlin in einem Kontext unterwegs, in dem ich wenig Möglichkeiten hatte, diesen Sound aufzulegen und mich dahingehend zu entfalten.”
„Der Heartbreak ist das Core-Topic von R’n’B, und das hat total gepasst. Die gebrochenen Herzen sollen zu CHB kommen, sich aufgehoben und verstanden fühlen.”
Matteo von Club Heart Broken
Er wollte lieber Baile Funk, Futurebeat und Jersey Club als kühlen, düsteren Techno auflegen. Dazu kommt, dass damals jede Menge Edits von R’n’B-Songs veröffentlicht wurden, die ursprünglich nicht für den Techno-Club-Kontext vorgesehen waren, zum Beispiel die ikonischen Edit-Packs von Jarreau Vandal und Jael, erklärt er. Viel R’n’B habe genau die halbe Geschwindigkeit von aktuellen Club-Tracks, „wodurch sich die Samples super zum Editen angeboten haben. Beispielsweise meine Mariah-Carey- und Christina-Milian-Edits”, sagt Matteo.
Der Name, der mehrere Interpretationsebenen bietet – gesellschaftlich, musikalisch, persönlich – hat nämlich genau hiermit zu tun: mit R’n’B. Eher ungewöhnlich in der Techno-Bubble, aber es ist das Lieblingsgenre von Matteo, das er auch privat am liebsten hört: „Der Heartbreak ist das Core-Topic von R’n’B, und das hat total gepasst. Die gebrochenen Herzen sollen zu CHB kommen, sich aufgehoben und verstanden fühlen.” Und sie kommen. Immer wieder, immer noch, ausdauernd, alleine oder in Gesellschaft.
Keiner klingt wie der andere
Bunt und gefühlig, gefällig, Trance, House, aber auch Techno – mit diesen Schlagwörtern kommt man bei etlichen Partyreihen raus, die alle völlig verschieden sind. Für viele Partygänger:innen, die mit ihrer Anwesenheit, ihren Klicks und ihrer Kaufkraft über den Erfolg jeder einzelnen davon bestimmen, ist eines entscheidend: die Stimmung. Eine Stimmung und ihre Bestandteile zu beschreiben, ist gar nicht mal so leicht. Aber daran, wie es war, erinnern sich die Partygänger:innen nach einer Veranstaltung.
Natürlich auch daran, was da war: An die Musik erinnert man sich im besten Falle auch, klar. Aber es gehört noch mehr zu einer gelungenen Nacht im Club. Set und Setting, Plakatdesign, das Ankommen an der Tür, das Warten, die Leute drumherum, die Ästhetik, das Licht, die physische Erfahrung, die Stimmigkeit der einzelnen Elemente in ihrer Gesamtheit; und die Gewissheit, etwas Besonderes zu erleben. Ein Versprechen, das eingelöst, vielleicht sogar übertroffen wird – all das gehört dazu. Es geht, neben der Musik, um das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Wer das mit seiner Veranstaltung transportieren kann, hat viel gewonnen.
Wenn Matteo und Greta an die allererste Party im Kölner Jaki denken, bei der Greta als Galleur aufgelegt hat, erzählen sie, dass es schon damals „super voll und super wild” war. Das hat mehrere Gründe, sagt Matteo: „Unser Sound war von Anfang an unique. Die Leute wissen: Was sie bei uns bekommen, gibt es sonst nirgendwo. Dieser eigene Spirit, dass einfach alles von Herzen kommt, dass alle Gefühle erlaubt und große Gefühle sogar erwünscht sind, den hat es seit der ersten Party gegeben und den gibt es weiterhin.”
„Wir verbringen einfach gerne Zeit miteinander, hypen uns gegenseitig, und das überträgt sich auf die Party.”
Greta von Club Heart Broken
Club Heart Broken erzeugt seitdem in verschiedenen Clubs, zum Beispiel im Institut für Zukunft in Leipzig, im PAL in Hamburg, oder auf Festivals ein Spektrum an guten Gefühlen. Unabhängig vom Club, in dem die Nächte stattfinden, gibt es eine ergebene Zielgruppe, die Gefühle (zulassen) will. Und die DJs wollen und können ihnen offenbar genau das geben, das ganze Paket, mit Emotionen und Hits: „Es ist die Authentizität, die das Projekt und den Vibe so besonders macht”, erklärt Greta.
