Das Musikvideo feierte 2013 ein nicht zu übersehendes Comeback: Selten wurde soviel über einzelne Clips und ihre Inhalte diskutiert und schon lange nicht mehr investierte die Musikindustrie so viel in aufwändige und zum Teil innovative Videoproduktionen. Spätestens seit die Anzahl der Videoabrufe bei Youtube direkt die Platzierungen in den amerikanischen Billboard-Charts beeinflußt (eine Entscheidung, die im Februar getroffen wurde), befindet sich das Format im Aufschwung. Zum Jahresbeginn sorgte noch ein viraler Videohit (Baauers „Harlem Shake“) für Aufsehen, danach nahm die Industrie das Heft wieder selbst in die Hand und produzierte eigene Aufreger – etwa mit hyper-sexualisierten bis sexistischen Clips für Popstars wie Robin Thicke oder Miley Cyrus. Die tatsächlich spannenden Produktionen sollten später folgen – Pharrells „Happy“ und Bob Dylans „Like A Rolling Stone“ erhielten etwa Videos, die erstmals die interaktiven Möglichkeiten von Online-Clips auf überzeugende Weise ausloteten. Für unseren Jahresrückblick haben wir zwölf aufregende Musikvideos aus der elektronischen Musikwelt ausgesucht.
Januar: COMA – Hoooooray
Einsamer Frankenstein-Hipster findet Erlösung im Berghain: das anrührendste Zeichentrickvideo des Jahres. (Zeichnung/Animation: Nils Knoblich)
Februar: Bonobo – Cirrus
Archivaufnahmen aus der Wirtschaftswunderzeit der sechziger Jahre mutieren in diesem fantastisch animierten Clip zu gigantischen Maschinen. (Animation: Cyriak)
März: The Knife – A Tooth For An Eye
Die beste Männertanzgruppe des Jahres und ein Vorgeschmack auf die ausgefallene Live-Show, mit der The Knife im weiteren Verlauf des Jahres rund um den Globus für Diskussionen sorgten. (Regie: Roxy Farhat & Kakan Hermansson)
April: AlunaGeorge – Attracting Flies
Sängerin Aluna Francis ist in dieser Inszenierung Grimm’scher Märchenstoffe im London des Jahres 2013 unter anderem als Rapunzel, Rotkäppchen und die Prinzessin auf der Ecstasy-Pille zu sehen. (Regie: Emil Nava)
Mai: Emika – She Beats
Die dunkle Seite der Sexualität erforscht Emika in „She Beats“ – ein verstörender Gegenentwurf zur eindimensionalen Sexploitation à la Cyrus und Thicke. (Regie: Matt Lamb)
Juni: Siriusmo – Itchy / Cornerboy
„Der Star des Videos ist Siriusmos Kumpel MC Ramon, der wohl einzige Rapper Deutschlands, der sowohl eine Karriere als Drum’n’Bass-MC als auch als Schlagersänger vorweisen kann.“ (Regie: Jakob Grunert)
Juli: Matias Aguayo – Do You Wanna Work
Simpel, aber hypnotisierend: Matias Aguayo lässt das Vinyl-Presswerk im Cómeme-Takt arbeiten.
August: Oneohtrix Point Never – Problem Areas
Hyperrealistische digitale Stilleben des Künstlers Takeshi Murata machen dieses Video zu einer außergwöhnlichen visuellen Erfahrung. Die weiteren Clips zum Oneohtrix Point Never-Album R Plus Seven („Boring Angel“, und definitiv nicht jugendfrei: „Still Life (Betamale)“) sind ebenfalls bemerkenswert.
September: Chase & Status – Count On Me (feat. Moko)
Mit aufgemotzten Kleinwagen, tanzenden Bauarbeitern und Rave-Bildern versucht dieser Clip die Euphorie der neunziger Jahre heraufzubeschwören. Hat für die beste Zopf-Frisur des Jahres einen Spezial-Preis verdient. (Regie: Charlie & Joe)
Oktober: Flume & Chet Faker – Drop The Game
Thom Yorkes Bemühungen in allen Ehren: Das beste reine Tanzvideo des Jahres ist dank der Mitwirkung des New Yorker Streetdance-Königs Storyboard P dieses hier. (Regie: Lorin Askill)
November: David Bowie – Love Is Lost (Hello Steve Reich Mix by James Murphy)
Genial: Klatschende Hände zerfallen in Polygone, Polygone formen ein Liebespaar, Liebespaar zerfällt in Pixel. (Regie: Barnaby Roper)
Dezember: Jeremy Deller X Hudson Mohawke – Rave
Der britische Künstler Jeremy Deller lässt sonst gerne Acid House-Stücke von Blaskapellen nachspielen. Zusammen mit dem Label Warp veranstaltete er im Dezember einen Abend mit Konzerten und Performances in der Londoner Tate Modern Gallery, zuvor entstand dort unter anderem dieses Video. (Regie: Rollo Jackson)