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Track by Track: Opus III – „It’s A Fine Day”

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Unsere Szene lebt von den Tracks, die Nacht für Nacht und Tag für Tag gespielt werden. In der Rubrik Track by Track wollen wir den wichtigsten von ihnen die Wertschätzung entgegenbringen, die sie verdient haben – durch Interviews, Analysen, persönliche Erinnerungen. Ob sie unsere Szene maßgeblich prägten, grundlegende musikalische Veränderungen einläuteten oder sich mit Nachdruck ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben haben: Wir rollen Rave-Geschichte auf – Stück für Stück, Track by Track.

In dieser Ausgabe behandeln wir einen Track, der sich in diversen Erscheinungsformen in der Musikgeschichte verewigte. Zu maximalem Bekanntheitsgrad brachte es „It’s Fine Day” zweifelsohne in der Version von Opus III, die mit den zeitlosen Vocals von Kirsty Hawkshaw und einem euphorischen House-Beat in den frühen Neunzigern eine ganze Raver*innen-Generation prägte und ihre Nachkommen mit seinen diversen Ausformungen noch heute nicht loslässt. Für unser Feature haben wir die Geschichte von „It’s A Fine Day” inklusive Umdeutungen, großem Kater, Taschentuchwerbung und Kylie Minogue nacherzählt.

Zweckentfremdung, liebevoll auch Rekontextualisierung genannt, ist definitiv eine der wichtigsten Stützen elektronischer Musik. Beweise gibt es etliche: Samples aus der Popkultur, etwa aus Videospielen oder Filmen, das Einstreuen von Versatzstücken aus politischen Reden oder gleich eine ganzheitliche Umdeutung von Songs in clubkulturelle Sphären. Ein prominentes Beispiel für letztere Praxis ist „It’s A Fine Day”, das dem Quartett Opus III 1992 einen Welterfolg bescherte.

Ursprünglich war von der Rave-Atmosphäre, mit der der Track heute hauptsächlich verbunden wird, überhaupt nichts zu spüren. „It’s A Fine Day” erschien 1983 als denkbar krasseste Antipode zur hedonistischen Spaßmusik. Einen Beat gab es nicht, nicht mal Musik, zumindest nicht im funktionalen Verständnis von Clubgänger*innen: Jane Lancasters, kurz: Janes Version, die von ihrem Freund Edward Barton, der seinerseits immer wieder an britische Rave-Kultur andockte, geschrieben wurde, zeichneten eine mitunter ins Unheimliche kippende Melancholie, der glockenklare Gesang der Interpretin und eine windverwehte Ambient-Kulisse aus.

Beim originalen „It’s A Fine Day” ging es nur peripher um popmusikalische Unterhaltung. Die Lyrics und der gesetzte Ton waren ernst, Mutter und Sohn erfreuen sich zwar zaghaft an einem der seltenen Spaziergänge durch die Natur, die Sängerin betrauert aber indirekt den Verlust ihres Ehemannes und Vaters ihres Kindes, der – so legen die ästhetische Kargheit des Videos und die niedrige Schwelle zur Empfindung von Glück der Protagonist*innen nahe – wohl im Krieg gefallen ist.

Ian Munro, Kevin Dodds, Nigel Walton und Kirsty Hawkshaw drehten den Track 1992 semantisch einmal auf links. Der schöne Tag erschöpfte sich fortan nicht mehr im freiheitlichen Schlendern im Sonnenschein außerhalb des Eigenheims, Ekstase und Ecstasy waren nun Garanten und Bedingung des Glücksgefühls. Die Opus-III-Version von „It’s A Fine Day” erschien Anfang des Jahres, in etwa zeitgleich mit der von A Guy Called Gerald. Das Quartett setzte dabei auf eine Sound-Palette zwischen New Age und House, einen relativ fixen Beat und natürlich Hawkshaws helle, makellose Stimme, die Janes Sangeskunst in nichts nachstand.

