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Peter Fleming vom Harry Klein: „Fairness muss in alle Richtungen gedacht werden”

2003 eröffnete das Harry Klein in den Optimolwerken in Berg am Laim, 2010 zog der Münchner Club in ein Geschäftshaus in der Nähe des Stachus, das nun abgerissen werden soll, um einem Hotel mit Rooftop-Bar Platz zu machen. Am ersten Standort machte sich das Harry Klein mit Minimal House einen Namen, in den Zehnerjahren entwickelte es sich in Richtung Melodic House und Techno weiter, zuletzt kamen sogar Trance-Anleihen dazu. Musikalisch wurde der Club von seinen Residents getragen, unter anderem Karotte, Innellea oder Rakäthe.

Dabei geht es den Macher:innen nicht nur um Musik und Partyspaß, sondern auch um politische Fragen, die im Nachtleben virulent werden. Alternative Vergütungsmodelle für Künstler:innen etwa, feingetunte Awarenesskonzepte und die jahrzehntelange Unterstützung der jungen, lokalen DJ-Szene. Beim Harry Klein wurden Idealismus, Fairness und Transparenz groß geschrieben. So förderte die Spielstätte nicht nur weibliche DJs in der Stadt München, sondern war auch ein wichtiger Ort für die LGBTQ-Community.

Der Mietvertrag des Clubs wurde in den vergangenen Jahren bereits mehrmals kurzfristig verlängert. Die stufenweise Verlängerung war darauf zurückzuführen, dass der Startzeitpunkt für den geplanten Neubau immer wieder verschoben wurde.

Wir haben mit Mitbesitzer und Geschäftsführer Peter Fleming gesprochen, um zu erfahren, was die Schließung für die Community bedeutet und wie er die Lage des Münchener Nachtlebens einschätzt. Ganz vorbei ist es mit dem Club nicht. Wie Fleming verrät, zieht beispielsweise die queere Mittwochsreihe Garry Klein in einen anderen Club um. Auch einige weitere Projekte sind geplant.

Harry Klein (Foto: Presse)

GROOVE: Peter, wie geht es dir? Was machst du gerade?

Gut! Ich bin gerade in unserem neuen Wirtshaus. Wir, das sind Peter Fleming, Peter Süß, Marlene Neumann und Johann Eder, haben seit dem 10. Februar ein neues Lokal. Das Wirtshaus Fesch, ein queeres bayerisches Wirtshaus. Kein Club.

Ist das dein neues Projekt?

Ja, das ergibt sich jetzt ein bisschen automatisch. Wir haben aber Augen und Ohren offen und suchen nach neuen Möglichkeiten. Es gibt ja mittwochs unsere Garry-Klein- Veranstaltung. Ich behaupte jetzt mal, dass das die beste queere Party der Stadt ist – zumindest unter der Woche. Die machen wir weiter, aber in einem anderen Club.

Harry Klein (Foto: Presse)

Steht schon fest, wann es am neuen Ort weitergeht?

Wir machen am 17. Mai die letzte Garry-Klein-Party. Dann machen wir eine Woche Pause, und am 31. Mai fangen wir in einem neuen Club an. Dort wird es Garry Klein wieder jeden Mittwoch geben.

Wo denn?

Das können wir noch nicht verraten. Ich hatte viele Bewerbungen von verschiedenen Clubs und Locations, weil natürlich jeder gerne eine gut funktionierende Party unter der Woche hätte. Das ist schon etwas Besonderes. Und nun haben wir uns für einen Club entschieden. Auch sonst gucken wir, was so möglich ist. Es gibt zwei Dinge, die gerade im Hintergrund laufen, die aber noch nicht spruchreif sind.

Harry Klein (Foto: Presse)

Hast du eine Lieblingserinnerung aus den letzten 20 Jahren?

Das kann ich gar nicht sagen. Wir kommen bestimmt auf über 3000 Acts, die bei uns gespielt haben. Ich finde es nicht gerecht, da einen hervorzuheben. Ich bin wahnsinnig glücklich über Garry Klein. Ich bin selbst schwul und wollte immer eine elektronische Musikparty in der Stadt haben, und die gab’s damals, vor zwölfeinhalb Jahren, nicht in München. Wir haben geschafft, eine zu etablieren, und das finde ich cool.

Was ich allerdings vermissen werde, ist unser jährliches Marry Klein Festival, wo wir ganz explizit auf die fehlende Geschlechtergerechtigkeit im elektronischen Musikbusiness hingewiesen haben. Da gibt es leider noch keinen neuen Plan, wie wir das in Zukunft umsetzen können.

Das Festival würdest du also gerne weiterführen?

Natürlich. Nicht nur wir, auch die vielen Frauen aus München, die wir seit 2005 damit gefördert haben. In München haben wir um die 80 Frauen, die Musik auflegen. Ich finde, das ist schon eine ganz coole Zahl. Zu dieser Entwicklung in der Stadt haben wir maßgeblich beigetragen.

