Dem Duo Crème de Hassan geraten die Ver- und Entfremdungen von aktuellem Nahost-Pop und im weitesten Sinne arabischen Traditionen weitgehend im Sinne der „Old-School“ des Genres, also Muslimgauze. Tape-Loops und Dub sind die Werkzeuge mit denen die unwahrscheinliche Kombination von Ghazi Barakat (Solo als Pharoah Chromium eher experimentell unterwegs, aber auch in Berliner Digital Hardcore/Indie-Elektro Zusammenhängen aktiv) und Paul LaBrecque (umtriebiger Improv-Psychedeliker aus Boston, unter anderem bei The Sunburned Hand Of The Man) ihre Klänge durchknetet. Ihr Debüt Technique & Rite (Inversions) unterwirft ein Grundierung von schwerer, treibender Percussion in nichtwestlichem Zeitmaß verschiedenen analog-maschinellen Deformationen, die mal in düsterem Ambient, mal in entspanntem Postrock enden.


Stream: Crème de Hassan – Technique & Rite

Die “New Heimat” des Israelis Nadav Spiegel alias Autarkic liegt auf seiner Debüt-LP I Love You, Go Away (Disco Halal) weniger in den Traditionen und Modernismen seiner Herkunft (an denen hat er sich wohl in seinen EPs für Disco Halal und Golf Channel schon ausreichend abgearbeitet), denn im düsteren Post-Punk-Synth-Pop der nordenglischen Thatcher-Jahre. Das Retrogefühl bildet sich allerdings vorwiegend auf einer emotionalen und affektiven Ebene aus. Spiegels Produktion, sein Sound ist modern, minimalistisch und technokompatibel. Die kratzig widerspenstige Art und Weise auf die er seine zwischen verletzter Melancholie und ätzendem Sarkasmus pendelnden Nicht-Liebeslieder vorträgt verweisen dagegen tief in die Achtziger. Eine klare, leicht nachvollziehbare Ästhetik die auf jeglichen Exotismus verzichtet und dennoch die hybride Komplexität dieser Zeit feiert.



Stream: Autarkic – Gibberish Love Song

So ein crosskulturelles lokal-global Durcheinander geht auch eine Stufe zarter und tiefgründiger. Die Sängerin und Schauspielerin Miyako Koda, die schon in den frühen achtziger Jahren eine wichtige Protagonistin der japanischen New Wave Szene war (unter anderem bei Dip In The Pool und in verschiedenen Kollaborationen mit Avant-Jazzer Seigen Ono und YMO Mastermind Haruomi Hosono) hat sowohl westlichen Pop, globalisierte New Age und World Music und japanische Traditionen zu ihren sehr eigenen Bedingungen miteinander wechselwirken lassen und dabei den wundervollsten, überall verständlichen Ambient Pop produziert der sich vorstellen lässt. Ihr bisher einziges Solo-Album Jupiter, seinerzeit nur in Japan als CD erschienen, hat nun nach siebzehn Jahren als In The Shadow Of Jupiter (17853 Records) eine äußert respektvolle und subtile Überarbeitung bekommen, welche noch einmal um den Globus reicht und in den Edits und Mixen von Jordan Czamanski (von Juju & Jordash), Wolf Müller (Jan Schulte vom Düsseldorfer Salon des Amateurs) und Chee Shimizu (von der transpazifischen Cosmic/Deep House Combo Discossessions) den sowieso schon mehrfach lokal und global gespiegelten „World“ Sound ihres Albums sacht modernisiert und im besten Fall noch weitere Spiegelebenen hinzufügt. Der sanft umarmende Charakter von Mikayo Kodas Stücken wird davon nicht im Geringsten beeinträchtigt.


Stream: Miyako Koda – Ndembu (Jordan GCZ Re-Edit)

1
2
3
4
Vorheriger ArtikelEllen Allien
Nächster ArtikelFRKWYS