Gerald van der Hint vor der Grellen Forelle. (Foto: Sebastian Krickl)
Die Grelle Forelle in Wien will ab August wieder ihre Türen öffnen. Der Club stellte sich in den letzten Monaten mit der Politik solidarisch und sagte jegliche Veranstaltungen bis auf Weiteres ab. Nun, da andere Betriebe wie Restaurants und Bars in Österreich wieder öffnen dürfen, schlägt der Club seine Öffnung mit einem Covid-19-Präventionsprogramm vor. Auch die Nähe zu Bratislava in der Slowakei gibt den Club-Mitarbeiter*innen zu denken, denn dort darf bald wieder gefeiert werden. Veranstalter und DJ Gerald van der Hint der Grellen Forelle erklärt die Situation und das zukünftige Programm des Clubs.
Wie würdest du die aktuelle Lage von Clubs in Österreich einschätzen, besonders in Bezug auf die Konkurrenzsituation mit Bratislava?
Bratislava ist mit dem Auto von Wien aus in 45 Minuten und öffentlich in einer Stunde zu erreichen. Dort sperren die Clubs nun wieder auf. Das heißt: konsequenterweise muss man die Grenzen schließen oder auch uns ein Angebot machen. Sonst bringt man uns um.
Es ist aber generell ein Irrglaube, dass die Menschen nicht feiern werden, wenn man es ihnen verbietet. Das erinnert mich an eine amerikanische Art der Sexualaufklärung: True love waits. Man sagt Teenagern, sie mögen einfach enthaltsam leben und dann gibt es eine Reihe von Problemen nicht, weil es ja gar nicht erst zum Sex kommt. Das klappt nicht. Und beim Tanzen ist es auch so: Menschen werden immer feiern. In England toben bereits die illegalen Raves inklusive Umweltverschmutzungen und einem rasanten Anstieg an Vergewaltigungen in der Umgebung. International werden die Men-Only-Sex-Partys in privaten Wohnungen immer größer und exzessiver. In Wien finden riesige Sauf- und Festgelage an öffentlichen Orten wie dem Donaukanal und dem Prater statt.
Es ist verantwortungslos, was jetzt gerade passiert. Die Politik hat Angst – und das durchaus verständlicherweise – Verantwortung zu übernehmen. Dadurch gibt es aber einen gefährlichen Wildwuchs an Feiereien, die ohne jegliche Awareness und Prävention stattfinden. Bei allem Verständnis: Das ist feig und gefährlich. Jetzt braucht es mutige Politiker*innen, die gemeinsam mit uns vernünftige legale Wege fürs Feiern mit COVID-19-Prävention finden.
Kannst einen kurzen Überblick über euer Covid-19 Präventionsprogramm geben?
Unser Konzept setzt schon vor dem Besuch an. Awareness und Prävention sind ein fixer Bestandteil, da wir damit auch in anderen Bereichen bereits gute Erfahrungen gesammelt haben. Wir setzen aber auch auf Kontakt-Tracing, Vorverkauf mit Time-Slots bei der Ankunft, mechanische Vorrichtungen als Spuckschutz, Mund-Nasen-Schutz auf der Tanzfläche und an der Bar, auf unser völlig überdimensioniertes Belüftungssystem und viele andere Maßnahmen.
Um eine Ausdünnung, also eine Reduzierung der Besucherzahl, kommen auch wir nicht herum. Wir wollen am 1. August mit 500 Gästen starten. In Österreich darf man schon seit Wochen in Wirtshäusern ungeschützt miteinander sitzen und trinken. Es gab keinen Anstieg bei den Infektionen. Ich denke, man kann also auch ohne großes Risiko in Kleingruppen und mit Maske miteinander tanzen.
Ihr dürft weniger Gäste in euren Club lassen, gleichzeitig steigt euer Aufwand, indem ihr z.B. Desinfektionsmittel bereitstellen und eure Mitarbeiter*innen regelmäßig mit Handschuhen und Mund-Nasen-Schutz versorgen müsst. Wie könnt ihr die Grelle Forelle mit diesem Konzept lukrativ halten?