Harry Klein (Foto: Presse)

Ist dieser Fokus auf Gleichberechtigung und Safe Spaces das, was das Harry Klein für dich besonders gemacht hat?

Auf jeden Fall. Wir haben uns viel um das Thema Awareness gekümmert. Die Stadt selbst ist da etwas hinterher, wenn man das mit Berlin und Leipzig vergleicht. Darauf achten die anderen Clubs mittlerweile aber auch. Das BLITZ hat ein Awarenessteam und -Konzept und die Rote Sonne auch. Wir sind alle gut vernetzt.

Was macht denn ein gutes Awareness-Konzept aus?

Erst mal muss man erforschen, was überhaupt die richtige Herangehensweise ist. In den Gesprächen mit anderen Clubbesitzern haben wir gemerkt, dass man nicht einfach ein Awareness-Konzept auf alle Spielstätten dieser Welt übertragen kann. Jeder Club hat eigene Ideen und Voraussetzungen; beispielsweise die Größe oder den Schnitt. Daher müssen Awareness-Konzepte immer maßgeschneidert sein. Das haben wir für uns erarbeitet.

Welche Verantwortung tragen Clubs für Geschlechtergerechtigkeit in der elektronischen Musikszene?

Während der Pandemie veranstalteten wir unsere Livestreams – insgesamt 130 mit je drei bis fünf Acts pro Abend. Da habe ich sehr auf darauf geachtet, also auf ein ausgewogenes Verhältnis. 2020 spielten sogar zu 67 Prozent Frauen. Und als die Pandemie vorbei war, kam für mich der Punkt, an dem ich Dinge ändern wollte. Und seitdem haben wir auch im Clubbetrieb die 50-50-Aufteilung eingehalten.

Harry Klein (Foto: Presse)

Schlägt sich dieser Fairness-Anspruch auch in der Vergütung von Künstler:innen wieder? Wie können Clubs ihre DJs besser bezahlen?

In der Regel gibt es in der elektronischen Musik sehr hohe Gagen. Wir wollten die Künstler:innen am tatsächlichen Erfolg des Abends teilhaben lassen. Dafür habe ich eine ganz eigene Kalkulation erstellt. Das zeige ich gerade immer mehr Leuten und hoffe, dass sich da etwas in der Szene verändert. Ich glaube, dass in der Szene ziemlich viel kaputt gemacht wurde. Durch große Agenturen und bestimmte Künstler:innen, die eine gewisse Machtposition hatten, weil sie bekannt waren. Für die musste man immer wahnsinnig viel Geld zahlen, und dann ist am Ende nicht viel hängengeblieben. Mit einem prozentualen System wird das besser ausgeglichen. Es geht um Transparenz und Fairness – auch für die Gäste! Wenn man heute in Berlin ausgeht und 25 Euro Eintritt bezahlt, schlucken die Leute ganz schön.

Wie sehen die Eintritte in München aus?

In München ist das anders. Hier sind wir bei 13 oder 15 Euro. Da gehen die Partys aber auch nicht so lange wie in Berlin. Das machen wir hier in München nicht, weil wir wahnsinnig teure Mieten haben. Deswegen sollte diese Fairness auch in alle Richtungen gedacht werden. Ich finde es besser, wenn der Gast ein Bier mehr trinkt und damit glücklich ist, als hohe Eintrittspreise zahlen zu müssen.

Harry Klein (Foto: Presse)

Siehst du dich mit dieser langjährigen Erfahrung in einer beratenden Funktion für die junge Generation und andere Clubs?

Ich beschäftige mich viel damit, wie die Zukunft der elektronischen Musik aussieht, und gebe mein Wissen gerne weiter – an jeden eigentlich. Clubbesitzer, DJs, ganz egal. Also, ja, ich sehe mich in dieser Rolle. Ich werde jetzt 56 und finde, dass gerade wir Älteren die Verantwortung tragen, die junge lokale Szene zu motivieren und zu unterstützen.

Wie unterscheidet sich München da von Berlin?  

In Berlin gibt es ja Künstler:innen noch und nöcher, weil da alle hinziehen. Das ist in München nicht so. Vielleicht gibt es noch einen DJ Hell, der hier wohnt und bekannt ist, und noch ein paar andere, aber das ist nichts im Vergleich zu Berlin – daher müssen wir unsere lokale Szene besonders fördern.

Harry Klein (Foto: Presse)

Bis zur endgültigen Schließung werden unter anderem die Bigband Jazzrausch, Karotte oder auch das Bushbash-Kollektiv im Harry Klein auftreten. Für letztere Veranstaltung gibt es aktuell noch Tickets zu kaufen. Das Line-up für die dreitägige Abschlussfeier am Christi-Himmelfahrts-Wochenende steht aktuell noch nicht fest.

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