Anastasia Kristensen – Dekmantel Podcast 346 (Dekmantel)
Ein Umzug nach Dänemark Mitte der 2000er Jahre weckte in der russischen DJ Anastasia Kristensen die Entschlossenheit, Konformität zu vermeiden und ihren eigenen Weg zu gehen. Jede neue Begegnung mit Ghettotech aus Detroit, UK Bleep, deutschem Techno sowie holländischem Electro erweiterten fortan Kristensens Geschmack für Dancefloor-Bomben. Neben Ausgabe für Resident Advisors Mix-Serie, zwei Boiler-Room-Shows und einer Live-Performance für das Berghain in der Eröffnungsnacht des CTM Festivals hatte die Künstlerin wiederholte Buchungen in Clubs wie dem Bassiani und Blitz, eine Teilnahme an Afterlife- und Awakenings-Events sowie einen Auftritt als DJ Mag-Coverstar.
In ihrem neuesten Mix für den Dekmantel Podcast ist von zügelloser Euphorie bis hin zu melancholisch eingefärbten Techno für jede Stimmung etwas dabei. Die Künstlerin steigt mit Jungle-artigen Beats ein, die in forwärtstreibenden Breakbeat übergehen und in basslastigem Techno münden. Sie mischt Old-School-Breaks und Bleeps, bindet Popsongs wie Billie Eilishs „Oxytocin” mit ein und ravet dann auf einer Welle von Elektro davon. In ihrem Mix pulsiert eine nuancierte Auswahl an Sounds, die sich in ihrer Intensität immer wieder selbst übertreffen. Franziska Nistler
Dirty Bird – 8/08 Mix
Alston Watson alias Dirty Bird (nicht zu verwechseln mit Dirtybird Records) veröffentlichte dieses Jahr bereits fünf Alben und drei EPs. Es mag verwundern, dass selbst die nächste Veröffentlichung, der Jungle-Mix vom 8. August, ebenso gehaltvoll und unterhaltsam ist. Aber andererseits auch nicht. Denn eigentlich macht er nie etwas nicht richtig. Mit NU24IT4J hat er bereits eins der Alben des Jahres vorgelegt, mit dem selbstbetitelten Dirty Bird gleich ein zweites hinterher. Gaststar: Hip-Hop-Größe MIKE. Überhaupt: Dirty Bird ist firm in instrumentalem Hip Hop, mäandert er doch irgendwo zwischen dem und Downtempo, aber auch Deep House und Outsider House herum. Für den „8/08-Mix” hat er sich tief in die Tiefen des deepen Jungle begeben und eine äußerst atmosphärische, gefühlvolle Mixtur gezaubert. Von Beginn an zwielichtig und herzlich zugleich – Jazz Juice machen den Anfang, Jazz Cartels „Blue Haze” ist einer der Höhepunkte, und überhaupt taucht das Saxophon immer wieder auf – auch auf Blu Mar Tens „Slipstream”, mit dem der Mix abschließt. Spannende Atmosphäre ist der Clou der Geschichte. DJ Phantasys „Atmosphere (Alex Reece Remix)” und DJ Crystl boosten derartige Vibes mit Vollspeed in die richtige Richtung. Lutz Vössing
Dream_E – IA MIX 351 (Inverted Audio)
Mai, Juni, Juli, August, September – normalerweise Monate für mitgeschnittene Festival- oder Open-Air-Mixe, weniger für introvertierte Podcasts aus der Ambient-Konserve. Sets, die auf dem Dancefloor stattfanden, ohne dass man sie live miterlebt hätte, funktionieren durch Kopfhörer aber in der Regel nur bedingt. Bei Dream_Es motivierendem Hitfeuerwerk, das er auf einem Rave in den Wäldern um Berlin abbrannte, verhält sich das glücklicherweise anders. Nicht nur auf musikalischer Ebene bescheren die zwei Stunden des Schotten an den Decks, der früher als The Burrell Connection produzierte, Glück, Zander Hays schnell und überaus angenehm gemixte Auswahl entlockt dem Publikum Freudenschreie am laufenden Band, auch Gesprächsfetzen sind immer wieder zu hören: „You got an ashtray?”, erkundigt man sich umweltbewusst.
Die immer wieder aufbrandende Euphorie kommt nicht von ungefähr: Früh im Mix taucht Mike Huckaby auf, kurz darauf DJ Sprinkles’ Bombe „Grand Central (Part I)”. Octave One, Testes „The Wipe” in der „5-AM-Synaptic”-Version, Dave Clarke, James Ruskin, unveröffentlichtes Material von Hay selbst und etliche weitere Spaßgaranten reihen sich aneinander, ohne in eine Tour de Force eines Feten-DJs zu münden. Hört sich zu normal an, um wahr zu sein, man wäre gern dabei gewesen. Maximilian Fritz
Nigm – Page 67 (The Memoir)
The Memoir ist eine autobiografische Podcast-Serie, die vom schwedischen Deep-Techno-Label Hypnus Records ins Leben gerufen wurde. Autobiografisch deshalb, weil die verschiedenen Künstler*innen ihre Mixe nur aus eigenen Werken zusammenbasteln dürfen. Inspiriert von den Veröffentlichungen auf Hypnus, bekommen regelmäßig zu jedem Neumond Musiker*innen die Chance, ihre Geschichte zu erzählen.
Seite 67 füllt der französische Produzent, DJ und Mitglied des Kollektivs La Forge Nigm mit einem extravaganten Mix aus psychedelischem Downbeat-Techno, Ambient und IDM. Seine Geschichte beginnt mit einem melodischen Intro aus epischen Flächen und macht sofort klar, in welche Richtung er führen will. Die Stimmung wird von Stück zu Stück intensiviert und zieht sich über sanfte Breakbeats hin zu dunklen, loopigen Grooves. Die Schläge werden immer schneller, und gegen Ende gewinnt der Mix nochmal richtig an Energie, bevor er sich langsam in eine vergangene, verzerrte Erinnerung auflöst. Von Anfang bis zum Ende – Ein Hörerlebnis, das sich zweifellos als musikalische Autobiografie betiteln darf. Simon Geiger
Ninye Bun – 5th August 2021 (Operator Radio)
Ninye Bun ist nicht unbedingt als Verkaufsleiter der Bordello-A-Parigi-Bar in Amsterdam bekannt. Aber als Mitglied der Ohana-Hana-Crew hat er schon interessante Sets, unter anderem für Red Light Radio, zusammengestellt. Im Laufe der Jahre sammelte er alle möglichen Musikrichtungen. Jetzt konzentriert er sich auf seinen eigens erfundenen „Aktie House”. Dabei geht es um den subtilen Groove, der nie aufhört. Wie ein langes und intensives Workout – diesmal für das Operator Radio.
Zu Beginn ist noch alles morgendlich entspannt und sanft, bis dann Schritt für Schritt der Rhythmus mitschwingt. Man kann nur schwer einen Höhepunkt ausmachen, weil die verschiedensten Elemente nur so rein- und rausgaloppieren. In Genre-Schubladen zu denken, ist bei diesem Mix nicht möglich. Bun kombiniert Samples vom tiefen Einatmen oder Kuhglocken mit Pads und rauen Bässen. Trip-Hop-Sänger mit gebrochenen Beats und frechen Claps. Bei diesem einstündigen Gehirn-Jogging braucht man einen langen Atmen, denn Stillstand ist kaum möglich. Giovanna Latzke