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ÆDEN: Umfunktionierte Container und Grün zwischen Backsteinmauern

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Das ÆDEN gehört seit seiner Eröffnung vor einem guten Jahr zu den beliebtesten Berliner Clubs. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Die musikalische Kuration ist makellos, Veranstaltungen von Kollektiven wie Lunchbox Candy oder Mala Junta sorgen für ein diverses Publikum. Mit seinem Garten eignet sich der Laden auch im Sommer zum Feiern und mit seiner Lage auf der Lohmühleninsel zwischen Kreuzberg und Treptow knüpft das ÆDEN an verschiedene Berliner Feiertraditionen an. Zu guter Letzt leidet der Ort mit seiner mittelgroßen Kapazität von etwa 500 Gäst:innen auch nicht unter ausbleibenden Feiertourist:innen.

Nun erschließen die beiden Betreiber noch einen zweiten Club in den Räumen des früheren Chalet in der unmittelbaren Nachbarschaft des ÆDEN: das ÆVE. GROOVE-Autor Jan Goldmann hat sich auf der Baustelle umgesehen und versucht, die DNA beider Orte auf der verwunschenen Lohmühle zu entschlüsseln.

Ich stehe in einem dunklen Raum, kühle Luft schlägt mir ins Gesicht. Während Bohrmaschinen rattern und Sägen kreischen, tragen ein paar Leute Sofas durchs Sichtfeld. Ich hätte fast nicht mehr damit gerechnet, je wieder durch dieses Gebäude zu gehen, denn das einst hier beheimatete Chalet ist schon jahrelang geschlossen. Wir steigen eine Treppe hoch und endlich wird es heller, durch die Fenster dringt grelles Licht.

Mainfloor im neuen ÆVE (Foto: Sophie Christ)
Mainfloor im neuen ÆVE (Foto: Sophie Christ)

„Hier oben werden wir bald auch mit unserem Büro hinziehen”, erzählt mir Jean Djaman, Creative Director des ÆDEN, als er mich durch die staubigen Räumlichkeiten des früheren Chalet führt. Mehr als drei Jahre stand das schöne rote Backsteinhaus auf der Lohmühleninsel an der Grenze von Kreuzberg und Alt-Treptow still – damals gab es Probleme mit dem laufenden Mietvertrag und Streitereien über hohe Schulden. Die Stille dürfte wohl bald vorbei sein. Es gibt große Pläne für einen Neuanfang im ehemaligen Chalet als Teil des ÆDEN direkt nebenan. Eine angenehme Aufbruchstimmung verbreitet sich auf der Baustelle, ein Gefühl von Endlich-passiert-hier-wieder-was. Aber erst mal zurück zum Anfang des ÆDEN, auf die andere Seite des Zauns.

Jean Djaman (Foto: Paulinus Weiland)
Jean Djaman (Foto: Paulinus Weiland)

„Das ist eigentlich ‘ne total absurde Geschichte, die mitten in der Pandemie angefangen hat”, erzählt Djaman über die Entstehung des ÆDEN, das am 12. Juni 2021 mit einer Party mit Reka und Juliana Huxtable eröffnete. Djaman ist kein Neuling in der Clubszene, vor dem Projekt war er bereits als DJ und Booker im Hamburger Club PAL involviert. Anfang 2020 zog der gebürtige Hamburger nach Berlin: „Ursprünglich für ein anderes Club-Projekt, das Fernwerk in Steglitz”, so Djaman. Neben der abgelegenen Lage, der aufkommenden Pandemie und anderer Probleme, die ein Clubbetrieb mit sich bringt, sei das Projekt aber bald wieder aufgegeben worden.

Der ÆDEN Gartenfloor (Foto: Jean Djaman)
Der Gartenfloor des ÆDEN (Foto: Jean Djaman)

Trotzdem lernte Djaman mit Sergius Dadaschi darüber den Betreiber des Clubs Burg Schnabel kennen, der zuvor auf dem Gelände des heutigen ÆDEN residierte. „Er sagte, er arbeite an einer Neukonzipierung des Gartens und sei auf der Suche nach einem Creative Director oder einem Head of Program”, so Djaman. „Ich meinte, ‚lass’ mich mal noch ‘ne Nacht drüber schlafen’, aber eigentlich war mir schon klar, dass ich Bock drauf habe.” Schließlich sei er ja extra für ein Clubprojekt hierher gezogen.

Ein Apfelbaum im ŒL-Garten (Foto: Karl Leon Behr)
Ein Apfelbaum im ŒL-Garten (Foto: Karl Leon Behr)

Inzwischen sitzen wir im etwas ruhigeren Garten des ÆDEN, nur ein paar Meter weiter Richtung Spree auf dem Nachbargrundstück des Chalet. Djaman habe lange überlegt, was man aus dem Laden machen könne und ob es überhaupt eine gute Idee sei, einen Club dort zu eröffnen, wo zuvor ein anderer stand.

