Foto: Maxime Ballesteros (meg10)
„Auf die Residents kann man sich verlassen, persönlich und inhaltlich. Sie kennen den Club, die Gäste, die Anlage, und sie sind ein Grundpfeiler der musikalischen Identität eines Clubs, also ebenso wichtig wie die Architektur, der Raumklang oder die Gestaltung“, sagte einst Nick Höppner in der Groove. Mit unserem monatlichen Resident Podcast wollen wir ihnen den gebührenden Respekt zukommen lassen.
Als im Jahr 2017 die erste Hoe__mies-Veranstaltung in Berlin stattfand, reagierte das Veranstalterinnen-Duo dahinter auf einen Mangel, der den meisten in der Szene wohl gar nicht einmal bewusst war – was eben auch ein Symptom des grundlegenden systemischen Problems war. Im erweiterten stilistischen Umfeld von Hip-Hop und internationalen, auf Berliner Floors nur selten gehörten Spielarten elektronischer Tanzmusik brachten meg10 und Lucia Luciano Frauen und queere Personen hinter die Decks und regten die DJs zugleich auch dazu an, in ihre Musikauswahl Fragen der Repräsentation und Teilhabe miteinzubeziehen.
Der Erfolg der Serie gab ihnen Recht: Hoe__mies entwickelte sich in kurzer Zeit zu einer verlässlichen Hausnummer für Partys, die einen Gegentwurf zu verhärteten sozialen und musikalischen Normen anboten. Das Prinzip wurde in verschiedenen Clubs angewandt und auch anderes änderte sich im Laufe der Zeit. Seit Ende 2019 und durch die Pandemie hinweg war von Hoe__mies allerdings wenig zu hören und Ende 2021 gab Lucia Luciano ihren Ausstieg aus dem Projekt bekannt. Kein Grund zur Aufgabe allerdings, sondern vielmehr Anstoß zur erneuten Bestandsaufnahme: meg10 macht weiter und feiert am 25. Mai im Berliner OXI den fünften Geburtstag von Hoe__mies. Schon davor bringt die vielseitige DJ gemeinsam mit Nasty King Kurl am 14. Mai im Sameheads in Neukölln eine andere Reihe an den Start, die sich an hip-hop-affine Electro-Heads richtet.
Es verwundert dann auch kaum, dass der Mix von meg10 für unseren Resident Podcast viele Interessen und Stile unter einem Dach vereint: hier cheeky Edits von Madonna und den Venga Boys, dort Deutschrap über einem House-Beat, dazwischen slammender Baile Funk und flatternde Breaks. Eine veritable Wundertüte.
Seinen Anfang nahm Hoe__mies im Jahr 2017 im Berliner Club Beate Uwe. Welche Erinnerungen hast du von diesen ersten Veranstaltungen mitgenommen?
Die lange Schlange inklusive Einlassstopp! Damit hätte ich nicht gerechnet. Vor allem auch, weil uns im Vorfeld von den Clubbesitzer*innen ans Herz gelegt wurde, wir sollen doch bitte Männer im Event involvieren – das würde sonst nicht laufen …
Mit der Programmierung der Partys habt ihr stets einen queerfeministischen Ansatz verfolgt. Worauf kam es euch neben diesem Fokus im Booking in musikalischer Hinsicht an?
Der Ansatz spiegelt sich zum Beispiel auch in den DJ-Sets wieder. Natürlich haben wir niemandem vorgeschrieben, was gespielt werden soll. Aber wir haben unseren DJs nahegelegt, dass auf 99% der Hip Hop Parties männliche Artists à la Drake, Migos und Travis Scott rauf- und runtergespielt werden. Diese dürfen auch bei Hoe__mies gespielt werden, aber im Fokus stehen soll die Musik weiblicher und queerer Artists, und einfach Mucke, zu der wir gerne tanzen. Denn wenn eins sich bewährt hat, dann, dass die Party lit ist, wenn die Ladys und Queers Spaß haben.
Ihr habt von Anfang an ein Awareness-Konzept verfolgt. Wie ist rückblickend dein Fazit: Was hat sich bewährt, welchen Herausforderungen musstet ihr euch stellen? Ist es beispielsweise möglich, bei einer zwischen verschiedenen Clubs und dementsprechend auch unterschiedlichen Laufpublika wechselnden Veranstaltungsreihe mit demselben Konzept ein grundlegendes Maß an Sicherheit für die Besucher*innen zu gewährleisten?