Das ist noch nicht ganz sicher. Die Wege entstehen bekanntlich auch bei guter Planung zumindest teilweise im Gehen. Wir hoffen, dass die Leute ihre Solidarität über Akzeptanz für einen höheren Eintrittspreis ausdrücken und vielleicht das eine oder andere Glas mehr im Lokal trinken. Aber wir wissen das noch nicht. Du sprichst da einen Bereich an, in dem noch viele Fragen offen sind. Wir kalkulieren momentan, dass ab 500 Gästen (also bei etwa zwei Drittel unserer Kapazität) ein positives Ergebnis möglich sein sollte.
Auch für eure Gäste gibt es viele Regeln, auch schon im Vorhinein. Spontaneität und Ausgelassenheit haben da wenig Platz. Habt ihr Gedanken dazu, wie ihr trotz der von den Gästen geforderten Disziplin einer angespannten Stimmung aus dem Weg gehen könnt?
Ein Techno-Club ist ein Ort, an dem es auch im Normalbetrieb viele geschriebene und auch ungeschriebene „Gesetze” gibt. Es gibt etwas wie eine gelebte Kultur. Und die ist immer mit Regeln verbunden. Bei uns schreit auch niemand „Woop! Woop!” auf der Tanzfläche, weil es sonst relativ schnell negative Reaktionen im direkten Umfeld geben wird.
Es geht uns darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass diese neuen und vorübergehenden Spielregeln für uns alle gut sind. Und innerhalb dieses Verhaltenskodex wollen wir uns alle bewegen und uns gegenseitig gegebenenfalls daran erinnern. Weil es ja auch wirklich Sinn macht und wichtig ist. Die Pandemie ist real. Und wir wollen uns sicher nie den Vorwurf machen, dass wir fahrlässig zu einem Cluster wurden.
Wie werden Verstöße der Gäste sanktioniert?
Ich hoffe, es wird nicht notwendig sein, besonders hart zu sanktionieren, weil wir eine Kultur schaffen wollen, die auf gegenseitige Rücksichtnahme baut. Wenn sich jemand gar nicht an die Regeln hält, dann wird es – wie bei anderen groben Vergehen – möglicherweise notwendig sein, das gemeinsame Feiern mit dieser Person zumindest für diese Nacht zu beenden.
Wie steht es momentan um die Grelle Forelle, auch als Safe Space für die LGBTIQ+ Community?
Die Forelle ist in den letzten Jahren zu einem der wichtigen Safer (!) Spaces für die LGBTIQ+ Community in Wien avanciert. Speziell unsere Veranstaltungsreihe FISH MARKET trägt dazu bei. Ein riesiger Regenbogen ziert aber rund um die Uhr unsere Gemäuer. Und das nicht ohne Grund. In der Forelle gilt jede Nacht: No Homophobia! No Discussion! Wie überall gibt es auch bei uns manchmal Probleme. Aber wir sehen nie weg und stellen uns diesen Herausforderungen.
Was muss in Zukunft noch passieren, damit ihr euren Betrieb langfristig weiterführen könnt? Welche Maßnahmen sind nach eurer Einschätzung langfristig und welche kurzfristig zu erhalten?
Wir haben ein Konzept vorgelegt, das uns das Überleben ermöglicht und gleichzeitig für mehr Sicherheit sorgt, als das andere Branchen momentan realisieren. Wir hoffen, dass die Gesetzgeberin das auch so sieht und uns diese Möglichkeit rechtlich schaffen wird.
Wir wollen hier nicht Glaskugel-Lesen. Sollten die Infektionszahlen wieder steigen, werden wir lange mit Mundschutz tanzen. Sollten sich die Zahlen weiter so gut entwickeln, kann man schrittweise die Maßnahmen abbauen. Irgendwann würden wir gerne über dieses Konzept in der Past Tense sprechen.