Diesen Freitag, den 22. März, erscheint endlich Amygdala, das neue Album von DJ Koze. Schon heute gibt es das mit 13 Stücken sowie zahlreichen Gastauftritten von unter anderem Caribou, Milosh, Dirk von Lowtzow, Matthew Dear oder Ada gespickte Werk komplett im Stream bei den Kollegen von NPR Music zu hören.
Für die aktuelle Groove-Ausgabe #141 sprachen wir mit Koze über Jazz, das Altwerden mit elektronischer Musik, sein Label Pampa und natürlich auch Amygdala. Einen Auszug daraus könnt Ihr hier lesen. Und ab diesen Samstag ist Koze übrigens auch wieder auf Tour durch die Clubs in Deutschland unterwegs.
Stefan, dein neues Album Amygdala ist nach dem Teil des Gehirns benannt, der wesentlich an der Entstehung der Angst beteiligt ist. Wie kamst du darauf?
Ich habe irgendwann mal einen Vortrag von so einem Brain-Wissenschaftlicher auf Youtube gesehen. Ich sag dir, der feierte die Angst hart. Ohne sie wären wir auch gar nicht hier, wir stammen nämlich vom Schisser ab, sagte der. Weil wir damals, vor was weiß ich wievielen Jahren, nicht einfach an der Schlange vorbei gegangen sind, und gesagt haben, „Oh, das wird ein Stock sein“, sondern, „Oh, ‘ne Schlange!“ Deshalb sind wir noch da, und dafür ist die Amygdala zuständig. Außerdem sieht das auch als Wort einfach schön aus.
Angstvolle Gefühle lösen die neuen Tracks allerdings zum Glück nicht aus. Eher positive, weil da viel Soul drinsteckt, fast ein wenig Pathos manchmal, nicht mehr so viel Dada.
Ich habe das Gefühl, je älter ich werde, desto weniger Zeit habe ich, albernen Quatsch zu machen. Weil du sagst Pathos: Manchmal finde ich es gut, wenn man das eben so hinklotzt und sagt, das ist jetzt so, wenn es euch in der richtigen Stimmung packt: okay. Denn mich haben ja alle Lieder mal bewegt in irgendeiner Form. Obwohl ich da auch immer gegensteuere, weil ich eine totale Angst vor Pathos habe, gleichzeitig weiß ich aber auch, dass mich das manchmal total erwischt. Ich mag es aber, wenn da noch was ist, das stört. Das Böse ist nicht einfach nur Böse über acht Minuten, sondern es kommt noch mal Wärme, ich brauche immer ‘ne Überraschung. Ich liebe auch Berghain-Techno, aber ich hätte Angst davor, dass drei Stunden lang nicht mal ‘ne Rhodes oder irgendein Bruch kommt, weil ich dann Schiss hätte, dass ich mich umbringe. Das ist mir echt zu konsequent puristisch. Aber es ist total wichtig, dass es sowas gibt. Eigentlich habe ich Angst vor Pathos, aber auch vor nichtssagender, cooler Musik.
Welche ja dann meist als sogenanntes DJ-Tool durchgeht. In dem bereits angesprochenen Interview von 2009 meintest du auch, dass die „Funktionalität“ von Tracks ein grauenhafter Ansatz wäre, um Musik zu produzieren.
Ja, dabei bin ich ja selbst DJ. Ich habe das manchmal selbst im Kopf: Ah, die Nummer funktioniert oder eben nicht. Ich kann mich da selbst nicht ganz frei von machen. Bei meiner eigenen Musik habe ich immer das Gefühl, sie funktioniert nicht so gut im Club. Weil ich immer viel zu wenig Hi-Hats habe. Was ich so höre, in den Beatport-Charts oder so, da raschelt das von hinten bis vorne durch, auf einem Energielevel, auf den ich überhaupt nicht komme.
Dein Remix für Herberts „It’s Only“ ist auch sehr reduziert. Trotzdem war der Track bei Resident Advisor in den Charts auf der Platz eins.
Ja, da gibt es gerade ein riesiges Feedback, alle Leute schreiben mir, das lief gestern, total magisch und so. Ich finde ja auch, die besten Lieder sind immer die, die sich nicht so homogen in den Mix einfügen. Wo man als DJ mit anfängt oder darauf hinarbeitet, und dann perlt das so runter und hat gar keine Hi-Hats oder nur Hi-Hats und keine Bassdrum. Man kann natürlich nicht nur solche Lieder aneinanderreihen, aber wenn man dann immer hört, das ist nicht einfach zu spielen, dann denke ich: Ja, aber eigentlich sind die tollsten Lieder nicht einfach zu spielen.
