Text: Hans Nieswandt | zur Übersicht der 50 besten elektronischen Alben
Erstmals erschienen in Groove 145 (November/Dezember 2013)
Als 1997 das erste Album von Daft Punk erschien, musste schließlich auch das allerletzte Indie-Kid kapieren, wie spät es ist. House und Disco waren nun auch in diesen Kreisen endgültig anschlussfähig geworden. Das lag natürlich zu einem mehr als beträchtlichen Teil an der phänomenalen, überwältigend rockenden Musik. Nicht zuletzt aber auch an der Einführung einer neuen Art von Attitüde, einer rebellischen, quasi-revolutionären Haltung, die es so ähnlich, eigentlich viel radikaler, zwar schon im Underground von Detroit gegeben haben mochte. Noch nie aber von so herrlich schicken, jungen, europäischen White Boys. Homework war für House, was Licensed To Ill von den Beastie Boys für HipHop gewesen war: eine Aneignung schwarzer Musik für den jungen, weißen Rebellen ohne Grund. Aber, auch hierin ähnlich, nicht als platter Diebstahl, sondern als respektvolle Referenz bei gleichzeitiger Weiterdrehung des Prinzips.
Der Respekt äußerte sich auf Homework am prägnantesten in dem Track „Teachers“, dort zählen sie alle ihre schwarzen House-Helden aus Chicago und anderen Metropolen des Genres auf. Die „Revolution 909“ (so der Name eines anderen zentralen Track des Albums), also der neue Dreh, zeigte sich in einer konsequent punkigen Nutzung des Filters, des Samplers und der Kompression. Sie entsprachen den berühmten drei Akkorden des Punks, und sie bedeuteten: jeder kann dies tun.
Die Mittel, mit denen sie arbeiteten, kontrastierten aber stark mit dem Material und den Images, die sie verwendeten. Ein großer Assoziations-Aufschlag war das, unnachahmlich versinnbildlicht auf der Innenseite des genialen Klapp-Covers, dem Bild eines Schüler-Schreibtischs anno zirka 1976. Was hier visualisiert wurde, war die so geniale wie einflussreiche Idee, dass House Music so aufregend, so aufrührerisch sein konnte wie Glam Rock. Zurecht gingen sie damit „Around The World“ und sind bis heute unangefochtene Dons der elektronischen Tanzmusik. Auch wenn sie, zumindest für meinen Geschmack, nie wieder so gut, so roh und so direkt waren wie auf diesem Meilenstein, diesem Fels von Debütalbum.
Video: Daft Punk – Burnin