Das Awareness-Konzept inklusive Awareness-Team gab’s tatsächlich erst auf Wunsch der Gäst*innen ab der 3. Veranstaltung. Es war schon recht tricky, diesem Anspruch von Sicherheit gerecht zu werden. Ganz verhindern, dass Grenzen körperlich oder verbal überschritten werden, kann man leider nicht, und Vorfälle gab’s auch bei Hoe__mies schon. Aber es macht einen großen Unterschied, wenn meine Gäst*innen wissen, dass es ansprechbare, gebriefte Personen gibt, die ihnen helfen, zuhören und sie ernst nehmen, wenn Übergriffe passieren. Wie oft hat man als Frau vom Türsteher schon gehört: “Ich habe ja nicht gesehen, was passiert ist, also kann ich nicht einfach jemanden rauswerfen.” oder “Komm wieder, wenn’s noch mal passiert” – in der Regel kommt man dann halt lieber nicht wieder. Was auch zum Hoe__mies-Inventar gehört, ist ein*e Selekteur*in, die auch bei wechselnden Locations darauf achtet, dass das Publikum weiß, worauf wir bei unserer Veranstaltung Wert legen und unser Stammpublikum schon kennt. So ist man nicht auf die Willkür der Sicherheitsfirmen angewiesen, mit denen der Club zusammenarbeitet. Selekteur*in, Türpersonal und Awareness-Team arbeiten bei unserer Clubnacht Hand in Hand für einen möglichst gelungenen Abend.
Im Dezember letzten Jahres kündigte Mitbegründerin Lucia Luciano ihren Ausstieg aus Hoe__mies an, seitdem gab es keine Veranstaltungen unter diesem Namen. Welches Konzept wirst du in Zukunft mit Hoe__mies verfolgen?
Die letzte offizielle Hoe__mies-Party fand im Jahr 2019 statt, seitdem gab es nur noch Showcases von uns als DJ Duo. Mit Lucias Ausstieg möchte ich den Fokus vom DJ-Duo weglenken, das irgendwann den Anfang von Hoe__mies als Eventreihe überschattet hat. Ich habe Bock, wieder back to the roots zu gehen und regelmäßiger zu veranstalten. Aber es sind auch Events zum Beispiel im Bereich Fashion, Networking Dinners und Kollaborationen mit anderen Kollektiven und Institutionen in Planung.
Am 25. Mai feierst du den fünften Geburtstag von Hoe__mies im OXI Garten in Berlin. Was können wir von der Jubiläumsausgabe, die zugleich einen Neuanfang darstellt, erwarten?
Der fünfte Geburtstag wird ein nices Showcase auf zwei Floors in Zusammenarbeit mit dem OXI. Ich habe mir Verstärkung vom QTIBIPOC-Kollektiv FILTH aus Neuseeland geholt, was ich schon lange aus der Ferne bewundere. Half.Queen, eine meiner Lieblings-DJs, wird ein Set spielen und Rapperin JessB vom Kollektiv wird live performen. Außerdem hat die Pandemie freshe DJs hervorgebracht, die die Hoe__mies-Crowd lieben wird, darunter ABIBA von Femmebassmafia und Nas Tea, die unter anderem auch Tour-DJ von Ebow ist. Außerdem ist das Berlin Strippers Collective mit am Start für nice Showeinlagen an der Pole.
Seit Beginn der Veranstaltungen wurdet ihr vor allem mit Hip-Hop in Verbindung gebracht, eure Sets im Duo beziehungsweise auch deine Arbeit als Solo-DJ gestalteten sich stilistisch allerdings viel offener. Gab es jemals Kriterien dafür, wie eure gemeinsamen oder Solo-Sets im Kontext zu Hoe__mies zu klingen hatten – Parameter für einen Sound, der euch als DJs repräsentiert?
Hoe__mies wurde aus dem Need heraus gegründet, eine Hip-Hop-Party zu starten, die die männliche Dominanz in der Szene aufbricht. Daher lag der Fokus anfangs auf Hip Hop und R’n’B. Aber auch andere Genres wie Dancehall, Afrobeats, Reggaeton oder Baile Funk, die in ihren Ursprungsländern ähnlich gehandelt werden wie Hip Hop und auch eine Gender Gap aufweisen, sind charakteristisch für den Hoe__mies-Sound. Wir haben unsere Crowd soundtechnisch schon stark mit diesen Genres geprägt und die elektronischen Sounds, die im Laufe der Pandemie vor allem durch die Twitch-Streams mehr und mehr Teil davon wurden, waren anfangs noch ein wenig gewöhnungsbedürftig für manche unserer Gäst*innen. Am Ende des Tages ist man als DJ aber auch Künstler*in und will sich ausprobieren. Lucia hatte schon immer ein Faible für Techno und ich konnte dem anfangs weniger abgewinnen. Mittlerweile feiere ich sogar – in Maßen (lacht) – Techno, House und Breakbeat – LOVE! Gerade Genres wie Ghettotech und Ghettohouse, die momentan wieder populärer werden, vereinen harte, tanzbare Beats mit Rap-Vocals, was genau mein Ding ist. Ich suche auch immer gerne nach References von Sounds aus meiner Kindheit und Jugend, darum hört man in meinen Sets oft juicy Bootlegs und Edits.
Für die Aufnahme deiner eigenen Mixe bereitest du dich laut eigenen Angaben intensiv vor. Wie verhält es sich mit Sets im Club – worauf legst du bei der Vorbereitung Wert und wie gestaltet sie sich?
