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NIMM ZWEI Ellen Allien trifft Marcel Fengler

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Text: Patrick Schütz, Illustration: Martin Flesch
Erstmals erschienen in Groove 141 (März/April 2013)

Tanzbare Clubmusik ist für die meisten Produzenten Alltag. Was es aber heißt, elektronische Musik für professionelle Bühnentänzer zu schreiben, haben Ellen Allien und Marcel Fengler erfahren. Im Frühjahr 2011 steuerte Ellen Allien die Musik zu dem Stück Drama Per Musica bei, das im Pariser Centre Pompidou aufgeführt wurde. Jetzt legt sie mit LISm eine überarbeitete Version im Albumformat vor. Unterdessen ist Marcel Fengler neben Efdemin, Henrik Schwarz, Frank Wiedemann und Marcel Dettmann einer der Produzenten, die die musikalische Gestaltung des Projektes Masse, einer Zusammenarbeit des Berghain mit dem Berliner Staatsballett, übernommen haben.

 

Ellen und Marcel, wie kamen die Projekte eigentlich zustande? Suchen die Choreografen nach Leuten aus der Technoszene oder umgekehrt?

Ellen Allien: Ich wollte schon immer mal eine längere Soundtrack-Geschichte erzählen, habe es aber nie gemacht – bis der Choreograf Alexandre Roccoli mich bat, für seine Tanzperformance die Musik zu schreiben. Ich interessiere mich schon sehr lange für Tanz und Bewegung, also auch für Körper und Bühnenbild. Das Projekt erschien mir sehr ausdrucksstark, also habe ich zugesagt.

Marcel Fengler: Der Kontakt zu den Choreografen bestand bereits durch das vorangegangene Projekt Shut Up And Dance!, das 2007 im Berghain stattfand. Der Nachfolger Masse sollte eigentlich im November 2012 Premiere haben, musste aber verschoben werden, weil es von öffentlicher Seite einfach zu viele Hürden gab.

Kommen die Choreografen mit bereits fertigen Ideen auf euch zu oder wie läuft das ab?

MF: Zunächst gab es das Metathema „Masse“, was jeder Choreograf für sich interpretiert hat. Entlang eines von unserer Choreografin grob entworfenen Storyboards haben wir dann die Stimmungen einzelner Szenerien zusammen entwickelt. Musikalisch stand uns (Fengler und Efdemin, Anm. d. A.) dabei alles offen. Trotzdem war es uns wichtig, Musik zu produzieren, die auch ohne das Bühnenbild und visuelle Reize die Stimmung und Magie der Choreografie transportieren kann.

EA: Bei mir gab es eine richtige Geschichte, angelehnt an die Gegenbewegung des New York der fünfziger Jahre, also die Beat Generation, nur halt übertragen auf die heutige Zeit mit Techno. Das ist ja auch eine Art Gegenkultur. Etwas, das uns aus unserem Alltag rausreißt. Es gab ein Bühnenbild und eine Timeline, und ich musste mir vorstellen, was da auf der Bühne passiert. Musikalisch hatte ich, bis auf ein paar Geräusche von der Bühne und vorgegebene Vocals, freie Hand.

MF: Ich fand es großartig, musikalisch mal etwas jenseits der Regeln der Clubtauglichkeit zu produzieren.

Also eine Art Befreiung von der geraden Bassdrum?

MF: Wir haben jetzt nicht versucht, bewusst etwas total Experimentelles zu machen. Aber es war trotzdem befreiend, nicht in den Strukturen zu arbeiten, die man gewohnt ist. In einem anderen Kontext kann eine Kick einen ganz eigenen Charme entwickeln. Das Spannende bei Masse war für mich gerade die Durchmischung von klassischen, teilweise orchestralen Mustern und elektronisch produzierten Sounds.

EA: Da die Vorgeschichte bei mir diesen Subkulturkontext hatte, gab es auch bei der Aufführung einen technoideren Teil. Das ist auf LISm aber nicht mehr so. Die Aufführung war einmalig und ist abgeschlossen. Ich habe das Stück danach ein Jahr lang immer wieder gehört und dann angefangen, es komplett zu überarbeiten. So ist es etwas völlig Eigenes geworden. LISm ist sozusagen mein persönlicher Soundtrack, mit einer ganz anderen Stimmung und einer eigenen Geschichte.

Es gab tatsächlich nur diese eine Aufführung?

EA: Wir hatten Angebote, damit auf Tour zu gehen. Aber ich habe abgelehnt. Ich hätte es gerne gemacht, aber wenn es gut werden soll, braucht man für so eine Arbeit sehr viel Zeit. Die hatte ich einfach nicht.

MF: Ja, Zeit spielt eine wichtige Rolle in solch komplexen Projekten. Das muss man gut managen, was nicht immer einfach war. Aber es hat sehr viel Spaß gemacht und ich habe Lust, wieder in dieser Richtung zu arbeiten.

EA: Geht mir auch so. Es ist gut für einen selbst, aber auch für unsere Szene, sich nicht immer nur über den Club und die nächste Bassdrum zu unterhalten, sondern sich mit Leuten auszutauschen, die etwas ganz anderes machen.

Ellen Alliens Album LISm ist bei BPitch Control erschienen. Der Soundtrack zur Ballettproduktion Masse erscheint am 10. Juni 2013 bei Ostgut Ton.

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