Fotos: Holzmarkt
Die Stimmung im Säälchen um 11 Uhr morgens am Mittwoch war aufgekratzt, vielleicht besser als die Lage. Der Inner Circle der Holzmarktcrew ist da, viele Genossenschaftler, einige, die auf dem Gelände an der Spree arbeiten, etwas Szeneadel, diverse Nachbar*innen, außerdem zwei Babys, zwei Hunde, zwei Fernsehteams und viele Pressemenschen. Auf der Bühne wird gleich der 90-Tage-Rat die Ergebnisse seines mit Spannung erwarteten Schlichtungsversuchs vorstellen.
Und die haben es gleich mal in sich: „Das Eckwerk wird gebaut wie geplant. Und der Holzmarkt wird gesichert.“ Applaus brandet auf, als Wolfgang Wieland das verkündet. Bloß: Woher der ehemalige Berliner Justizsenator (Grüne) diesen Optimismus nimmt, dass das alles wirklich so kommen wird, das konnte man seinen Ausführungen tatsächlich nicht immer entnehmen.
Eine gute Stunde legt er mit der Architekturprofessorin Barbara Hoidn und dem Hamburger Clubbetreiber und Projektentwickler John Schierhorn dar, wie eine Lösung in dem verfahrenen Streit aussehen könnte. Im Kern geht es um die Bebauung des Nachbargrundstücks des Holzmarkts. Wo früher die Bar25 ihre Afterhour-Legenden schrieb, hat die Crew von damals ein Dorf mit Club, Restaurant, Kita und einem freien Zugang zum Spreeufer errichtet. Das Eckwerk nebenan sollte der nächste Schritt werden: eine etwas erwachsenere Mischung aus Wohnen und Arbeiten, mit vielen Einheiten für Studenten. An der Planung waren unter anderem die Graft-Architekten beteiligt. Problematisch dabei: Auf das nötige Planungsrecht, das der Bezirk erteilen müsste, warten die Genossen vom Holzmarkt inzwischen seit sechs Jahren, was für sie existenzbedrohend ist. Letztes Jahr mehrten sich die Gerüchte um die Insolvenz der Holzmarkt eG.
Und tatsächlich bleibt die Situation unsicher. Eine Einigung mit dem zuständigen Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) konnte auch der 90-Tage-Rat bislang nicht erzielen. Er zeige sich aber gesprächsbereit, so Wieland.
Nun könnte man sagen: Hier die Hippies von der Spree mit ihren kreativen Ideen, dort die Apparatschiks aus der Politik, die nur die Großen hofieren und für die Kleinen kein Ohr haben. Doch so einfach ist das nicht. Denn der Baustadtrat Schmidt gilt als Robin Hood der Mieter*innen, die akut von Spekulation und Verdrängung betroffen sind. Die gemeinnützige Absicht des Eckwerks stellt er infrage. Das Modell sei kommerziell, sagte er der Taz. Immerhin sei das „akademische Wohnen“, wie es dort geplant sei, das derzeit lukrativste Business-Modell in diesem Wirtschaftsbereich. Der 90-Tage-Rat wiederum betonte, dass die Stiftung Abendrot, die die Eigentümerin der Grundstücke ist, einen „gesellschaftlichen Mehrwert“ schaffen wolle, so Wiegand.
Seine vorerst letzte Eskalationsstufe erreichte der Streit im November letzten Jahres. Damals verklagte die Holzmarkt-Genossenschaft das Land Berlin auf 19 Millionen Euro Schadensersatz.
Von dem Gründergeist, den das Projekt 2012 umwehte, als die Holzmarkt-Genossenschaft völlig überraschend das höchste Gebot für das Areal an der Spree abgegeben hatte und so viele solvente Investoren übertölpelte, die dort gläserne Hochhäuser planten, ist jedenfalls nicht mehr viel übrig. Mario Husten, der Geschäftsführer des Holzmarktes, zeigte sich dann auch überrascht vom Optimismus des Rates.
Immerhin: Es gibt wohl Interessenten, die das Projekt übernehmen wollen. Die müssten allerdings für die im Verlauf entstandenen Kosten aufkommen, die bislang die Genossenschaft bezahlen musste. Selbst können sie den Bau nicht mehr durchführen, da die Stiftung Abendrot ihnen das Erbbaurecht wegen der fehlenden Baugenehmigung entzog. Und dann müsste sich der*die neue Bauherr*in natürlich noch mit Baustadtrat Schmidt einig werden.
Der 90-Tage-Rat wird nun weitere 60 Tage bereit stehen, um zwischen den Parteien zu moderieren und beraten. Dann will er Bilanz ziehen. Diesmal final. Mal sehen, wie dann die Stimmung im Säälchen wird.