Für den Club bereite ich meistens ein Crate mit einer bunten Mischung von etwa hundert Tracks vor und reagiere auf meinen Vibe an dem Tag und auf die Crowd. Oft lege ich mir die ersten 15 Minuten zurecht – die kritischen Anfangsminuten, in denen man schon mal nervös werden kann. Danach mag ich es aber, flexibel zu sein, mit den Leuten zu tanzen, zu lipsyncen und – wenn genug Crémant geflossen ist – auch mal das Mic in die Hand zu nehmen.
Was war die Idee hinter deinem Beitrag für unseren Resident-Podcast?
Ich habe in letzter Zeit bei meinen Odysseen durch Bandcamp richtig nice Gems gefunden, zur Abwechslung sogar mal ravige und Acid-mäßige Edits von Deutschrap-Songs. Davon gibt’s noch viel zu wenige, finde ich. Sowas ist drin und ansonsten liebe ich es einfach, freshe Blends zu kreieren. Ich bin ganz typisch Schütze und liebe meine Freiheiten – daher meine Commitment Issues, was Genres betrifft. Mein Kumpel Nasty King Kurl hat’s auf den Punkt gebracht, als wir einen Namen für unsere neue gemeinsame Party im Sameheads gesucht haben: Wir machen Electro für Leute, die Hip-Hop mögen. Und wem der Mix gefällt, kann gerne am 14. Mai im Sameheads vorbeischauen, wenn Nasty – der auch im Mix zu hören ist – und ich den Abend schmeißen.
Last but not least: Was sind deine Pläne für die Zukunft, sowohl mit Hoe__mies als auch persönlich?
Dass Hoe__mies kein Duo mehr ist, sondern von mir allein weitergeführt wird, war schon eine Umstellung und ich brauchte ein paar Monate Zeit, um diese Trennung zu verarbeiten und herauszufinden, was ich eigentlich will. Es ist für mich total schön zu sehen, dass zwei Jahre Pandemie das Interesse und die Nachfrage nach Hoe__mies nicht gemindert haben. Daran will ich anknüpfen mit Club-Nights und Festival-Auftritten und das Projekt weiter pushen, auch in neue Sphären. Ich hatte schon immer Spaß an Mode und Styling, was man bei meinen Gigs unschwer erkennen kann. Hinzu kommt, dass ich eine Krypto- und Metaverse-Enthusiastin bin – da lag es für mich nahe, diese Welten miteinander zu vereinen. Momentan bin ich im Aufbau meines eigenen digitalen Modelabels. Die Teile können dann zum Beispiel von Avataren im Metaverse getragen und als NFT erworben werden. Außerdem kann man hoffentlich bald neben meinen DJ-Gigs im Club auch zu meinen Sets im Metaverse feiern – alles noch ziemliches Neuland für mich und vermutlich die meisten anderen auch. Aber es gibt super spannende Entwicklungen, beschleunigt durch die Pandemie, und ich möchte auf jeden Fall Teil davon sein und meine Community durch Events und Bildung rund um das Thema Metaverse auf diesem Weg mitnehmen. Last but not least agiere ich auch nach Ende unseres Podcasts Realitäter*innen weiterhin als Moderatorin für verschiedene Events und Formate wie zum Beispiel Femtastic mit Amazon Music, bei dem weiblichen Rap-Artists eine Plattform gegeben wird. Und bald könnt ihr euch auch auf ein neues Passion-Project in Form eines Podcasts freuen, vor allem wenn ihr so wie ich Fans von Drag seid!
Stream: meg10 – Groove Resident Podcast 29
01. DCHM & MALUGI – Sonnenbank Raver
02. MAC Address – TRINA
03. Opti Mane – Smokin’ On The Dro (M. Ruffing Club Edit)
04. Pouch Envy – If Madonna Calls
05. Madonna – Vogue (TBM Acid Pulse Edit)
06. Byrell The Great – The Ha Dance RMX 13’
07. Megan Thee Stallion – Thot (Baile Funk Remix)
08. Mina – We Like 2 Party
09. Mason Collective – Spend Some Time (Mason Edit)
10. Arma – Stomping in Ramones
11. OSSX – INTERNET CAFE
12. Yarn Init – San City
13. dj loveshy – I’m High As Hell (I Only Took Half A Pill)
14. benuebermensch – In Meinem Block – (DJ Yarak Hayat Remix)
15. 11Schnull – Alles Fickt Kopf
16. Erykah Badu – Call You Back (Nora Zion Edit)
17. Nasty King Kurl – Only For Me
18. Wachita China – YOU RE SO S3XY ED1T
19. Bielefeld Murder Boys – On Fire
20. Franck – Get Down
21. Young Lychee – Move Back
22. DJ Heartstring – Sweet Dreams
23. SAME O – Pick Ur Side
24. Anna Morgan – Grace (A.Fruit Remix)
25. Aleroj – Plz Answur My Messagez
26. Krush Juke – Angie Rhodes
27. Tinashe – Shy Guy