Belia Winnewisser – Mother Earth Took Poison In Her Soil (Die Orakel)

Belia Winnewisser – Mother Earth Took Poison In Her Soil

Gäbe es nichts weiter als Krieg und Klimakrise, wäre die Welt schon genug gebeutelt. Doch da sind ja noch ein paar andere Dinge. Gift in den Böden zum Beispiel. Auf dem Label Die Orakel, dessen Clubmusikansatz stets so gewählt ist, dass die resultierenden Platten im Prinzip auch Aliens gefallen könnten, hat die schweizer Künstlerin Belia Winnewisser dem Thema der toxischen Erde jetzt eine Suite aus melodischen oder flächigen Trance-Nummern und frei pulsierenden Interludien gewidmet. Auf weniger als 20 Minuten schlägt sie dabei einen Bogen, der die ganze Sache trotz des wenig harmonischen Gegenstands in sich rund wirken lässt. Am Ende gibt es mit rollenden Breakbeats sogar so etwas wie tönenden Optimismus. Tim Caspar Boehme

Black Merlin – Surface Air (Malka Tuti)

Black Merlin – Surface Air (Malka Tuti)

Diese Musik hat eindeutig etwas mit Trance zu tun, aber nicht in erster Linie mit der Stilrichtung, die sich im elektronischen Clubkontext seit den frühen Neunzigern etabliert hat, sondern eher im älteren Wortsinn, in dem das Wort noch französisch ausgesprochen wurde und einen Bewusstseinszustand beschrieb.

Der Titel des zweiten Tracks nimmt darauf explizit Bezug: „The Mohican Trance Leopard” ist ähnlich langsam wie der vorhergehende Titeltrack, dennoch getragen von einer durchgehenden Bassdrum und eingebettet in eine Soundlandschaft aus synthetischen Klängen, die auf Achtziger(-Dark-)-Wave genauso verweist wie auf frühere elektronische Musik aus der Tangerine-Dream-Schule. Und gleichzeitig klangbildhaft auf weit entfernt liegende Welten und Zeiten, denn diese Songs schreien geradezu nach dem Einsatz in filmischer Science-Fiction und symbolisieren Retrofuturismus im allerbesten Sinne.Oder, eine Nummer kleiner: Hier kommt der perfekte Soundtrack für Kopfkino-Nächte, für das Versinken in wahlweise Literatur, Liebe oder diversen Elixieren – und das Vergessen des Drumherums. Wata Igarashis fast zehnminütiger Remix ist dann klassischer und sehr gelungener Ambient, und wer davon nicht genug kriegen kann, muss sich den digitalen Bonustrack besorgen, der ebenfalls aus Igarashis Studio stammt und mehr Betonung auf Reibung und Puls legt. Mathias Schaffhäuser

Efdemin – Mono (Counterchange)

Ed Davenports Label zelebriert sein 25. Releasejubiläum mit einer EP von Philip Sollmann, besser bekannt als Efdemin. Der Titeltrack wird von Counterchange als einer von zwei „organischen Tracks” beschrieben, was eher irreführend ist, erwartet man bei diesem Adjektiv doch eher Produktionen mit echten Instrumenten oder zumindest mit an diese erinnernden Sounds. Genau das Gegenteil ist der Fall: „Mono” ist ein Track, der das Prädikat Techno zutiefst verdient hat, weil er wunderbar synthetisch klingt – und sich gleichzeitig auch bewusst ist, dass dieses Prädikat eine Auszeichnung ist.

„Subconscious Dub” ist dann eine Fingerübung in Dub Techno auf forciertem Tempo mit smoothem Flächensound, die zwar nicht an den Titeltrack heranreicht, sich aber trotzdem auf hohem DJ-Food-Niveau bewegt. Diese beiden Originale von Efdemin rahmen wiederum zwei Remixe des Tracks „Sequence 100” ein, dessen ursprüngliche Version 2020 auf der Counterchange-Compilation Stream State erschien.

