Nerdig geht es in den Workshops zu, die etwa mit Machinedrum oder Ben Frost mit starken Künstlern besetzt sind. Die Teilnehmer starren auf ihre Laptops, da kann der Vortrag schon ein wenig ins Schlingern geraten. Pole fängt sich in seiner Mastering-Class mit einem klaren Statement: „Compressor and EQ. That’s it. That’s how I work most of the time. And playing around with the levels.” Kunstpause. „That’s the most important part.“ Lächeln. Gerade hat Ableton Live die Version 10.0 veröffentlicht. Was ist neu daran? Unter anderem lassen sich dadurch Hüllkurven leichter editieren, erklärt mir ein Berliner Techno-Held. Viele Neuerungen lösen Probleme in der Benutzung der Software, mit denen sich die Users schon lange herumschlagen.
Und wenn der Nerd-Dial bis zum Anschlag hochgedreht wird, funktionieren auch die musikjournalistischen Formate. Gilles Peterson spielt Thomas Meinecke in dessen „Plattenspieler“-Format das tolle „Alligator Woman“ von der Funk-Band Cameo vor. „It´s a uniquely British phenomenon. I played in Germany from the mid-eighties on.”, erzählt Peterson: “The funk in Germany was always different. In Germany, it was always more Johnny Guitar Watson. James Brown was in the middle, I guess.” Den nervösen, grinsenden Funk von Cameo haben die Deutschen nicht verstanden, sie standen stattdessen auf den muckermäßigen, stampfenden, bluesigen Sound von Johnny Guitar Watson. „Das kam darauf an, in welcher ehemaligen Besatzungs-Zone du gelebt hast. Ich bin in Hamburg aufgewachsen, dort waren die Briten“, erklärt Meinecke.
Musiktechnologie galt immer als hermetische Welt, die von weißen, pickeligen Männern dominiert wurde, die ein prä-pubertäres Charisma ausstrahlten, sagt das Klischee. Gegen den Gender- und Diversity-Gap dieser Szene kämpft Ableton beharrlich und mit Erfolg. Laurel Halo und Eli Keszler spiegeln diese Offenheit auf ideale Weise, ohne Geschlecht oder Ethnizität direkt zu adressieren. Improvisation und symphonische Klänge, Singer-Songwriter und abstrakte Elektronik werden eins. Rumpelnd, unberechenbar und zugleich behutsam klingen die Stücke. Das Kleine muss hier nicht freundlich, harmlos oder putzig daher kommen. Diese Musik hat keine Angst vor ihrer Fremdartigkeit, und sie ist doch so aufmerksam gegenüber sich selbst, dass sie den Hörer*innen einen Zugang gewährt.
Jlin ist der Star der Veranstaltung. Von ihr geht eine magische Präsenz aus, sie neutralisiert jegliche Energie im Raum. Sie ist gleich dreimal im Programm vertreten. Mit Thomas Meinecke spricht sie über ihren Ort, ihre Beziehung und vor allem ihre Demut vor dem afroamerikanischen (Musik-)Erbe. Wie sie selbst ihrer eigenen Musik, ihren Klängen ausgeliefert ist, erklärt sie der The-Wire-Kritikerin Lisa Blanning: “My music is as much a surprise to me as it is to you”, sagt sie. Aber sie ist kein Mönch. In ihrem Gespräch mit Avantgardekomponisten William Basinski, einem so überkandideltem wie liebevollen Siebziger-Jahre Dandy, berichtet sie vergnügt darüber, wie sich die beiden bei einem Konzert in Los Angeles kennenlernten und so begeistert voneinander waren, dass sie fast den Auftritt vergaßen, grinst sie. Für ihre Kollaboration auf „Black Origami“ schickte ihr Basinski Schnipsel Baltischer Volksmusik. “I just sent her this portion and, you know, she made magic.” Aber der ernste Teil des Abends ist schon vorbei. Es geht um eine unwahrscheinliche, generationenüberschreitende Künstlerfreundschaft zwischen einem schwulen Avantgardemusiker aus New York und einer jungen Afroamerikanerin aus den Rustbelt. „I just love her to death! She’s like my little sister!”, freut er sich.