Mit dem Original assoziierte das für die Musik zuständige Trio aus Munro, Dodds und Walton, das im Rahmen dieses Artikels immerhin einem schriftlichen Interview zustimmte, vor allem „Klarheit. Es ist atmosphärisch und hat eine pure englische Stimmfarbe.” Um das Sample aus dem ursprünglichen Track nicht lizenzieren zu müssen, entschieden sich die Drei, es einfach neu aufzunehmen. Dafür fehlte allerdings eine Vokalistin, die sie in Kirsty Hawkshaw fanden. Der Pressetext zur Veröffentlichung tischte den Mythos auf, die Drei hätten sie zufällig beim Singen in ihrem Garten aufgenommen, während sie eigentlich Vogelgezwitscher auf Tape bannen wollten.

Tatsächlich lernte man sich durch einen gemeinsamen Freund kennen, der für Hawkshaw ein paar Tracks hätte produzieren sollen. Der hatte keine Zeit, deswegen gingen Munro, Dodds und Walton 1989 erstmals mit ihr ins Studio, Opus III kam in seiner erfolgversprechendsten Konstellation zusammen. Getroffen hatte man sich auf einem der sagenumwobenen Spiral-Tribe-Raves in den britischen Wäldern, die Munro, Dodds und Walton mitorganisierten. Schon zuvor unternahmen die drei Jungs erste musikalische Gehversuche und veröffentlichten 1988 etwa als A.S.K. die Acid-lastige Single Kiss and Tell auf Capitol Records.

Mit Kirsty Hawkshaw schlugen Opus III dann eine ätherische Richtung ein, setzten auf ihren Alben Mind Fruit und Guru Mother, die 1992 und 1994 erschienen, auf melodischen House und Ambient-Passagen. Mind Fruit eröffnet mit „It’s A Fine Day”, was wirkt wie ein Statement. Der New-Age-Einfluss Hawkshaws ist nicht zu leugnen, obgleich ein spiritueller Nährboden schon zuvor gegeben schien. Die Sängerin, die bis heute das dominierende Gesicht von Opus III bleiben sollte, macht 1992 im Gespräch mit Jonathan Ross jedenfalls keinen Hehl aus ihrer alternativ-esoterische Prägung, die sich im behänden Umgang mit Qigongkugeln und ihrer nonkonformen äußeren Erscheinung manifestierte.

Zum Zeitpunkt dieses Interviews rangierte „It’s A Fine Day” auf Platz fünf der englischen Charts, die Dance Charts in den USA, Europa und dem Vereinigten Königreich führte der Track sowieso an. In einer kurzen Zeitspanne avancierte die Nummer zum internationalen Hit, fühlte sich für Munro, Dodds und Walton aber nicht wie ein Erfolg über Nacht an: „Wir schrieben und veröffentlichten schließlich schon seit 1987 House-Tracks.”

Von esoterischen Strömungen oder New Age wähnten sich die drei Producer aber nicht beeinflusst, eher von der „Ambient-Chillout-Szene”, wie sie im Interview angeben. Vorbilder waren Künstler*innen aus dem frühen US-House wie Frankie Knuckles, Marshall Jefferson oder Larry Heard, dem europäischen und britischen Trance- und Techno-Bereich wie 808 State, Paul Oakenfold, The Future Sound of London oder Jam & Spoon und Ambient-Acts wie Aphex Twin, The Orb oder Paul Horn. Als Teil einer Bewegung habe man sich nicht verstanden, wohl aber als „Teil der UK-House-Szene”.

OPUS III - BRMB Festival Birmingham 1992 Privat
Opus III auf dem BRMB Festival Birmingham 1992

Wie so oft bleibt die Genre-Zuordnung eine wortklauberische Definitionssache. Düdelige, nimmermüde Trance-Arpeggios treffen in der Tat auf klassische House-Chords, später noch auf ein Saxofon, über allem thront meist Hawkshaws exzeptioneller Gesang. Dieser wurde kurzerhand in der WG-Küche auf eine Fostex R8 Tape Machine aufgenommen, anschließend in den Akai S1000 gesamplet. „Im Hintergrund der Aufnahme kannst du Hundegebell und Automotoren hören”, verdeutlichen die Drei ihre semiprofessionelle Herangehensweise.

Auf „It’s A Fine Day” und dem zugehörigen Video – hier ein Film zum Making of –bauten Opus III eine ganze Karriere auf. „Wegen des Songs konnten wir zwei Alben veröffentlichen, um die Welt touren und unser Studio erweitern.” Neben den materiellen Annehmlichkeiten hat ihr zweifelsohne größter Hit für Ian Munro, Kevin Dodds und Nigel Walton aber auch einen hohen emotionalen Stellenwert: „Wir sind extrem stolz, einen internationalen Hit geschrieben zu haben und Teil der UK-House-Geschichte zu sein.”

