Bitstream – Communion EP (Frustrated Funk)
Am 3. September 2020 jährt sich James Marcel Stinsons Tod bereits zum 18. Mal. Der unaufhaltsam wirbelnde Strudel, zu dem er Electro gemeinsam mit Kollaborateur Gerald Donald als Drexciya verwandelte, hat bis heute nichts von seiner Faszination verloren. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist Bitstreams Communion EP auf Frustrated Funk. Dem Label, das enge Kontakte zu Clone Records pflegt, mit der Aqualung Series seinerseits Landeplatz für die ein oder andere Platte Donalds in den letzten Jahren. So schließt sich ein Kreis, irgendwie zumindest. Die Sound-Palette, die Bitstream auf vier atmosphärisch dichten Tracks präsentiert, passt ästhetisch hervorragend zu diesen Querverbindungen. Es ergibt sich eine schwelgerische Atonalität aus der Summe gurgelnder, schillernder und ächzender Synthesizer, die Schnittstelle zwischen Geräusch und Musik, zwischen Referenz und Eigenständigkeit dabei eben groß genug, um auf der Aquabahn hindurch zu sausen. Nicht jeder Electro-Release muss sich aber an Drexciya messen, nicht jeder Vergleich, der sich anbietet, auch gezogen werden. Bitstream liefert hier vier wunderbare, in sich geschlossene Tracks, die allein aufgrund der extrem funkigen A1 nie epigonal wirken, sondern sich zwischen überbordender Coolness und ihrem manischen Zerfall einpendeln. Maximilian Fritz
Black Merlin – Mod Ik (Bitta)
Veranstaltungen bieten einem*r Künstler*in nicht nur eine Bühne, sondern auch direkten Austausch mit anderen Kunstschaffenden, die man ansonsten nur online spricht. Black Merlins Debüt-EP MOD IK auf DJ Nobus Label Bitta ist ein wunderbares Beispiel dafür, was dabei rauskommt, wenn zwei Künstler*innen zum ersten Mal aufeinandertreffen und sich gegenseitig inspirieren. So auch nach Merlins Auftritt beim Rural Festival 2019, wo er Nobu vorgestellt wurde und sie auf der gemeinsamen Fahrt nach Tokyo genug Zeit hatten, sich über Diverses auszutauschen. Black Merlin bietet durch die sehr gegensätzlichen Geschwindigkeiten eine Platte für viele Situationen, die aber definitiv in der gleichen Umgebung stattfinden. Die Stimmung, die bei allen vier Tracks entsteht, passt zu großen Industriehallen wie das Stroboskop zur elektronischen Musik. Vier Tracks, vier Tempi. „MOD IK” verfügt über ein sehr aufgeräumtes und effektives Arrangement, eindeutig das tanzbarste Stück auf dem Release. Anders als erwartet, folgt mit „MIEA” ein stilistischer Bruch, der ganz ohne rhythmusgebendes Element auskommt. Ambient in seiner düstersten Form. „PK9” zieht das Tempo deutlich an und verschwimmt nach kurzer Zeit in morphenden, sirenenähnlichen Teppichen. Zum Schluss tritt Black Merlin mit „HL” nochmal deutlich auf die Bremse. Keine Musik für ein Picknick mit den Schwiegereltern. Philipp Thull
Bufiman – Albumsi Rhythm Trax (Dekmantel)
Für Jan Schulte war Bufiman eigentlich lange kein Alias, unter dem er Alben veröffentlichen wollte. Wolf Müller lautete der Name, der seine Platten meist zierte. Doch trotz des anfänglichen Kurses bringt er dieses Jahr schon die zweite Veröffentlichung unter diesem Pseudonym heraus. Auf Albumsi Rhythm Trax erklingen rhythmisierte Versionen seiner Titel aus dem vorangegangenen Album Albumsi. Es sind pure Drum-Nummern, gespickt mit Spezialeffekten. Gekonnt verbindet Schulte dabei verschiedenste musikalische Einflüsse zu stimmigen Grooves aus teils krautigen bis Hip-Hop-artigen Breaks. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Kullernde Toms, akzentuierte Snares, psychedelische Soundeffekte, tranceartige Basslines und die bei Schulte obligatorischen Congas und Trommeln prägen das Soundbild. Dass Bufiman die Titel eher als funktionelle Filler auf der Tanzfläche sieht, ist klares Understatement. Die Grooves sind zwar prädestiniert dafür, richtig eingesetzt funktionieren sie aber sicherlich auch als Tanzflächenfüller. Mit Bufimans Worten: „Habt viel Spaß mit den Breaks.” Johann Florin
Chris Imler – Country Club (R-i-O)
Im Country Club passiert nichts Gutes. Zumindest, wenn man Chris Imler Glauben schenken will. Er lässt mit seiner EP Country Club wenig Platz für Geborgenheit. Zu einem aufgescheuchten Beat und sirenenartigen Synths beschwört der gebürtige Augsburger auf dem Titeltrack das Desaster. Das, was musikalisch aufbereitet wird, wird textlich verarbeitet: „Ich mess die Zeit in Katastrophen / Die Skala ist nach oben offen / Das Haus stürzt ein, es brennt die Stadt / Ein Laserstrahl weist mir den Weg zum Country Club.” Und spätestens ab Minute zwei, wenn das Tinnitus-ähnliche Fiepen einsetzt, spürt man dieses unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden und sich umdrehen zu wollen, das manchmal den Weg nach Hause begleitet. Dieser Weg führt aber zu Imlers verhängnisvollem Country Club. Nicht weniger unheilvoll geht es auf dem Rest der EP zu. „Protect Myself” breitet eine ebenso düstere Klangwelt aus, während Imler teils monoton, teils prophetisch seine Zeilen präsentiert. Ähnlich kommen noch die Remixe von INIT (Benedikt Frey und Nadia D’Alò) und Debmaster daher, die die rotierenden Beats und morbide Stimmung Imlers auffangen. Der Wahlberliner setzt mit Country Club aufs Unbehagen und kuschelt mit den Monstern unterm Bett. Louisa Neitz
DJ Slyngshot – Workshop 29 (Workshop)
Bisher machte DJ Slyngshot vor allem mit Veröffentlichungen auf seinem eigenen Imprint Yappin auf sich aufmerksam. Sein neustes Release erscheint auf Workshop, eines seiner Lieblingslabels, wie er selbst sagt. Auf Workshop 29 präsentiert der Offenbacher einen überraschend simplen Sound. Zwar konnte ihm auch in der Vergangenheit kein Hang zum Maximalismus nachgesagt werden, trotzdem klingen die vier Tracks noch rougher, noch echter als bisheriges Material. Alle Titel wurden mehr oder weniger direkt aus dem MPC 60 ausgespielt, inklusive kultigem Analog-Knistern im Hintergrund. Kein zusätzliches Editing, keine Effekte, kein Ableton- oder sonstiges DAW-Geschummel – komplett echt, könnte man sagen. Eine angenehme Abwechslung. Die Percussion bringt selbstverständlich jede Menge Drummachine-Charakter mit sich und beschränkt sich auf das Wesentliche. Auch in den wenigen Synth-Linien greift DJ Slyngshot auf rohe Sounds zurück. Insgesamt wirkt die Platte unaufgeregt, sowohl die geraden House-Tracks als auch die Breakbeats glänzen durch Simplizität und Gelassenheit. Jonas Hellberg