Texte: Daniel Fersch, Marco Heinzmann, Heiko Hoffmann, Felix Hüther, Arno Raffeiner
Fotos: Marco Heinzmann
Florian Hecker (PAN Label-Nacht, 31.01.2013, Berghain)
Die ganz große Dröhnung. Ein Kunstwerk von kolossalen Ausmaßen und kolossaler Wucht: Das gesamte Berghain als begehbare Klanginstallation. Beim PAN-Label-Abend beschallt Florian Hecker drei Ebenen des Gebäudes zeitversetzt mit unglaublichem Grollen, Fiepen und Getöse. Der Künstler ist nicht zu sehen, das Publikum schiebt sich, mit Gesichtsausdrücken, die auf Ohrensausen, Darmquetschung oder Verzückung schließen lassen, die Treppen hoch und runter – oder besser: es wird geschoben. Hecker veranstaltet einen derartigen Kunstkrach, dass einem nur so die Schuppen von den Augen schlackern. Er bietet eine frische Perspektive auf das, was der Club ohnehin immer ist: ein Ort der Begegnung und Bewegung, der verzerrten Kommunikation, getrieben von der Kraft des Schalls. Der halbe Tinnitus hat sich gelohnt.
Text: Arno Raffeiner
Gatekeeper (02.02.2013, Haus der Kulturen der Welt)
Wie in einem 3D-Videospiel der ersten Playstation-Generation fliegt die Kamera durch surrealistische Wald- und Gebirgslandschaften. Außer Pflanzen und Bäumen sind keine Lebewesen zu sehen – kein feindliches Alien schießt mit Plasmawaffen, keine Raumgleiter-Besatzung fordert zum Wettrennen auf. Stattdessen ist der Retro-Ravesound des New Yorker Duos Gatekeeper zu hören, das sein Debütalbum Exo im großen Saal des HKW zu Projektionen des Videokünstlers Tabor Robak aufführt. Die Musiker stehen vor der Leinwand und bilden so eine Barriere zwischen dem Publikum und den Animationen. Die Kombination von Musik und Projektion hätte in einem richtigen Kinosaal mit Großleinwand, 3D-Technik und Surround-Klang sicher viel eindrucksvoller gewirkt. So wünscht man sich vergeblich, selbst in den Film eintauchen zu können. Es ist, als würde man jemanden beim Computerspielen zusehen, dürfte aber nie selbst an den Controller.
Text: Marco Heinzmann
Pantha du Prince & The Bell Laboratory (30. & 31.01.2013, Hebbel am Ufer)
Zu den mit Spannung erwarteten Auftritten beim CTM gehörten die beiden ausverkauften Konzerte von Pantha Du Prince & The Bell Laboratory im HAU-Theater. Während das Album Elements of Light des gemeinsamen Projekts von Hendrik Weber und einem norwegischen Schlagwerk-Ensemble stellenweise zu leichtfüßig und vorhersehbar wirkt, entfaltet es live schnell eine faszinierende Wirkung. Neben einem Carillon, ein Glockenspiel mit mehreren Dutzend Klangkörpern, das mittels einer Klaviatur gespielt wird, begleiten unter anderem Klangvasen, Marimbas, Röhrenglocken und Steeldrums die Elektronik. Die dabei entstehenden Schwingungen und Obertöne bilden einen reizvollen Kontrast zum stoischen Beat-Gerüst und die Musiker wirkend deutlich lebhafter als auf der Studioeinspielung. Nur selten gelingt es akustische und digitale Instrumente live wirkungsvoll miteinander zu verbinden. Pantha Du Prince & The Bell Laboratory gelingt noch mehr, sie schaffen ein Klangerlebnis, wie man es vorher noch nicht gehört hat!
Text: Heiko Hoffmann
Skrillex Variationen (Festivalausstellung “In That Weird Age”, 28.01.2013, Kunstquartier Bethanien)
Beim Betreten des verdunkelten Raums setzt erst einmal große Überforderung ein. Auf der Leinwand an der Rückwand ist eine Vielzahl von Videofenstern zu sehen, in denen – völlig durcheinander und zum Teil gleichzeitig – Youtube-Clips abgespielt werden. Man sieht Menschen, die mit der Gitarre im Wohnzimmer, auf dem Schlagzeug im Proberaum oder als Streichensemble im Konzertsaal alle den gleichen Song interpretieren – die bombastische Stadion-Rave-Hymne “Scary Monsters And Nice Sprites” des Brostep-Stars Skrillex. Von den Zuschauern selbst per Maus gesteuert entsteht so eine unglaubliche Bild- und Tonkakophonie. Die “Skrillex Variationen” getaufte Installation von Robert Sakrowski (curatingyoutube.net) bildete das mit Abstand aufregendste Kunstwerk im Rahmen der CTM-Ausstellung. Während in den Nebenräumen die Relikte des vordigitalen Zeitalters (Kassetten, Tonbänder und Schallplatten) wie Ikonen auf Podesten präsentiert wurden, legte Sakrowskis Arbeit eindrucksvoll dar, wie sehr die digitale Revolution die alltägliche Musikkultur verändert hat.
Text: Daniel Fersch
Diamond Version (29.01.2013, Berghain)
Einen Tag nachdem die dritte EP des gemeinsamen Projekts der Raster-Noton-Mitbegründer Carsten Nicolai (Alva Noto) und Olaf Bender (Byetone) bei Mute erschien, traten Diamond Version im Rahmen des CTM Festivals mit ihrer Live-Performance im Berghain auf. Über die zwei installierten Leinwände sorgte bereits die Umsetzung von „Mission Statement“ als Intro für erste Gänsehaut-Momente auf dem gerammelt vollen Berghain-Floor. Durch die beachtliche Größe der Bühne war dieser auf die Hälfte seines Ausmaßes bei Clubnächten zusammengeschrumpft. In der Folge entwickelte sich ein wildes Feuer aus wuchtigen Maschinen-Grooves im experimentellen Techno-Gewand. In Kombination mit den Visuals von Atsuhiro Ito und der Inszenierung einer weißen Neonröhre als synchronem Synthesizer, verkörperte das Schauspiel einen Frontalangriff auf den Wahrnehmungsapparat bis hin zur allerletzten Synapse.
Text: Felix Hüther