Ich glaube schon, dass die Menschen, die ihr Gehör durch Clubnächte geschult haben, mit diesem Zurückgenommenen, Kontemplativen und eher Erzählerischen deines Albums viel anfangen können. Es ist nicht unbedingt was für DJ-Sets, aber dennoch in dieser Welt zu Hause.
Viele der Stücke auf dem Album sind schon sehr gewöhnungsbedürftig und für einen normalen Clubbetrieb fast ungeeignet. Aber um das geht’s gar nicht, ich muss mich ja auch neu erfinden und experimentieren und vielleicht auch disharmonisch arbeiten, das wird allerdings mit der Arbeit mit genialen Musikern verbunden, um daraus etwas Neues zu erschaffen. Es sind so viele Zitate und Erfahrungen, die da verarbeitet werden aus meinem Musikliebhaberleben. Das fließt alles mit ein und gleichzeitig versuche ich auch immer, das weiterzuentwickeln. Nie wieder alte Wege betreten, sondern immer in die Zukunft zu sehen – deswegen auch Zukunftsmusik.
Ich frage mich gerade, ob jemand, der den Gaybezug nicht kennt bzw. nicht weiß, dass es um Referenzen aus der Schwulenkultur geht, beim Anhören merken würde, worauf der thematische Fokus bei diesem Album liegt.
Ich glaube nicht. Wenn jemand, der keinen Bezug zur Gay-, zur Discokultur, Cruising oder Hanky Codes hat, das Stück „Anywhere Anytime“ hört, würde er das nicht übersetzen können. Die Farbe Orange bedeutet in diesem Code [bei dem sexuelle Vorlieben durch das Tragen verschiedenfarbiger Taschentücher gezeigt werden]: „Ich mache alles, jederzeit.“ Wenn aber jemand das Lied hört und das nicht weiß, würde er denken, es ist ein Liebeslied.
Video: DJ Hell – I Want U (Marcel Dettmann Remix)
Was es ja in gewisser Hinsicht auch ist, da es von Ritualen der Liebe handelt. Ich habe ja eine Vorabversion von deinem Album bekommen. Ist es jetzt schon fertig?
Ein Lied ist noch nicht fertig, das möchte noch mit aufs Album nehmen, ein Liebeslied von Robert Görl, das heißt „Mit Dir“. Das Lied ist von 1984 und ich möchte eine Coverversion machen, mit diversen Sängern, auf Deutsch und Englisch.
Robert Görl ist derzeit wieder sehr aktiv?
Ja, die machen für das Grönemeyer-Label Grönland gerade eine DAF-Box. Es ist so bizarr, dass vieles von DAF digital nicht erhältlich ist. Die ganzen alten DAF-Platten gibt es nur auf Vinyl oder CD.
Thema bei DAF war ja auch, dass man über deren sexuelle Orientierung nicht wirklich etwas wusste. Das war schon immer eine heterosexuelle Welt, die aber auch die homosexuelle Welt bedient hat.
Ja, auf jeden Fall. Es gab auch Songs von DAF, die von der Plattenfirma abgelehnt wurden, weil sie zu maskulin/gayartig waren. „Der Räuber und der Prinz“ etwa, das war alles zweideutig. Ich dachte damals sogar, sie sind ein schwules Paar, was sie aber nie waren. Wenige Leute wissen, dass Robert Görl und Annie Lennox ein Liebespaar waren. Es erschienen auch einige Lieder der beiden zusammen. Und das Lied „Mit Dir“ muss auf jeden Fall auf das Album, so lange warte ich.
Du bist ja im Moment schon auch noch sehr beschäftigt, oder?
Also ich bin noch jedes Wochenende unterwegs. Es wurde mit der Zeit eher mehr als weniger, so ist mein Gefühl.