Drei Klassiker von José Padilla
Texte: Harry Schmidt
Café del Mar – Ibiza (React, 1994)
Ungewöhnlich genug, dass Padillas Beitrag zur Clubmusikgeschichte am Besten durch seine Compilations charakterisiert wird. Dabei ist er – wie gleich zu Beginn dieser Blaupause aller kommenden Ambient-Lounge-Sampler – immer wieder auch selbst als Produzent in Erscheinung getreten. Ob man es Chillout-, Nu- oder Future-Jazz, Downtempo oder Downbeat nennt: Mit dieser Compilation hat Padilla 1994 eine beispiellose Welle ausgelöst, die – seitdem kaum verebbt – aktuell als eigenes Genre unter dem Begriff Balearic einen zweiten Frühling erlebt. In der Rückschau bemerkenswert die Mannigfaltigkeit der Quellen: Indie-Wave von Penguin Café Orchestra neben seinerzeit bereits etablierten Electronic-Acts wie William Orbit, Leftfield und Underworld. Dazu Entdeckungen wie Sun Electric und One-Hit-Wunder wie Sisterlove und Ver Vlads.
Video: Sisterlove – The Hypnotist
Café del Mar – Ibiza – Volumen Dos (React, 1995)
Für manche schon der frühe Höhepunkt der Serie. Die Idee, einen Soundtrack des Lebens ganz aus dem Genius loci eines Clubs zu entwerfen, wurde rasch unter den Stichworten Fahrstuhlmusik, Hintergrundbeschallung und funktionalistischer Rückzug angefeindet – mutlose Musik, die sich mit der Rolle einer Tapete zufriedengebe. Eine heute geradezu reaktionär wirkende Argumentation: Runder in wendungsreicher Dramaturgie und ausgefeilter Dialogregie ist das auch Padilla selbst, der nur die ersten sechs Ausgaben der Café-del-Mar-Compilations persönlich zusammengestellt hat, später nur noch selten geglückt. Vom tiefenentspannten Anfang (Silent Poets: „Moment Scale“) über entrückten Synthpop (A Man Called Adam: „Easter Song“) und der majestätischen Deepness des zentralen Ankerstücks (Salt Tank: „Sargasso Sea“) bis hin zum schicksalsschwer dräuenden Ende (Sabres Of Paardise: „Haunted Dancehall“) – eine wirklich exzellente Selection, inklusive der Flamenco-Jazz-Ikone Paco de Lucia.
Video: Paco de Lucia – Entre dos aguas
Café del Mar – Ibiza – Volumen Cinco (Manifesto, 1998)
Letztlich hat fast jeder seinen eigenen Café-del-Mar-Favoriten. Daher stellvertretend für die Nummern Drei (Volumen Tres), Vier (Volumen Cuatro) und Sechs (Volumen Seis) der Serie die wenn nicht beste, so doch mit einer halben Million verkaufter Kopien auf jeden Fall erfolgreichste Ausgabe von Padillas Traumkulissen-Malereien. Eröffnet mit Bollywood-Klängen von A.R. Rahman reiht er seine Perlen in der Dämmerung auf: Lambs „Transfatty Acid“ im K&D-Remix, „Penelope“ von 4 Wings, Âme Strongs „Tout Est Bleu“, die Massive-Attack-Bearbeitung von Les Negresses Vertes’ „Face A La Mer“, Electribe 101s „Talking With Myself ’98“. Wer hierzu nicht chillt, kann vermutlich gar nicht entspannen. Ohne Padillas Compilations wäre das Café del Mar nicht das geworden, was es ist: ein Mythos, der um die Welt geht.
Video: Les Négresses Vertes – Face à la Mer (Massive Attack Remix)