Kein Motherboard ohne Celer? Gerne solange die Qualität von Will Longs nicht nur numerisch überwältigendem Output so hoch ist wie auf Two Days And One Night (Sequel). Dabei ist das Wirkprinzip seiner Klänge einfach reproduzierbar. Das Fundament bildet immer ein warmer flirrender Synthesizerdrone. Einzelne Sprachsamples oder Field Recordings (diesmal aus Tunesien) dienen dazu die Kontinuität des Drones aufzubrechen und zu strukturieren. Das ist auch schon alles. Die Meisterschaft und Subtilität die Long mit diesem simplen Rezept erreicht hat ist allerdings kaum zu toppen.


Stream: CelerFrom The Bus To The Corner, Past The Hypostyle Hall

 


 

Die mikrotonalen Drones des Australiers Julian Day alias An Infinity Room geben sich noch simpler als die Celers, sind aber ähnlich effektiv. Indem er auf White On White (A Guide To Saints/Room40) mehrere identische Analogsynthesizer deren Keyboards mit Metallschrauben fixiert wurden, wie elektrische Stromkreise parallel oder seriell miteinander verschaltet, gewinnt Day raumfüllenden Klangmaximalismus aus einem äußerst minimalistischen Setup.


Stream: An Infinity RoomRhetoric

 


 

Das australische Duo Solo Andata arbeitet seit mittlerweile mehr als zehn Jahren an der Perfektionierung eines kleinteiligen, von Glitch und Electronica beeinflussten Post-IDM Sounds. Ihr fünftes Album In The Lens (12K) unternimmt noch einmal einen großen Schritt in Richtung Ambient. Die eingearbeiteten Samples und Feldaufnahmen sind nur minimal bearbeitet, kaum zersplittert, ja mitunter sogar deutlich wiedererkennbar. Akustische Gitarren, Gongs und Klangschalen geben den Tracks Struktur und Haltbarkeit. Ein intimer Klangraum der Schönheit in den kleinen Dingen findet.


Stream: Solo AndataSeparate Lovers

 


 

Der Pole Tomasz Bednarczyk hat eine vergleichbare Entwicklung von digitaler Kleinteiligkeit zu harmonischem Großmut hinter sich. Nowhere (Room40), sein erstes Album unter dem Alias New Rome fließt gemächlich durch sonnenwarme Täler aus Drone und Pop Ambient. Liebliche aber doch immer interessante Synthesizerlandschaften wie sie jüngst auch Celer, Marsen Jules oder Kenneth James Gibson durchmessen haben.


Stream: New RomeNowhere

 


 

Will Samson wurde mit detailverliebter Electronica und feinpoliertem Pop-Techno bekannt. Wegen eines Unfalls im Mai dieses Jahres musste er eine Zwangspause als Sänger einlegen. Auf seine Schaffenskraft hatten die dabei entstandenen Verletzungen keine Auswirkungen, im Gegenteil. Samson hat die unerfreulichen Umstände zu einem Ambient-Minialbum geformt: Hallflächen aus endlosem Delay in feinstes Bandmaschinenrauschen gebettet. Die improvisiert wirkenden, nur sehr lose strukturierten Stücke des Albums Lua (12K) wirken leichter denn je, wie von allen Zwängen zu beeindrucken oder zu überwältigen befreit.


Stream: Will SamsonYou Are An Ocean (feat. Benoit Pioulard)

 


 

Der Australier Leighton Craig arbeitet ähnlich wie Will Samson mit kaum rauschreduzierten Bandmaschinen und allerlei analogen Hall- und Echogeräten. Sein musikalischer Hintergrund ist allerdings die freie Improvisation, die Experimentalmusikszene seiner Heimatstadt Brisbane. Sein zweites Soloalbum Green Coronet (A Guide To Saints) ist dadurch auch etwas fordernder und harscher als Samsons. Dennoch bleibt auch Craig im Rahmen von mitternächtlich gestimmtem Ambient und scheut den Wohlklang keineswegs.


Stream: Leighton CraigGreen Veil

 


 

Das Fossil Aerosol Mining Project aus Chicago kann auf stolze 30 Jahre Aktivität zurückblicken. Revisionist History (Afterdays Media/The Helen Scarsdale Agency) macht dies ohne jegliche Nostalgie und mit derselben politischen und klanglichen Schärfe, die das Musiker- und Künstler-Kollektiv seit jeher auszeichnete. Ihr postapokalyptischer Dark Ambient aus rostiger „Found Footage“, Industrial-Tapeloops und schweflig korrodiertem Feedback hat an Dringlichkeit nichts verloren. Noch immer kartieren sie die toxischen Hinterlassenschaften des kalten Kriegs, die verlorenen Orte eines vergessenen Fortschritts- und Wohlstandsoptimismus.


Stream: Fossil Aerosol Mining ProjectIsky And Little Eyes

 


 

Dass all die hier verhandelten elektronischen Mikrogenres trotz aller Miniaturkontraste und Reibungspunkte doch miteinander harmonieren können, und auch in kurzer Form jenseits des üblichen Albumformats bestehen können, zeigt die überaus geschmackssicher zusammengestellte Compilation Orbital Planes & Passenger Trains Vol. 1 (Serein). Huw Roberts feines Label Serein bespielt darin die offenen Grenzen von Ambient, Neoklassik, Postrock, IDM und Glitch auf denkbar subtile Weise. Von den extrem leisen und extra-unauffälligen Pianoetüden Otto A. Totlands zur hibbelig-relaxten Electronica des Japaners Ametsub wird hier mal wieder vorgezeigt wie viel tolle Klänge auch jenseits der großen, etablierten Namen und Labels existiert und gehört werden möchte, ja muss.


Stream: Orbital Planes & Passenger Trains Vol. 1

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