Nach ihrem zweiten Album Guru Mother, das 1994 erschien, lösten sich Opus III dennoch auf. Laut Wikipedia war Hawkshaw besorgt, dass das Projekt zu kommerziell werden würde. „Vielleicht wurde sie von der Plattenfirma und ihrem Management überzeugt, eine Solokünstlerin zu werden”, meinen ihre ehemaligen Bandkollegen dazu. Jeder der Drei arbeitet noch heute in einem musikalischen Beruf: Ian Munro macht nach wie vor Musik, Nigel Walton verdingt sich als Mastering- und Editing-Engineer und Kevin Dodds begleitet Künstler*innen als Tourmanager.

Opus III Liner Notes
Die Liner Notes aus der LP Guru Mother von 1994

Kirsty Hawkshaw legte nach dem Kapitel Opus III tatsächlich eine relativ erfolgreiche Solokarriere hin und lieh ihre Stimme Acts wie Delerium, Silent Poets oder Tiësto. Kurz nach einer Interviewanfrage im Rahmen dieses Artikels bestätigt ihre frühere Agentin, was das Facebook-Profil einer der großen Voices of Trance bereits vermuten lässt: „Kirsty is a anti vaxxer, Coronavirus is a hoax, anti 5G, conspiracy theory follower” (sic!) Die Sängerin selbst reagierte nicht. Ihre früheren Bandkollegen antworten kurz angebunden auf die Frage, ob noch Kontakt bestehe: „Ja, manchmal.”

Auf den massiven Einfluss von „It’s A Fine Day” auf die Popkultur haben die Verschwörungstheorien, denen seine bekannteste Interpretin anheim gefallen ist, aber keine Auswirkung: Neben der bereits erwähnten Version von A Guy Called Gerald, mit der Opus III nichts zu schaffen hatten, fungierte Hawkshaws Gesang als Sample-Grundlage für Orbitals „Halcyon”. Dessen Video, in dem Hawkshaw eine Hausfrau unter Einfluss des titelgebenden Medikaments mimt, wirkt wie ein unmittelbarer Vorbote für ikonische Filme wie Trainspotting oder Requiem For A Dream.

Die entfesselte Ekstase, die „It’s A Fine Day” noch auszeichnete, mündet in „Halcyon” im denkbar schlimmsten Kater, getränkt in die resignative Apathie eines mutmaßlich perspektivlosen Hausfrauenlebens nach den fetten Rave-Jahren. Dass die Erweiterung „Halcyon On and On” versöhnlichere Töne anschlägt, darf aber nicht unerwähnt bleiben.

Abseits der unzählbaren Edits, die vor allem mit dem Vocal arbeiten und von Hit-DJs wie Job Jobse auf Festivals durch die Boxen gejagt werden, hat es auch die Melodie selbst, die, wir erinnern uns, von Edward Barton geschrieben wurde, in wichtige Pop-Hits geschafft. Exemplarisch dafür steht Kylie Minogues „Confide In Me”, das mit „It’s A Fine Day” Konstruktives anstellt und es nicht als Zenit des Exzesses begreift.

Auch in Reggaeton-Gefilde drang „It’s A Fine Day” vor. Der schwedisch-chilenische Producer Dinamarca samplete es 2017 in seinem Track „Fine Day”, während die Taschentuch-Hersteller von Kleenex Janes Version in Japan für einen morbiden Werbespot nutzten, der diverse Zuschauer*innen nachhaltig traumatisiert haben dürfte.

Weitere Beispiele für die Transformation des Liedes, das erstmals von Jane gesungen, dann von Opus III unwiderruflich ins Gedächtnis der Clubmusik gebrannt wurde, ließen sich über die Spanne von knapp 40 Jahren mit Leichtigkeit zusammentragen. Für Ian Munro, Kevin Dodds, Nigel Walton und Kirsty Hawkshaw zählt aber nur das Original und das, was sie daraus gemacht haben: Die Umdeutung eines unwirklichen Trauerliedes in ein Stück Rave-Geschichte.

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