Text: Martin Eberhardt, Foto: Virginia Garfunkel (Sebo)
Erstmals erschienen in Groove 143 (Juli/August 2013)
Die Genehmigungen für legale Open Airs sind vor allem im stadtnahen Raum nicht immer einfach zu erhalten, wodurch gerade in Berlin jedes Wochenende zahlreiche illegale Partys in Parkanlagen stattfinden. In Zürich können sich junge Leute seit 2012 durch ein vereinfachtes Bewilligungsverfahren, die sogenannte Jugendbewilligung, kleine Open Airs kurzfristig genehmigen lassen, in Halle läuft ein ähnliches Projekt dieses Jahr testweise an. Wir haben uns darüber mit dem Berliner DJ Sebo, der seit sieben Jahren im Veranstalter-Kollektiv Bachstelzen aktiv ist und über reichlich Erfahrung mit der Planung, Organisation und Durchführung von Open Airs verfügt, und dem Züricher Patrick Pons, der als Projektleiter beim Schul- und Sportdepartement die Jugendbewilligung vergangenes Jahr konzipiert und vorangetrieben hat, unterhalten.
Patrick, warum habt ihr euch für die Jugendbewilligung entschieden? Sind die illegalen Open Airs in Zürich zum Problem geworden?
Patrick Pons: Im Sommer 2011 hatten wir bei der Auflösung von illegalen Open Airs immer mehr Konflikte zwischen Veranstaltern und Polizei. Nachdem es dann im Spätsommer bei zwei großen illegalen Partys zu Randalen gekommen ist, hat sich der Stadtrat des Themas angenommen. Mit der Jugendbewilligung wollten wir Freiräume ermöglichen und Konflikte zwischen Jugendlichen und Polizei reduzieren. Wir haben die Jugendlichen in der Ausarbeitung der neuen Praxis direkt mit einbezogen.
Was genau wurde denn durch die Jugendbewilligung vereinfacht und an welche Regeln müssen sich die Veranstalter halten?
Pons: Mit der Jugendbewilligung haben wir vormals illegale Open Airs legalisiert. Wir sprechen hier von nichtkommerziellen Partys für bis zu 400 Personen. Wenn die gewünschten Plätze dafür geeignet sind, die Sicherheit gewährleistet werden kann, keine Anwohner gestört werden, die Veranstalter aus Zürich kommen und zwischen 18 und 25 Jahren alt sind, dann können wir die Partys nach einem Anruf bei uns und dem Ausfüllen eines simplen Formulars innerhalb von fünf Arbeitstagen genehmigen.
Und wie sind eure bisherigen Erfahrung mit dieser Regelung?
Pons: Bisher wird das sehr gut und verantwortungsvoll angenommen, Konflikte konnten wir minimieren. 2012 haben wir 30 Partys bewilligt, 21 wurden durchgeführt. Gleichzeitig sank die Zahl der illegalen Open Airs. Hin und wieder kommt es zu Lärmbelästigungen, die wir mit einem Telefonanruf an den Veranstalter während der Party schnell in den Griff bekommen. Ansonsten lief alles immer friedlich ab, es kam zu keinen Zwischenfällen und auch mit dem Müll gab es keine Probleme.
Was denkt ihr, wie realistisch eine solche Regelung für Berlin und andere Städte wäre?
Sebo: Nachdem ich von der neuen Regelung in Halle gehört habe, dachte ich, dass das jetzt ein Jahr lang ausgenutzt wird und im nächsten Jahr wird die Regelung wieder zurückgezogen. Ich find es aber schön zu sehen, dass das Ganze in Zürich so gut funktioniert. In Berlin ist das Anwohnerproblem sehr schwierig, da viele Parks zentral im Stadtinneren liegen. Um so eine Regelung hier durchzusetzen, müsste in den Köpfen vieler junger Leute auch erst mal ein ganz anderes Bewusstsein herrschen.
Pons: Lärm ist ein sehr sensibles Thema. Am Montagmorgen mussten wir nicht selten die Leute besänftigen, die sich übers Wochenende bei uns beschwert haben, viele haben den Sinn der Jugendbewilligung aber nach dem Gespräch verstanden.
Sebo, wie schätzt du die Entwicklung der Berliner Open-Air-Szene in den vergangenen Jahren ein? Stichwort „anderes Bewusstsein“ …
Sebo: Einerseits kommen immer mehr neue junge Veranstalter nach Berlin, die überhaupt keine Ahnung davon haben, wie man mit dem Lärm- und Müllthema umzugehen hat, wobei man das eigentlich wissen sollte. Es gibt aber auch zahlreiche verantwortungsbewusste Veranstalter, die Rücksicht nehmen und die Plätze sauber hinterlassen. Ich finde das Konzept aus Zürich ziemlich interessant, wenn man das noch mal überdenkt und auf Berlin zurechtschneidet, könnte das hier vielleicht auch ganz gut funktionieren, zumindest als Tendenz, um das Thema nicht im Keim zu ersticken, sondern zu versuchen, beiden Seiten ein gutes Gefühl dabei zu geben.