Foto: Klaus Mettig.
Dubstep blitzte nur für einen Moment in den 2000ern auf, dann büßte der Sound schnell seine Relevanz ein. Nicht für Orson aus Berlin. Er besuchte die legendären DMZ-Partys in London, die Dubstep als Genre prägten. Auch wenn auf seinem Label jetzt andere Musik erscheint, zehrt er bis heute von dieser Inspirationsquelle.
Betreiber: Orson
Gründung: 2009
Stil: Version
Künstler: Timeblind, Orson, Hops, Skratch, Benny Ill, Yak, Agrippa, Piezo
Größter Hit des Labels: Yak -„Mido“
„Ich will mich musikalisch nicht festlegen. Es geht mir um das, was gerade passiert“, erklärt Orson Sieverding, Gründer von Version. Die Neugier auf das, was frisch klingt, führte dazu, dass er Mitte der 2000er über elektronische Clubmusik stolperte, die irgendwie anders klang. Sie vereinte UK Rave und Dub und ließ Leerstellen als effektives Stilmittel in der Musik zu. „Das hat alles vereint, was ich gut fand und dazu kam viel Space und eine extreme Offenheit“, beschreibt Orson, wie er die Anfänge von Dubstep rückblickend wahrnahm. „Es gab damals gerade diesen goldenen Moment. Ich konnte die Entwicklung von Dubstep von Anfang an miterleben. Ich bin dann regelmäßig alle paar Monate zu DMZ-Partys nach London geflogen und habe das vor Ort mitbekommen. So eine Chance bekommt man nicht nochmal.“
Orson, wie sich der 38-Jährige als DJ und Produzent schlicht nennt, hatte vorher Drum’n’Bass und Jungle in Düsseldorf aufgelegt und auch produziert. Als er das Interesse daran langsam verlor, stieß er auf den Sound, der trotz seiner Vielfalt von breakigen Rave-Sounds über dubbige Tunes zu technoidem Minimalismus unter dem Begriff Dubstep zusammengefasst wurde. 2006 startete Orson die Partyreihe Version, bei der eine ähnliche Bandbreite an Musik im Mittelpunkt steht, zuerst in Düsseldorf im Salon Des Amateurs. Drei Jahre später stieß Hops als zweiter DJ und Veranstalter dazu und sie verlegten die Partys nach Berlin, wo die Reihe unter dem Namen Version auch heute noch besteht.
In seinen DJ-Sets spielt Orson seit langem überwiegend unveröffentlichte Tracks. Als er noch komplett mit Platten aufgelegt hat, cuttete er dafür extra Dubplates, presste also einzelne Stücke auf Acetat, damit er sie auf Partys spielen konnte. 2009 erweiterte Orson Version schließlich um das gleichnamige Label, auf dem er eine Auswahl der Musik, die er als DJ zugeschickt bekommt, und eigene Tracks veröffentlicht. Obwohl er heute größtenteils digital auflegt und die Releases auch als Files erhältlich sind, möchte er nicht auf das Pressen von Vinyl verzichten. „Ich liebe den ganzen Prozess, der damit zusammenhängt“, erzählt Orson. „Das Mastering, den Cut beziehungsweise die Übertragung von digitaler oder analoger Soundinformation in ein physikalisches Medium. Dazu kommt, dass ich beim Mastering immer persönlich mit dem Engineer zusammenarbeite. Dieses Miteinander mit einem anderen Menschen finde ich daran sehr wichtig.“ Es geht Orson darum, Musik zu vermitteln, Leute damit zu erreichen – egal mit welchem Medium. Dafür stehen auch die Partys, die eng mit dem Label verknüpft sind. „Version war immer wie ein Dreieck, dessen Seiten aneinander anknüpfen. Die Partys und Radio-Sets sind die Momente, in denen ich neue Sachen testen kann, die ich vielleicht rausbringen möchte. Am Ende verwirklicht sich das dann auf dem Label.“
Während Version mit den Partys und dem Label am Anfang Plattform vor allem für eine besondere Richtung von Dubstep war, hat sich der Klang in den vergangenen zehn Jahren verändert, wie Orson, der heute in Berlin lebt, rückblickend erklärt. „Ich bin total offen und sehr froh, wenn sich der Sound von Version verändert. Deswegen wehre ich mich gegen eine Festschreibung auf Dubstep. Das ist es schon lange nicht mehr“, stellt er klar. „Das war eine Inspirationsquelle, von der man immer noch zehrt. Ich weiß gar nicht, wie man das heute nennen sollte. Man sitzt zwischen den Stühlen. Dadurch, dass das Tempo langsamer geworden ist, ist es kompatibel mit House oder Techno. Ich finde es schön, dass die Genres ein bisschen mehr verschmelzen.“
Drei wichtige Version-Platten
Timeblind
Time Dilated By Matter
(version001)
Die Tracks von Timeblind waren 2009 die Initialzündung für Version. „Die fand ich anders als alles andere, was an Dubstep zu der Zeit rauskam. Das war für mich der Punkt, an dem ich dachte, damit kann ich anfangen“, sagt Orson über Katalognummer 001 seines Labels. Die drei Tracks arbeiten intensiv mit Effekten, bekommen durch den Einsatz von Echo und Hall eine große Weite. Gleichzeitig treiben Breakbeats und rollende Subbässe in Schüben an. Durch den dubbigen Nebel erklingen sanfte, kurze Melodien unter anderem von Flöten und Gitarren, die davonschweben. Die drei Tracks spannen einen Bogen von schwerem, meditativem, elektronischem Dub über technoiden Stepper zu Ambient mit Störgeräuschen und legen damit schon die Grundlage für die Vielfalt, die sich durch den Sound von Version-Releases zieht.
Orson
Production House / Fabrik
(version007)
Die Releases auf Version knüpfen an Dub als Tool für elektronische Musik und damit an Sound-System-Kultur an, die ihre populärsten Ausdrücke zuerst in Reggae, Dub und Dancehall gefunden hat. Bis heute hat diese Soundkultur vor allem in Großbritannien auch in Elektronikmusik-Szenen von Jungle über UK Garage zu Grime und Dubstep weitergelebt. Orsons Track „Production House“ von 2016 greift diese Verwandtschaft mit einem schleppenden Halftstep-Beat und vibrierenden Bässen intensiv auf. Die B-Seite, „Fabrik“, spannt von da einen Bogen zu Rave. Der Tune startet mit pumpenden 4/4-Kicks und zischelnden Hi-Hats, die zusammen in einen steppenden Beat mit auflockernder, breakiger Percussion münden. Darüber schwirren ausgedehnte und angefranste Synthesizer-Klänge. Der Track ist bezeichnend für die übergreifende Zwischenposition von Version in Clubs zwischen House, Techno und Breaks.
Yak
Mido / Darunia
(version009)
Orson testet Tracks ausgiebig in seinen DJ-Sets, bevor er sie auf Version rausbringt. Wenn sie auch nach wiederholtem Einsatz noch funktionieren und er sie gut findet, werden sie Kandidaten für ein Release. Mit der Single des Produzenten Yak traf er einen Nerv, der szeneübergreifend verlief. Die Tracks sind fokussiert auf Drum- und Percussion-Sounds, die in polyrhythmischen Wirbeln Energie freisetzen. Wenn sich bei „Mido“ dann noch die Kicks pumpend in Richtung 4/4-Takt bewegen und der Subbass anfährt, ist das Club-Werkzeug perfekt. Version 009 ist damit ein weiteres Beispiel für die Offenheit des Sounds von Version, durch den sich neben Orsons persönlichem Geschmack auch ein besonderes Gespür für Raum in Musik zieht.