Auf diesem vier Vinyl-EPs umfassenden Release waren seinerzeit schon DJ Skull und Johanna Knutsson mit dabei, hier nun übernehmen sie die Remix-Jobs. Ersterer lässt sich fast eine Minute Zeit, bis er dem Track eine Bassdrum spendiert. Und die ist unerwartet deftig, gemessen an dem ambienten, langen Intro, verwandelt das Stück in einen kompromisslosen, technoid-spacigen Chicago-House-Stomper.Knutsson wählt wie zu erwarten einen komplett anderen Umgang mit dem Ausgangsmaterial, bei ihr bleibt die ebenfalls am Anfang des Remixes kreierte Ambient-Stimmung bis zum Ende erhalten, aber es pulsiert gleichzeitig beständig unter der Oberfläche, als würden unterdrückte Kräfte um ein Hervorbrechen ringen, was dem Stück eine anhaltende, tolle Spannung gibt. Mathias Schaffhäuser

Hassan Ideddir – Atfalouna (Dark Entries)

Hassan Ideddir – Atfalouna (Dark Entries)

Hätte man nicht die Information, dass es sich hier um ein Reissue handelt, könnte man fast denken, dass sich da jemand den wieder so beliebten digitalen Sample-Sound der späten Achtziger angeeignet hat. Der marokkanische Sänger Hassan Ideddir nahm seine Single Atfalouna jedoch schon 1989 in Paris auf.

Ein hart-artifizieller Beat, ein Bass, der dem in Nichts nachsteht, ein Rap-Chor arabischer Frauenstimmen, dazu Ideddirs verzierungsreicher Gesang, im Hintergrund synthetische Orchesterklänge. Für alle, denen das eventuell eine Spur zu dick aufgetragen ist, gibt es die instrumentale Version mit Rap, aber ohne die Stimme von Ideddir. Für den Club vielleicht sogar die erste Wahl. Mit „Ibini” folgt eine weitere Instrumentalnummer, über Beat und Bass fast nur ein paar dezent verhangene Akkorde, die fabelhaft für melancholische Stimmungen auf der Tanzfläche taugen. „Ydouchababe” fährt dann noch einmal funky Bläsersätze und Gitarren auf, als schöner Kontrast zu Ideddirs ausladenden Melodien. Tim Caspar Boehme

VA – SPND20X02 (Spandau20)

VA – SPND20X02 (Spandau20)

In den vergangenen Jahren hat Poly Kicks mit Locked-Groove-Veröffentlichungen von Beatrice Dillon und Joy Orbison gezeigt, dass Endlosrillen nicht zwangsläufig nur waghalsige DJs ansprechen müssen, sondern eine eigene künstlerische Ausdrucksform darstellen.

Auf SPND20X02 präsentiert Spandau20 die musikalische Vielfalt aller zehn Labelmitglieder, die mit ihren Beiträgen von Tribal-Techno-Partytools bis hin zu luftig-kreativen Ambientstücken in ganz verschiedenen Kontexten gehört und gespielt werden können.

Besonders J.Manuel, Anna Z, Elli Acula und Claus Schöning liefern dabei kreative Beiträge, die in DJ Sets für Hingucker-Übergänge sorgen könnten und sich dazu anbieten, andere Tracks im Mix rhythmisch aufzubrechen. Fadi Mohem unterstreicht mit vier Locked Grooves, dass im Dub Techno die hohe Kunst darin liegt, dass Loops auch nach der hundertsten Umdrehung nicht langweilig werden. NIKK sorgt mit seinen Power-House-Brettern dafür, dass kreativen DJs für die Peaktime die nötige Würze im Mix nicht fehlt, während Rifts und FJAAK sich zwischen den Genres bewegen und gleich mehrere Facetten bedienen.

Mit SPND20X02 hat das junge Label eine Sammlung zusammengestellt, die DJs in so ziemlich jeder Situation ein geeignetes Tool an die Hand gibt. Besonders solche, für die EQing kein Fremdwort ist, können hier ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Ruben Drückler

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