Foto: Saeed Kakavand (Konstantin Sibold)
Releases von Konstantin Sibold sind relativ überschaubar, aber gut Ding will Weile haben. Das Trance-Monster „Mutter“ hat er zwei Jahre lang ausgebrütet. Groove-Leser wissen Sorgfalt und mutige Referenzen zu schätzen und haben „Mutter“ zum Hit des Jahres gewählt.
Konstantin, herzlichen Glückwunsch zum besten Track 2016! Kannst du uns etwas zur Entstehungsgeschichte von „Mutter“ erzählen?
Ich habe den Track an einem Nachmittag im Oktober 2014 gemacht. Das Fundament war diese pulsierende MS-20 Acid-Bassline. Die dazugehörige Lead-Melodie hatte ich dann eigentlich sofort im Kopf und intuitiv drübergesummt,
während sich die Bassline ständig wiederholte. Ich kann mich immer noch lebhaft an den Moment erinnern, als ich den Track zum ersten Mal in der Panorama Bar getestet habe: Der ganze Raum pulsierte, war sexuell aufgeladen und losgelöst und trotzdem irgendwie intim. Dann habe ich den Track erst mal liegen und reifen lassen und ihn etwa ein Jahr später in meinen XLR8R-Mix gepackt.
Warum dauerte es noch mal ein halbes Jahr, bis der Track auf Gerd Jansons Label Running Back rauskam?
Nachdem der Podcast erschien, haben sich einige große Namen aus der Szene bei mir gemeldet. Der Track hat dabei ziemlich polarisiert – die einen liebten ihn, die anderen hassten ihn. Auf jeden Fall hat das Lied etwas ausgelöst. Ich wusste, dass es von der Soundästhetik eher groß ist, nicht direkt Big Room, aber für große Floors mit vielen Leuten geeignet. Deshalb wollte ich es nicht auf einem entsprechenden Label veröffentlichen, damit es nicht in eine bestimmte, vielleicht sogar falsche Richtung kippt. Ich hatte Gerd sogar noch gefragt, wo er das rausbringen würde. Dann haben wir eine Stunde telefoniert und dabei merkte ich, dass er den Track genauso hörte wie ich. Für uns war er wie eine gute alte Rave-Nummer, die aber trotzdem einen Schritt weiter geht. An Running Back mag ich, dass es relativ unvorhersehbar bleibt, aber trotzdem Wiedererkennungswert hat.
Der Track war schon ein Hit, bevor die Platte erschien.
Ich lasse eigene Sachen gerne liegen, bis der richtige Zeitpunkt für sie gekommen ist. „Madeleine“ hatte ich auch schon 2010 gemacht, bevor sie 2013 bei Innervisions erschien. 2014 spürte man noch die Nachwehen dieser melodiösen Deep-House-Welle, da hat noch keiner das Wort Trance in einem kredibilen Zusammenhang in den Mund genommen. Nach dem kleinen Rave-Comeback war „Mutter“ wahrscheinlich erst 2016 reif genug.
Was hat dich dazu inspiriert?
Mitte der Neunziger kamen einige meiner All-Time-Favourites raus. Zeitlos schöne Nummern zwischen Techno, Acid und House wie „Zwo Fremde“ von Karo oder „Track 10:30“ von D-Saw. Das sind Tracks, die mit wenigen Elementen
ein Thema über zehn Minuten durchexerzieren und das Spannungslevel dennoch hochhalten, nach dem Motto „weniger ist mehr“. „Mutter“ klingt zwar sehr dicht, besteht aber nur aus zwei Melodiespuren und den Drums.
Aus DJ-Perspektive: Wie hast du 2016 empfunden?
Ich fand 2016 relativ ungreifbar. Viele Sachen passierten parallel zueinander. Aber das ist vielleicht notwendig, damit wieder etwas Neues entstehen kann. Deshalb habe ich auch eher Unbekanntes und meine unveröffentlichten
Tracks gespielt. Musik, die mich dieses Jahr wirklich inspiriert hat, fand häufig außerhalb des Clubs statt. Zum Beispiel All diese Gewalt, das Soloprojekt des Sängers der Stuttgarter Post-Punk-Band Die Nerven.
Wie geht es mit dir musikalisch weiter?
Leif Müller und ich werden auf jeden Fall unsere Stuttgarter Veranstaltungsreihe „Common Sense People“ wie eh und je weiterführen. Gerade habe ich einen Remix gemacht für SHDW & Obscure Shape auf From Another Mind, das sind auch alles Stuttgarter Jungs. Der Remix wird wieder eine sehr ravige, trancige Acid-Nummer. Aber generell will ich mich musikalisch nicht so sehr festlegen, was kommen wird.
Stream: SHDW & Obscure Shape – Gesang der Toten Dinge (Konstantin Sibold Remix)
SHDW & Obscure Shape – Version 004.1 & Version 004.2
01. SHDW & Obscure Shape – Wenn Die Masken Fallen (Rødhåd Remix)
02. SHDW & Obscure Shape – Die Dinge Des Lebens (Dax J Remix)
03. SHDW & Obscure Shape – Nachtblende (James Ruskin Remix)
04. SHDW & Obscure Shape – Die Geliebte Des Anderen (Shlomo Remix)
05. SHDW & Obscure Shape – Die WeiBe Rose (Tale of Us & Mind Against Remix)
06. SHDW & Obscure Shape – Gesang Der Toten Dinge (Konstantin Sibold Remix)
07. SHDW & Obscure Shape – Augen Der Nacht (Ryan James Ford Remix)
08. SHDW & Obscure Shape – Die Macht Des Schicksals (Inland Remix)
Format: 2×12″
VÖ: 23. Februar 2017
Alle Jahresrückblicksthemen findet ihr hier in der Übersicht.