Weil die Burg Schnabel in der Zwischenzeit ihre Pforten geschlossen hatte, stand der neuen Projektidee die zusätzliche Fläche zur Verfügung. „Aber erst die Pandemie hat uns ermöglicht, hier einen Neustart zu wagen.” Djaman blickt in den Garten des ÆDEN. Viel Grün lugt zwischen Backsteinmauern und umfunktionierten Schifffahrtscontainern hervor. Der Boden ist gepflastert, alles wirkt gemütlich, satt, munter.

Der ÆDEN Gartenfloor im Blick aus der DJ-Booth (Foto: Jean Djaman)
Der Gartenfloor des ÆDEN von der DJ-Booth aus (Foto: Jean Djaman)

Wir schlendern ein wenig über das Gelände, das an andere Berliner Clubgärten erinnert. Neben vielen Holzbauten in DIY-Optik wachsen im Garten des ÆDEN auch Äpfel- und Birnenbäume aus dem Boden. Jetzt, wo die Lautsprecher schlummern und niemand feiert, liegt eine verträumte, fast fantastische Stimmung in der Luft. „Wir dachten: ‚Ey, das macht doch voll Sinn, wenn wir das Ding Eden nennen’”, so Djaman. „Nur klingt das erst mal nach Saunaklub oder Bordell”, räumt er lachend ein. „Daher haben wir mit dem skandinavischen ‚Æ’ einen Twist reingebracht.”

Schallschleuse vom Gartenfloor in den zentralen Garten (Foto: Jean Djaman)
Schallschleuse vom Gartenfloor in den zentralen Garten (Foto: Jean Djaman)

Im ÆDEN führt der Twist nicht nur über den Namen des Clubs, sondern auch über die Veranstaltungsformate. Etablierte Crews wie Mala Junta oder Same Bitches haben bereits den neuen Club am Schleusenufer bespielt. Aber auch neue Veranstalter:innen bekommen die Möglichkeit, sich auf dem Dancefloor auszutoben. Lunchbox Candy, BCCO oder Dissident haben sich etwa schon schnell einen Namen in der Stadt gemacht – sicherlich auch mit der Hilfe des ÆDEN.

Zwischen Open-Air-Floor und Biergarten

Djaman und ich machen ein paar Schritte hinter eine Schallschutzmauer, die neben einem Apfelbaum aus dem Boden ragt. Dahinter befindet sich der Open-Air-Dancefloor des ÆDEN. Ausgestattet mit einem KV2-Soundsystem – wie auch die zwei Dancefloors im ÆDEN und die zwei neuen im Chalet –, bedient der Club das audiophile Publikum. Wo sonst Kicks den Boden zum Vibrieren bringen und Hi-Hats kristallklar durch die Nacht klicken, herrscht Stille. „Den Floor machen wir gerade winterfest”, sagt Djaman, als wir vor der DJ-Booth ankommen. Schließlich sei der Open-Air-Dancefloor einfach zu charakteristisch für das ÆDEN, um ihn während der kalten Monate zu schließen. Um die Verbindung von der offenen Tanzfläche zum Gebäude zu schaffen, wolle die Crew demnächst einen Bassboden installieren, sodass der Floor die ganze Nacht bespielt werden kann.

Der ÆDEN Gartenfloor (Foto: Jan Goldmann)
Der Gartenfloor des ÆDEN (Foto: Jan Goldmann)

Neben dem Open-Air-Floor gelangen wir über kleine Wege zwischen Kies und Pflanzen in den Garten des ehemaligen Chalet. Dort hat ein kleiner Bier- und Weingarten seinen Platz gefunden, der abseits der Clubnächte öffnet. Zwischen all den Apfelbäumen und Backsteinmauern fühlt man sich wie aus der Stadt katapultiert. Eine kleine Holzhütte schmiegt sich mit einem Ofen ausgestattet an eine Mauer. „Hier kommen inzwischen viele Leute aus den umliegenden Büros für ein Bier, einen Wein oder eine hausgemachte Pizza nach der Arbeit vorbei”, so Djaman, denn: „Das ist vielleicht die zweitbeste Pizza in ganz Berlin – und definitiv die gesündeste.”

Gang zum ÆDEN Mainfloor (Foto: Jean Djaman)
Gang zum Mainfloor des ÆDEN (Foto: Jean Djaman)

Wie man es schafft, als Neuling in der Berliner Clublandschaft in so kurzer Zeit eine Bandbreite an Veranstaltungen ranzuholen, für die andere Clubs teilweise viele Jahre gebraucht haben, frage ich Djaman: „In der Konzeptionsphase haben wir uns die Frage gestellt, wie wir den Club zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentieren”, so Djaman. Das anfängliche Konzept eines Biergartens, so wie es viele andere Clubs zu dieser Zeit umsetzten, sei schnell ausgeschlossen gewesen: „Wir wollten nicht, dass Leute unseren Club zum ersten Mal sehen, ohne die Möglichkeit zu bekommen, das Gelände zu erkunden.”

