Wer seine Wurzeln nicht kennt, hat keinen Halt. Unsere Herkunft kann vieles sein, nicht revidierbare Hypothek oder Ursprung für Stolz und Verantwortung. Die einen verleugnen ihre Lebensquellen, beschönigen oder schreiben sie in der Gegenwart um, damit die Zukunft den Halt bietet, den man der eigenen Vergangenheit abspricht. Für die anderen ist das Wort Herkunft ein Gefäß mit diffusem Inhalt. Luke Slater ist in Großbritannien geboren und könnte voreilig der ersten Partei zugeordnet werden, doch so einfach ist es bei dem 45-Jährigen Techno-Dino nicht. Als Viertel-Amerikaner, Viertel-Südkoreaner und Halb-Brite kennt er die zweifelnden Fragen der Herkunftslosigkeit ebenso wie die Vielfalt und somit Unbestimmbarkeit der eigenen Identität. Sein neues Album Unknown Origin transportiert genau diese Botschaft: Irgendwie passt es da, dass seit 2008 kein Release mehr unter seinem Namen folgte. Als L.B. Dub Corp veröffentlichte er bereits 2010 eine 12-Inch auf Ostgut Ton, seiner zweiten Label-Heimat, und kehrt drei Jahre später mit einer LP zurück, die alle Gründe zusammenbringt, warum wir das Albumformat weiterhin lieben sollten: Abwechslungsreichtum, Entdeckungsvielfalt und für sich stehende Tracks.
Slater nimmt seine tiefe spirituelle Verbundenheit zu Dub-Sounds als Ausgangslage und lässt den führenden Dub-Poeten Benjamin Zephaniah beim Opener „Take A Ride“ einen lasziven Willkommensgruß ausrichten. Eingetaucht warten zunächst grazile Tribal-Spielereien, die von einem eindrucksvoll arrangierten House-Monster abgelöst werden („Ever And Forver“). Ohnehin sind die Chicago-Reminiszenzen samt traumhaft himmlischen Chords („Trouble In Paradise“) und bouncender Euphorie strahlende Höhepunkte („Turners House“). Zephaniahs zweiter Beitrag „I Have A Dream“ ist eine Ansage gegen die Unbelehrbarkeit und Pamphlet für Multikulti. Ja, Slater wird hier quasi erstmals politisch – steht ihm gut. „Roller“ wird seinem Ruf als verrückter Techno-Alchemist dann doch wieder gerecht. Die Kollaboration mit Function ist ein düsterer Hybrid, der mit seinen dubbigen Schlieren, dem technoiden Grundgerüst und der im Dickicht versteckten House-Silhouette Unknown Origin auf den Punkt bringt. L.B. Dub Corp bildet nicht nur das Gegengewicht zu Planetary Assault Systems, sondern ist die narrativere Persönlichkeit eines Produzenten, der es auch nach 20 Jahren im Business versteht, den Pfad der begeisternden Überraschung einzuschlagen. Es kommt eben nicht darauf an, wo du herkommst. Es zählt, wo du hingehst.
Stream: L.B. Dub Corp – Unknown Origin (Preview)