Foto: Presse (a.b.u.303)
Bis vor Kurzem hatte wohl kaum jemand den Namen a.b.u.303 jemals gehört, doch hinterließ die Debüt-EP des Kölner Produzenten sogleich einen bleibenden Eindruck. Anatolism erschien Ende September als erste Katalognummer auf dem neuen Label von Marie Montexier, Paryìa. Über sechs Track hinweg lässt Jonathan Sümer darauf klassische Rave-Tropen auf Elemente anatolischer Volksmusik treffen – Anadolu Acid? Warum auch nicht, die Mischung schließlich geht auf. Der Mix von a.b.u.303 für unseren Groove Podcast widmet sich einem ähnlichen Gedanken – Underground Resistance steigen in den „Bagdad Express”, Emmanuel Top schaut auf dem “Turkish Bazaar” vorbei und zwischendurch bringen Jungspunde wie Anunaka & DJ Plead die Hardware zum Glühen.
Auf deiner Debüt-EP Anatolism verblendest du elektronische Musik den Klängen anatolischer Volksmusik, mit der aufgewachsen bist. Wie sah deine musikalische Frühsozialisation genau aus und wie bist du zur elektronischen Musik gekommen?
Durch den Einfluss meiner väterlichen Linie wurde ich schon von Geburt an durch die türkische Kultur geprägt. Zwar hat sich mein Vater im Laufe seines Lebens zum Westmenschen gewandelt, dennoch ist die östliche Kultur auf mich übergetreten, zu der ich bis heute eine innere Verbundenheit spüre. Durch die Vinylsammlung meines Vaters hatte ich schon immer ein recht aufgeschlossenes Interesse an neuen Entdeckungen und Erfahrungen innerhalb der Musikwelt. Mit Labels wie Sky Records, Brain, Big Life oder Warp bis hin zu türkischen Volksliedern meiner Großeltern war ich schon früh in meiner Kindheit vertraut. Erste Berührungspunkte mit Rave-Kultur hatte ich mit 17 Jahren im Gebäude 9 und Underground Cologne. Mit der Zeit wuchs auch das Bedürfnis, verschiedene Szenen in Europas Großstädten kennenzulernen, wie in Berlin, Frankfurt, Paris oderAmsterdam Besonders einmalig fand ich die elektronische Musikkultur Düsseldorfs, für die repräsentativ ihr Salon des Amateurs bekannt ist.
Wann und warum hast du angefangen, selbst Musik zu machen?
Im Jahr 2017 schaute ich mir aus Langeweile Tutorials für FL Studio und Ableton Live an und lud mir die Demos für die Software runter. Dabei merkte ich, dass der Workflow und das Prinzip hinter einer DAW recht einfach zu verstehen ist. Durch meinen Fortschritt auf theoretischer Ebene wuchs auch im Laufe der Zeit eine kleine Menge an Hardware heran.
Der Titel der EP lässt sich auf verschiedene Arten interpretieren. Was verstehst du unter diesem Begriff?
Anatolien, ein Begriff der heute wohl kaum noch das umfassen kann, was er vor langer Zeit mal bedeutete. Vor hunderten von Jahren stand diese Bezeichnung für das Gebiet, welches sich vom Schwarzen Meer bis an den Euphrat erstreckte. Das Wort “Anatolism” lässt sich nicht wirklich ins Deutsche übersetzen, es handelt sich um ein frei erfundenes Kunstwort. Trotzdem spielt es mit einer möglichen Übersetzung, der türkischem Bezeichnung Anadoluculuk, welches den Rezipient*innen eine freie Interpretation überlässt. In meiner eigenen kreativen Imagination beziehe ich mich mit meiner Wortschöpfung und ihrer Bildsprache besonders auf die alte anatolische Welt, die über mehrere Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückreicht.
Schon mit deinem Pseudonym zollst du der Acid-Kultur Tribut und auch auf Anatolism kommt die 303 zum Einsatz. Was reizt dich daran, gerade diesen Sound mit Elementen anatolischer Volksmusik zu kombinieren?
Für mich gilt Acid symbolisch als maßgebend für die Entstehung elektronischer Genres wie Techno, Electro und Trance. Die weirde Stimmung, die Acid erzeugen kann, erinnert manchmal an Folk-Instrumente aus den östlichen Regionen unserer Welt. Der 303-Sound ist aber auch extrem anpassungsfähig und funktioniert in Verbindung mit den meisten elektronischen Genres sehr gut, allerdings suggeriert er auch immer die Verbindung zur Entstehung von Rave- und Clubkultur der neunziger Jahre. Für mich bot sich die 303 optimal für die Stilmischung der kultischen Musikarten an.
Was war die Idee hinter deinem Mix für den Groove Podcast?
Die Neunziger, die 303 als Leitfaden – mehr will ich nicht verraten.
Du scheinst zumindest unter dem Namen a.b.u.303 zuvor noch nicht wirklich als DJ in Erscheinung getreten zu sein. Welche Rolle spielt das Auflegen in deiner Arbeit als Produzent?
Das Auflegen als Produzent hat natürlich immer zwei Vorteile. Einerseits fördert es den Skill, Storytelling zu perfektionieren und auf der anderen Seite durch verschiedene Transitions wieder neue kreative Möglichkeiten, auch für seine eigenen Produktionen zu erkennen.
Last but not least: Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Primär möchte ich meine unterschiedlichen Soloprojekte sowie vor allem meine kooperativen Projekte abschließen. Sekundär gilt es auch weiter zu experimentieren und neue Möglichkeiten mit Hilfe von neuer Hardware zu erfahren.
Stream: a.b.u.303 – Groove Podcast 313
01. Culture Clash – Mama Africa
02. Muslimgauze – Salaam Alekum
03. Sultan – Yenilik, Pt. 2
04. Philus – Ionit
05. Anunaka & DJ Plead – Haze
06. Plastikman – Naturalistic
07. Farrago – No Jutsu
08. Rasputin – Unreleased
09. The Putney – Putney Dust
10. Kirlian – Exit PG
11. Air Liquide – Ek Stasis
12. Emmanuel Top – Turkish Bazar
13. Akilah Bryant – Untitled 4
14. Magnetfique – Monocym
15. Humpback – Sawdust Caesar
16. Technova – Tantrum (Innersphere Remix)
17. Aux88 – Alias
18. U.R. – Baghdad Express
19. Aural – Cydrone
20. Atom – Head Dance
21. The Antidote – Kicking Test
22. DJ Slip – Planet Of Drums 06
23. Williams & Clayden – Stone Groove
24. Mundo Muzique – Azimuth