Ich habe gesehen, dass du auch live spielst – ist das denn ein neues Live-Set-Up?
Shaw: Ja genau, ich fing letzten Sommer an und habe nicht zu viel Wind darum gemacht, weil ich erst mal sehen wollte, wie es läuft und wie wohl ich mich damit fühle. Ich hatte schon seit einiger Zeit den Wunsch, live zu spielen, konnte mich aber lange nicht darauf einlassen. Denn ich wusste, dass ich einen Live-Act nicht von Anfang an so umsetzen können würde, wie ich mir das vorstellte. Und dass es vor allem bedeuten würde, vor Publikum zu lernen. Und der Gedanke hielt mich lange zurück, bis ich mir selbst irgendwann in den Hintern getreten habe und mir sagte: „Weißt du was, nichts, was du machst kann von Anfang an perfekt sein.“ Was dabei außerdem eine große Rolle für mich spielt, ist, mich kreativ weiterhin herauszufordern. Und als Künstler ist es für mich mit Sicherheit die nervenaufreibendste Erfahrung, die ich seit langer Zeit hatte. Ich glaube, bisher lief bei jeder Show irgendeine eine Kleinigkeit schief, ob das jetzt Probleme mit dem Sound waren oder mit der Hardware oder was auch immer. Aber mit diesen Momenten umzugehen, macht es eben auch live, und mit diesen Herausforderungen umzugehen, hält es für mich interessant. Wenn es also auch unglaublich aufreibend ist, ist es zugleich wahnsinnig erfüllend.

Lass uns zu deinem ersten Album zurückgehen – das kam ja zu einer Zeit heraus, als Hoftflush-Bashing gerade besonders angesagt war. Hast du einen Rat, wie man als Künstler mit so einer Situation umgehen kann?
Shaw: Ja, mit Sicherheit. Es ist lustig – also es war ganz und gar nicht lustig zu dieser Zeit, ich denke ich habe das recht persönlich genommen, auch wenn ich das nicht machen hätte sollen. Aber ich denke, wenn dir KünstlerInnen sagen, dass es ihnen ganz egal ist was andere sagen, zumindest über ihre Musik, dass sie nicht ganz ehrlich sind. Jeder hat ein Ego, denke ich. Jeder will doch im Endeffekt, dass Leute gut finden was man macht. Warum sollte man die Musik denn sonst überhaupt herausbringen? Zugleich hat ein jeder das Recht auf seine eigene Meinung, und solange sie konstruktiv und nicht auf eine bittere Art und Weise geäußert wird, ist alles in Ordnung. Aber ich habe definitiv das Gefühl, dass es über die Musik hinausging, in der Zeit als das Album herauskam. Da waren einige sehr persönliche Kommentare, die mir da an den Kopf geworfen wurden, was mich wirklich aufgeregt hat. Und Paul (alias Hotflush-Besitzer Scuba) und die Hotflush-Jungs meinten, ich solle das einfach ignorieren. Das sagt sich zwar leicht, wenn man allerdings derjenige ist, der diesen Schwall an Internet-Hass abbekommt, dann ist das ziemlich schrecklich.


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Wer mir allerdings geholfen hat, das Ganze in einem anderen Licht zu sehen, war Karl (Karl O’Connor alias Regis). Er meinte zu mir: “James, wenn du die Menschen nicht aufregst, wenn du nicht einen Haufen Leute hast, die dich hassen, dann machst du irgendetwas etwas falsch. Wenn du keine starke Reaktion auslöst – ob die Leute hassen was du machst, oder es lieben – dann hast du als Künstler nichts Relevantes zu sagen. Denn dann bewegst du dich nur in diesen sicheren, ausgetretenen Pfaden.“ Und als er das zu mir sagte, traf er bei mir einen Nerv. Und genau so würde ich anderen raten, damit umzugehen. Wenn du nicht genug Staub aufwirbelst, um eine starke Reaktion auszulösen – sei es eine positive oder negative – dann sollest du als KünstlerIn vielleicht lieber gar nichts sagen. Ich denke das führt zurück zu dem was ich zu Beginn angesprochen habe, dass ich anfing, mich deprimiert zu fühlen. Als ich das Gefühl hatte, den Kontakt mit dem verloren zu haben, was mich zu dem macht was ich bin, und was meine Begeisterung für Techno ausgelöst hat. Ich wurde in dieses sichere Mittelfeld gezogen, dieses „Okay, dieses Wochenende spiele ich diese 200 Tracks, und ich weiß ganz genau, dass die auf dem Floor funktionieren“. Und das sind wahrscheinlich die gleichen 200 Tracks, die eine Menge anderer Leute auch spielen. Es ist so wichtig, sich aus in diese sichere Zone herauszuhalten. Ich denke, dass ich bewusst die Herausforderung aufgenommen habe, nach den Tracks zu suchen, die nicht die offensichtlichen banger sind. Ich kam zu dem Punkt, an dem ich die Tracks spielen wollte, die sich für mich am ehrlichsten anfühlten, ganz egal, wie einfach es sein würde, sie zum Funktionieren zu bringen. Denn das Ding ist, diese Tracks können funktionieren, und sie funktionieren. Es ist bloß nicht ganz so einfach, wie den letzten white noise banger zu spielen.

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