Der Wintergarten im ÆDEN (Foto: Jan Goldmann)

Als Corona kam, stand aber auch das ÆDEN still. Erst ab dem Frühsommer 2021 konnte man den Club aufmachen – unter Auflagen, mit Masken, im Sitzen: „Das war ein Witz, schließlich sind wir ein Tanzclub”, sagt Djaman zwei Jahre danach. „Allerdings haben wir über Umwege eine Art Loophole gefunden: Veranstalteten wir keine Partys, sondern Kunstausstellungen, durften sich die Leute frei im Raum bewegen.”

„Alle hatten Bock, alle wollten endlich wieder spielen. So konnte der Club die Richtigen überzeugen.”

Aus dem engeren Bekanntenkreis heuerte die Crew um den jungen Club Künstler:innen an. Eine Ausstellung zwischen Multimedia, Fotografie und bildender Kunst entstand. Dazu traten Musiker:innen auf. „Damit haben wir gegenüber anderen Venues einen kleinen Vorsprung rausgeholt. Wir konnten Künstler:innen buchen, die normalerweise nicht in einem brandneuen Club spielen würden. Alle hatten Bock, alle wollten endlich wieder spielen. So konnte der Club die Richtigen überzeugen.”

Bar aus Glasbaustein im ÆVE (Foto: Sophie Christ)
Bar aus Glasbaustein im ÆVE (Foto: Sophie Christ)

Außerdem habe man im ÆDEN bald gemerkt, wie die Pandemie das Feierverhalten verändert hat. „Die Leute sehnten sich nach mehr Community, sie wollten da sein, wo alle anderen sind”, erzählt Djaman. Wichtig ist dem Club deshalb die Abwechslung aus Community-getriebenen Fremdveranstaltungen und einigen starken In-House-Partys – dafür stehen auch mal Namen wie Shed, Bjarki oder DJ Hell auf dem Line-up.

Aufbruch in Neues

Wer einen Blick auf den Veranstaltungskalender wirft, merkt schnell: Im ÆDEN dominieren dunkle, kantige Sounds: „Techno war für den Anfang einfach eine sichere Schiene. Nächstes Jahr wollen wir das ein wenig aufbrechen und ein etwas experimenteller werden.” Mehr House-Crews sollen im ÆDEN veranstalten, aber auch Jazz-Konzerte im Garten werden auf dem Programm stehen. Trotzdem solle es auch weiter spannende Techno-Nächte geben, versichert Djaman.

Corporate-Events und Partys für die queere Community sollen im neuen Chalet stattfinden (Jan Goldmann)

Das Summen und Brummen der Bauarbeiten wird lauter. Wir stehen nun wieder vor dem alten Chalet, das bald nicht mehr wiederzuerkennen sein wird. Nach der Renovierung sollen hier unter dem Venuenamen ÆVE vor allem kleinere Corporate-Events stattfinden. Außerdem sollen auch Produktions- und Ausstellungsflächen im Gebäude untergebracht werden. Ab und zu werden auch kleinere Clubnächte stattfinden: „Gerade queere Community-Events sehen wir dort”, sagt Djaman.

Neben der abgebrannten Ipse, dem lange geschlossenen Chalet und dem höchstens bei Touristen beliebten Birgit & Bier scheint das ÆDEN eine Renaissance für die Clubkultur auf der Lohmühleninsel einzuläuten.

Die beiden Locations sollen für den meisten Teil unabhängig voneinander Partys hosten. Ein- bis zweimal im Monat dürfe auch mal alles aufmachen, für besonders große Partys, mit vier Dancefloors, den Gärten, der Dachterrasse und allem zwischendrin. Das Programm hat Djaman bis zum Jahresende durchgeplant. „Im Januar machen wir dann vielleicht mal zwei Wochen zu, um uns, dem Personal und dem Club eine kleine Pause zu geben.”

Ein Apfelbaum im ŒL-Garten (Foto: Karl Leon Behr)
Ein Apfelbaum im Garten des ŒL (Foto: Karl Leon Behr)

Auf meinem Weg nach Hause verarbeite ich die Eindrücke auf dem Gelände des ÆDEN. Ähnlich wie die Stimmung auf der Baustelle kommt in mir ein Gefühl hoch: „Endlich passiert hier wieder mal etwas.” Neben der abgebrannten Ipse, dem lange geschlossenen Chalet und dem höchstens bei Tourist:innen beliebten Birgit & Bier scheint das ÆDEN eine Renaissance für die Clubkultur auf der Lohmühleninsel einzuläuten.

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