„It’s Only“ war nach knapp zweieinhalb Jahren auch dein erstes musikalisches Lebenszeichen und zugleich irgendwie auch Vorbote für Amygdala. Hast du so lange an dem Album gearbeitet oder wie sind die Tracks dafür entstanden?
Die Stücke stammen alle aus den vergangenen acht Jahren, also der Zeit seit meinem letzten Album (Kosi Comes Around, Anm. d. A.) auf Kompakt. Ich habe danach ja einige Singles und viele Remixe gemacht, und 2011 war da noch „Blume der Nacht“, aber stimmt schon, ich habe mich dann erst mal viel ums Label (Pampa, Anm. d. A.) und die anderen Alben und Platten gekümmert.
Es gibt Produzenten wie Shed, deren Arbeitsweise funktioniert eher nach dem Motto: Ich hocke mich einen Monat lang ins Studio und dann ist das Album fertig. Bei dir funktioniert das scheinbar nicht so.
Das ist irgendwie auch ein toller Ansatz, wenn du dir ein limitertes Setup und Zeitfenster gibst, und dann sagst: Was in den 30 Tagen rauskommt, das muss es halt sein. Ist auch spannend. Ich hingegen mache und feile die ganze Zeit, und dann lasse ich es weinkellermäßig erstmal liegen.
Aber hat man so am Ende nicht unzählige Tracks und kann sich überhaupt nicht mehr entscheiden, was nun aufs Album soll?
Stimmt, ich habe jetzt sogar noch mal 80 Minuten Musik oder so, fast wie ein zweites Album. Stücke, die eher so Hinführungen sind, Ambient, nicht so funktionale Musik.
Wäre ein Doppelalbum dann nicht der große Wurf gewesen?
Nee, ich habe das Gefühl, es erschlägt einen ja jetzt schon fast. 78 Minuten, das ist verdammt viel Information. Dann habe ich mich aber dafür entschieden: Wenn ich schon acht Jahre lang kein Artistalbum mehr gemacht habe, dann muss ich alles raushauen, was ich relevant finde oder in sich schlüssig ist.
Und wie hast du entschieden, was am Ende auf das Album kommt, hast du andere um Rat gefragt?
Also Markus (Fink, Mitbetreiber von Pampa, Anm. d. A.) hat mir schon sehr geholfen. Und selber gehe ich ja dann auch immer schwanger mit den Liedern. Manchmal finde ich sie dann wieder öde, und bis ich das selber sehe, was jetzt eigentlich gut und was schlecht ist, dauert das auch ganz schön lange. Man muss auch manchmal vergessen und liegen lassen. So mache ich eigentlich schon ewig Musik, aber ab und zu kommen da auch Schnellschüsse, das ist ja auch gut, das Hilde-Stück („Ich schreib’ dir ein Buch 2013 feat. Hildegard Knef“, Anm. d. A.) ist an einem Abend entstanden, im Rotweinrausch. Im Nachhinein natürlich noch mal verfeinert, aber die grobe Skizze war schnell gemacht. Ich erinnere mich noch, dass ich diese komischen Samples, die so Todd-Terry-mäßig daherkommen, sogar mit der Laptoptastatur im Bett eingespielt habe, die sind nicht gerade und stimmen auch nicht, und das wollte ich unbedingt so lassen.
Fällt es dir leicht, solche „Fehler“ in den Tracks zu lassen?
Ich bin da schon perfektionistisch, aber Fehler drin zu lassen, ist auch eine Art Perfektionismus. Wenn es da aber eine nervige Frequenz gibt, dann heißt das, die Hi-Hat muss einfach leiser. Das ist ein Spagat irgendwie.
Das vollständige Interview könnt Ihr in der aktuellen Groove-Ausgabe #141 nachlesen.
Das Album Amygdala erscheint am 22. März bei Pampa Records.
DJ Koze – Amygdala (Pampa)
01. Track ID Anyone feat. Caribou
02. Nices Wölkchen feat. Apparat
03. Royal Asscher Cut
04. Magical Boy feat. Matthew Dear
05. Das Wort feat. Dirk Von Lowtzow
06. Homesick feat. Ada
07. La Duquesa
08. Marilyn Whirlwind
09. My Plans feat. Matthew Dear
10. Dont Lose My Mind
11. Amygdala feat. Milosh
12. Ich Schreib’ Dir Ein Buch 2013 feat. Hildegard Knef
13. Nooooo feat. Tomerle & Maiko
Format: Vinyl, CD, Download, VÖ: 22.03.13
DJ Dates
23.03. München – Bob Beaman
30.03. Amsterdam – Mdsm Dockland
31.03. Köln – Gewölbe
13.04. Hamburg – Uebel&Gefährlich
19.04. Nürnberg – Rakete
20.04. Stuttgart – Rocker33
30.04. Leipzig – Conne Island