„Wir verbringen einfach gerne Zeit miteinander, hypen uns gegenseitig und das überträgt sich auf die Party”, sagt sie weiter. Nochmal: Freundschaft ist der Schlüssel. Und: „Jede einzelne Person, die bei CHB auflegt oder Musik macht, hat sich in den letzten Jahren in der musikalischen Bandbreite krass weiterentwickelt. Wir haben uns einerseits gegenseitig inspiriert, aber gleichzeitig auch organisch, selbstständig zu unserem eigenen Sound gefunden. Jeden einzelnen Artist kannst du vom Klang her unterscheiden, niemand klingt wie der andere.”
Klamotten von Adidas
Nicht nur der besondere Sound und die großen Gefühle, auch das Design ist seit Anbeginn konstant geblieben. Etwas prollig untersetzt, gleichzeitig gediegen, classy und scharfkantig; schon auch hip, irgendwie für alle und dabei immer noch speziell genug, um sich abheben zu können. Die Schrift ist ein wiedererkennbares Markenzeichen und nur für CHB erfunden worden: „Der Look wurde maßgeblich von Gregor Maria Sahl und Erkin Karamemet geprägt. Seit der ersten Veranstaltung gibt es eine stringente visuelle Komponente, die geblieben ist”, sagt Marlon. „Die Custom-Schrift von Erkin Karamemet für Club Heart Broken geht mit uns ins Grab. Diese Schrift wird genutzt bis zur letzten Party”, lacht Matteo.
Die Schrift ziert nicht nur Insta-Posts, Plakate und Flyer, sondern auch Shirts und Pullover. Zurzeit: alles ausverkauft. Merch spielte schon immer eine Rolle für Matteo. Das erste Shirt gab es vor der ersten Party. Es wurde damals noch für einen Zehner verkauft, erinnert er sich. Das Angebot soll zukünftig vergrößert werden. Feuerzeuge? Longsleeves, Hosen, Caps? Das wird noch nicht verraten. Im Gespräch wird CHB öfter als Brand oder Marke bezeichnet – es handelt sich um Profis, die eine Vision haben. Das sei aber eigentlich nicht der Sinn der Reihe, sagt Matteo: „Auch wenn CHB etwas Markenhaftes hat, ist es ein Spielplatz für unsere Ideen. Wenn es etwas gibt, das zu unserem Projekt passt, gibt es jetzt ein Outlet, wo wir das ausführen können, was wir uns vorstellen, und mit dem wir zur Clubkultur beitragen wollen.”
„Für Club Heart Broken wünsche ich mir, von Brands, die in der Subkultur vertreten sind, gefördert zu werden. Mit Adidas sind wir im Gespräch, wir sprechen aber auch mit anderen Leuten.”
Marlon von Club Heart Broken
Dazu gehören nicht nur Shirts mit Grafik-Aufdrucken, sondern auch Weinflaschen. Und speziell zu den Weinflaschen gibt es eine Geschichte: „Wir haben eine Weinflasche gebrandet, die einfach Fragile hieß, denn das ist eine Glasflasche – und ein Herz.” Die übergeordnete Erklärung lautet: „Es war überraschend für unsere Community, sich mit etwas Zartem und Zerbrechlichem zu identifizieren.” Und tatsächlich, genau dieses Identifikationspotenzial holt die Fans ab.
Der Flurfunk meldet, dass Club Heart Broken mit einem Sponsoring von Adidas nachlegt. Wie so oft bei Club-Gossip stimmt das nur teilweise: „Wir haben ab und zu Klamotten von Adidas bekommen. Grundsätzlich finde ich es interessant, wenn Subkultur-Crews mit größeren Brands zusammenarbeiten”, sagt Marlon. „Für Club Heart Broken wünsche ich mir, von Brands, die in der Subkultur vertreten sind, gefördert zu werden. Mit Adidas sind wir im Gespräch, aber auch mit anderen Leuten.” Matteo und Greta gehen d’accord, dem sei nichts hinzuzufügen. Auch Firmen wollen also ein Stück Club Heart Broken. Verständlich. Denn das Projekt ist catchy, vibey und – ja, auch das – kredibel.
Die ungewöhnliche Wahl des Watergate
Das Watergate ist seit Kurzem die Berliner Homebase für Malugi und Co., denn auch in Berlin hat man Gefallen an Gefühlen auf dem Dancefloor gefunden. Die Verbindungen zum Club sind persönlich und liebevoll: Im Watergate habe Marlon das erste Mal mit seiner jetzigen Frau und der Mutter seines Kindes geknutscht, grinst er. Bei Matteo gibt es auch eine positive Watergate-Erinnerung: „Ich war mit 17 das erste Mal in Berlin und hatte mir einen Ausweis geliehen, um feiern zu gehen. Ich war an diesem Abend tatsächlich im Watergate und hatte eine fantastische Nacht.”
Der Waterfloor sei einer der besten Räume, den die Stadt zu bieten habe, sagt Matteo und ergänzt: „Wenn du mich fragst, die Nächte im Watergate sind anders. Die haben noch mehr eigene Energie. Unsere letzte Watergate-Party im Dezember 2022 war für mich die beste Party des Jahres. Und wenn man das runterbricht, müsste es eigentlich die beste Party meines Lebens gewesen sein. Die Crowd, die sich dort einfindet, der Raum, der Daytime-Slot am Sonntag – da stimmt alles.”
Ein wenig ungewöhnlich ist die Wahl des Clubs dann aber irgendwie doch. Marlon sagt dazu: „Ich würde den Club zwar nicht als cool und underground bezeichnen – aber das Image ist mir da total egal. Die Leute und die Tür sind nett, wir können unser Ding machen und es herrscht eine perfekte Stimmung. Das ist für mich die Hauptsache.”
„Es soll bei unseren Partys eben nicht um den Stress, den die Frage ‚Bin ich überhaupt cool genug, um reinzukommen?’ nach sich zieht, gehen. Bei uns ist es in Ordnung, richtig Spaß zu haben und das auch zu zeigen.”
Marlon von Club Heart Broken
Club Heart Broken steht ästhetisch, musikalisch und konzeptuell für Zugänglichkeit, ohne wahllos zu sein. Das macht das Projekt erst recht cool, lieb-cool. Im Gespräch ist eine Bodenständigkeit und Wärme zu spüren, die, gemessen am Status der Reihe, am gemeinsamen und am Erfolg der einzelnen Residents, nicht selbstverständlich ist. Und das passt den Motiven, aus denen CHB gegründet wurde: Nahbarkeit statt elitäre All-Black-Everything-Policy in die Clubs zu bringen. Closeness statt Coolness. Marlon betont am Ende des Interviews, wie wichtig der Fun-Aspekt bei ihnen ist: „Es soll bei unseren Partys eben nicht um den Stress, den die Frage ‚Bin ich überhaupt cool genug, um reinzukommen?’ nach sich zieht, gehen. Bei uns ist es in Ordnung, richtig Spaß zu haben und das auch zu zeigen.”
Neben ihren üblichen Clubveranstaltungen haben die Macher:innen auch schon andere Events organisiert, ein Speed-Dating oder auch ein Seelsorgetelefon waren dabei. Ein besonderes Match made in heaven war ein CHB-Bingo-Abend, der „Quit playing games with my heart” hieß. Fun, Love, Pop, Bingo, alles dabei. Der Spaß auf dem Dancefloor, der Anspruch der mitwirkenden Künstler:innen und ihre Zugewandtheit scheinen echt, wahrhaftig und nicht generisch-gegenstandslos zu sein.
Mit fun, mit love, mit dem Broken-Hearts-Vibe, mit Verletzlichkeit, mit Memes, mit Merch und mit Emotionen soll es – na klar – weitergehen. „Die Ideen gehen uns nicht aus, das ist sicher. Wir wollen weiter zusammen reisen, auftreten, Musik machen”, darin sind sich alle drei einig. Als Crew, mit Freund:innen – ganz unironisch im Klassenfahrtstyle.